14. April 2006
International Campaign for Tibet
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Nichtautorisierte Übersetzung aus dem Englischen

Erstes Welt-Buddhisten-Forum in China und die Unterdrückung der Religion in Tibet

Auf dem Welt-Buddhisten-Forum, der ersten größeren internationalen Versammlung von Buddhisten, deren Gastgeber die atheistische chinesische Regierung ist, trat am 13. April ein etwas verlegen dreinblickender junger Mann auf, dem Peking aus politischen Gründen den Status des Panchen Lama verliehen hatte, der von den Tibetern jedoch nicht als religiöser Würdenträger anerkannt wird. Den Dalai Lama, das Oberhaupt der Tibeter und den berühmtesten aller Buddhisten, der in der ganzen Welt ob seiner moralischen und religiösen Autorität hochgeachtet wird, lud man zu diesem Forum indessen nicht ein.

Um Mary Beth Markey, die Geschäftsführerin von ICT, Washington, zu zitieren: “Dieses sogenannte Religionsforum gleicht eher einer Parteisitzung, außer daß die in perfekter Formation dasitzenden Teilnehmer weinrote und safrangelbe Gewänder tragen. Es ist eine Schande, daß Peking diesen Gyaltsen Norbu, der von den Tibetern der falsche Panchen Lama genannt wird, Erklärungen über die religiöse Freiheit in Tibet abgeben läßt, die einfach unwahr sind”.

Gyaltsen Norbu, der von China zum 11. Panchen Lama Tibets ausgerufene junge Mann, war bei der Konferenz in der ostchinesischen Stadt Hangzhou zusammen mit acht buddhistischen Führern aus Südkorea, Taiwan und Sri Lanka auf der Bühne zu sehen. Er erklärte der Versammlung, die chinesische Gesellschaft biete dem buddhistischen Glauben ein günstiges Umfeld. Der vom Dalai Lama als der 11. Panchen Lama anerkannte Gendun Choekyi Nyima wurde 1995 mit seinen Eltern in Gewahrsam genommen, und sein Verbleib ist bis heute ungeklärt.

“Die chinesische Regierung versäumte eine Gelegenheit, von ihrer Paranoia und den notorischen Schmähreden gegen den Dalai Lama abzulassen und das Motto des Forums ’Eine harmonische Welt beginnt im Geist’ in die Tat umzusetzen”, fügte Mary-Beth Markey hinzu. “Peking will durch dieses Forum am Vorabend von Hu Jintaos Besuch in den Vereinigten Staaten, wo Präsident Bush die Frage der Religionsfreiheit besonders am Herzen liegt, der Welt ein Bild von religiöser Toleranz vorgaukeln”.

Hunderte von Mönchen und Gelehrten aus aller Welt kamen zu dieser Konferenz, die am 16. April endete, nach Hangzhou in der Provinz Zhejiang. China erklärte, es wolle nicht, daß der Dalai Lama eine “disharmonische” Note in das Forum bringe. Qi Xiaofei, der Vize-Direktor der Abteilung für religiöse Angelegenheiten wurde von der BBC wie folgt zitiert: “Der Dalai Lama ist nicht nur eine religiöse Figur, sondern auch seit langem ein störrischer Sezessionist, der das chinesische Mutterland spalten und die Einheit unter den diversen ethnischen Gruppen zersprengen will” (13. April). Ebensowenig wurde der 17. Karmapa eingeladen, aus dem die Chinesen vor seiner Flucht ins Exil 2000 eine “patriotische” Figur machen wollten.

Liu Yandong, der Chef der Abteilung für Einheitsfrontarbeit, die für den Dialog mit den Gesandten des Dalai Lama zuständig ist, war auch bei der Konferenz anwesend und versuchte, wie Reuters meldete, internationale Befürchtungen, daß Chinas Aufstieg eine Bedrohung für die Welt darstellen könnte, herunterzuspielen (13. April).

Gyaltsen Norbus Erklärung sowie zwei Bilder von seinem Auftritt sind zu sehen unter
http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/asia-pacific/4905140.stm

Die Realität der religiösen Unterdrückung im heutigen Tibet

In der Verfassung der VR China ist verankert, daß die Bürger des Landes die ‚Freiheit der religiösen Überzeugung’ genießen, doch die kommunistische Partei definiert, was ‚zulässiges’ religiöses Verhalten ist, und Religion wird nur so lange geduldet, wie sie die den Status der Partei und ihre vermeintliche Legitimität nicht in Frage stellt.

Die tibetische Identität ist ohne den Buddhismus nicht vorstellbar, und wird daher von der Regierung oft als eine Bedrohung der Autorität des Staates und der Einheit der VR China wahrgenommen. Aus diesem Grunde werden in Tibet harte Maßnahmen zur Repression der Religion eingesetzt.

Viele Tibeter, die ihrer religiösen Berufung nachgehen wollen, sehen aus einer ganzen Reihe von Gründen daher keine andere Wahl als ins Exil zu fliehen: die Generation der älteren, ehrwürdigen Lehrer und Gelehrten in Tibet stirbt aus, es besteht großer Abstand zwischen der älteren und jüngeren Generation, verursacht durch den Tod oder die Flucht von guten Lehrern ins Exil, das ehemals flächendeckende Netzwerk von Klöstern wurde vernichtet, buddhistische Büchereien, Texte, Kunstwerke und Pilgerstätten wurden zerstört, es gibt ein ganzes System zur staatlichen Kontrolle und Verwaltung religiöser Einrichtungen, es werden ständig politische Kampagnen durchgeführt,  Mönche und Nonnen werden gezwungen, an den politischen Schulungen teilzunehmen und den Dalai Lama zu denunzieren, und die Pilgerfahrten werden in verschiedenen Gegenden von den Behörden ungemein eingeschränkt.

  • In den vergangenen 50 Jahren reichten die Maßnahmen beim Umgang mit der Religion in China von pragmatischer Toleranz bis zu kompletter Repression und Verfolgung. Die heutige Politik gebietet es, die Religion den Erfordernissen des Staates anzupassen und zu benutzen, aber dabei muß die Partei sie fest unter der Kontrolle haben. Dies führte in den vergangenen 10 Jahren zum Aufbau administrativer und gesetzlicher Mechanismen, die es den Behörden ermöglichen, alle religiösen Aktivitäten, die in ihren Augen eine Bedrohung der sozialen Stabilität und nationalen Einheit darstellen, zu unterbinden und gleichzeitig dabei vorzugeben, daß sie im Sinne der “Rechtsstaatlichkeit” handelten.

  • Teile der chinesischen Führung sehen den Dalai Lama als das Haupthindernis für die politische Stabilität in Tibet und bezeichnen ihn als “Wolf in Lama-Kleidern”. Allein schon die Ausübung des Buddhismus und das Zeigen von Bildern des Dalai Lama sind daher für viele Tibeter ein Mittel zur Bekundung ihrer Identität und damit ihrer Opposition zur Partei geworden. Alles was mit Religion zu tun hat, wird von der Regierung unter dem Vorzeichen politischer Kontrolle und Kampf gegen den “Separatismus” in Tibet gesehen – Faktoren, durch welche China seine strategischen Interessen und Entwicklungsziele in der Region kompromittiert sieht.

  • Einen neuen Tiefpunkt stellte in den letzten Jahren die Inhaftierung von mehreren hoch angesehenen religiösen Persönlichkeiten dar, die wegen ihrer Treue zum Dalai Lama und ihres religiösen und sozialen Engagements bekannt wurden – einer von ihnen, Tenzin Delek Rinpoche, sitzt “lebenslang” im Gefängnis.

  • Die Kampagne zur patriotischen Erziehung wurde in den Klöstern aller tibetischen Gebiete vehement und umfassend durchgeführt: Ihr Ziel ist es, den Einfluß des Dalai Lama auszuschalten, die Mönche und Nonnen in der Politik der Partei und kommunistischer Ideologie zu schulen und widerspenstige Mönche und Nonnen zu entlarven.

  • Peking übt bei dem Prozeß der Auffindung und Identifizierung der Wiedergeburten von tibetischen Lamas noch mehr Kontrolle als früher aus.

  • Der Abriß von Behausungen und die Vertreibung von Mönchen und Nonnen aus den religiösen Institutionen von Larung Gar (Serthar) und Yachen Gar in einem von Tibetern bewohnten Landstrich der Provinz Sichuan im Laufe der letzten fünf Jahre zeigen, wie ernst es den Behörden mit der Durchsetzung der staatlich verordneten Einschränkung des monastischen Lebens und der Kontrolle einflußreicher und charismatischer spiritueller Führer ist, wie zum Beispiel dem inzwischen verstorbenen Khenpo Jigme Phuntsok, dem Gründer von Larung Gar.

  • Eine gute und umfassende religiöse Ausbildung zu erlangen, ist in Tibet nach wie vor äußerst schwierig, wenn nicht ganz unmöglich.

  • Mönche und Nonnen in Tibet, die ihren Dissens auf irgendeine Weise bekunden, müssen nach wie vor mit Gefängnisstrafen von fünf oder zehn Jahren oder darüber rechnen.
Kate Saunders
Communications Director, ICT
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