24. Februar 2006

International Campaign for Tibet
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Festnahmen nach der Verbrennung von Tierfellen

Nichtautorisierte Übersetzung aus dem Englischen

Nach der Verbrennung von Fellen wilder Tiere, wovon sie Videoaufnahmen machten, die von Umweltschützern in der ganzen Welt verbreitetet wurden, sind acht Tibeter in der Präfektur Ngaba (chin. Aba) in der Provinz Sichuan verhaftet worden. Die festgenommenen Tibeter, von denen ICT fünf namentlich bekannt sind, werden derzeit in den Zellen einer örtlichen Polizeistation festgehalten. In den letzten Wochen kam es in einigen Teilen Tibets zu ähnlichen Vorfällen, wobei Felle verbrannt wurden, um auf den Schutz der freilebenden Wildtiere aufmerksam zu machen. Auch in Lhasa soll es am 6. und 15. Februar zu solchen Aktionen gekommen sein. Einem Bericht aus Tibet zufolge sollen letzte Woche in Rebgong in Qinghai (Amdo) auf beiden Seiten der Straße die Abfalleimer mit den Resten verbrannter Tierfelle gefüllt gewesen sein. Tibetische und chinesische Intellektuelle führen derzeit auf chinesischsprachigen Websites eine heftige Diskussion über diese Verbrennung von Tierfellen, auf einer Website liest man, der Preis für Pelze sei in den letzten Wochen in einigen tibetischen Gegenden drastisch gefallen.

Dieses wachsende Umweltbewußtsein der Tibeter ist eine Folge der allgemeinen Besorgnis über den illegalen Handel mit Wildtierprodukten zwischen Indien und Tibet und das mangelnde Eingreifen der chinesischen Behörden gegen den Verkauf von Fellen seltener Wildtiere in tibetischen Gebieten. In Tibet pflegte man schon immer Gewänder (Chubas) mit dem Pelz wilder Tiere zu verbrämen, doch in letzter Zeit wurden in Indien besorgte Stimmen laut über einen möglichen Zusammenhang des Handels mit diesen Fellen und der drohenden Gefahr des Aussterbens von Raubkatzen, besonders von Tigern. Der Dalai Lama äußerte sich letzten Monat in Indien vor einer Versammlung von Tausenden von Tibetern aus Tibet und dem Exil ungewöhnlich deutlich über die Bedeutung des Schutzes von Wildtieren und des Mitgefühls den Tieren gegenüber. Seine Worte wurden weltweit von vielen Umweltschutz-Organisationen, etwa von Environmental Investigation Agency, Care for the Wild und World Wildlife Fund sehr positiv aufgenommen.

Die Festnahmen in der Autonomen Präfektur Ngaba und Qiang erfolgten, nachdem eine Gruppe von Tibetern sich im Kloster Kirti im Kreis Dzoge (chin. Roergai) versammelt hatte, um Felle bedrohter Tierarten im Wert von Tausenden von Yuan zu verbrennen. Ein Video, das aus Tibet geschmuggelt wurde, zeigt Tibeter, die Pelze zu einem Haufen zusammentragen und ihn dann anzünden, während andere im Hintergrund dazu jubeln und lha gyalo („Sieg den Göttern“, eine traditionelle Anrufungsformel in Tibet) rufen. Um einen Tibeter aus Tibet zu zitieren: „Es war ein außerordentlich bewegender Anblick, und viele Leute weinten dabei“. Die festgenommenen Tibeter wurden verhört, aber es scheint, daß ihre Verwandten sie besuchen konnten. Auch in anderen kleineren Klöstern von Ngaba kam es zu weiteren Verbrennungen von Tierfellen.

Peking ist nervös wegen des anhaltenden Einflusses des Dalai Lama in Tibet, weshalb die chinesische Botschaft in London als Reaktion auf die Pelz-Verbrennungen kürzlich erklärte: „Der Dalai Lama verfolgt mit seinem Aufruf andere Zwecke als den Schutz der Wildtiere in Tibet, denn derartige Aktionen dienen nicht dem Naturschutz, sondern bezwecken die Störung der sozialen Ordnung [sic]“ (Channel Four News, UK, 18 Feb. 2006).

Berichte direkt aus Tibet lassen jedoch keinen Zweifel daran, daß diese Initiativen der Ausdruck von Sorge um den Schutz der Wildtiere sowie der Entschlossenheit der Tibeter sind, einen der Hauptgrundsätze der buddhistischen Lehre einzuhalten, nämlich das Mitgefühl allen Lebewesen gegenüber, woran der Dalai Lama bei dem Kalachakra gemahnt hatte. Die Tibeter, die in Rebgong, Qinghai, Tierfelle verbrannten und vom Sicherheitspersonal zur Rede gestellt wurden, sollen geantwortet haben, sie hätten es getan, weil das Tragen dieser Felle nicht mit dem Buddhismus vereinbar sei. Die Verbrennungen von Tierfellen werden auch mit einem in den letzten Jahren allmählich erwachenden Umweltbewußtsein in der VR China, ganz besonders gegenüber Säugetieren wie der Tibetantilope (Chiru) und Raubkatzen, in Zusammenhang gebracht. Der 2004 produzierte Umweltfilm „Kekexili: Mountain Patrol“, in dem ein populärer tibetischer Schauspieler die Hauptrolle spielt, und der eine Gruppe von Tibetern zeigt, die die Wilderei einzudämmen versuchen, wurde zu einem Kassenschlager in China und auch bei Film-Festivals im Westen gezeigt.

Zu zwei vereinzelten Fällen von Fell-Verbrennung kam es in den letzten 14 Tagen auch in Lhasa um den Barkhor herum. Am 15. Februar wurden die Felle in der Nähe des Jokhang Tempels verbrannt, wobei zwar einige Tibeter zuschauten, sich aber keine größere Menge bildete.

Die Lage in Rebgong, TAP Malho (chin. Huangnan), ist dem Vernehmen nach immer noch angespannt, seit die Behörden nach der Pelzverbrennung am 7. Februar die Sicherheitsvorkehrungen verstärkten. Nachdem sich zahlreiche Leute versammelt hatten, um Zeuge der Verbrennung von Leoparden-, Fuchs- und Fischotterfellen zu sein, wurde ein Tibeter namens Tseten Gyal, der die pelzbesetzten Chubas zusammengetragen hatte, von der Polizei vernommen. Die an der Aktion beteiligten Tibeter gaben an, sie wollten die irrige Meinung, die sich bei einigen Leuten gebildet habe, daß man bei ihnen Pelze aus Prestigegründen trage, zunichte machen, und sie gelobten fortan das Leben aller Tiere zu schützen, besonders der wilden. Viele Bewohner gaben dem Kloster Geld, damit für die getöteten Tiere Gebete dargebracht werden. In Rebgong wurden die Tibeter von den Behörden daran gehindert, eine größere Verbrennungsaktion in ihrem Kloster durchzuführen, aber es scheint, daß diese nicht einschritten, als sie daraufhin die Felle in den Höfen ihrer Privathäuser verbrannten.

Ein Tibeter aus Amdo teilte Radio Free Asia per Telefon mit, daß diese Aktionen spontan erfolgt und nicht organisiert gewesen seien. Er fügte hinzu: „Einige Tibeter gelobten schriftlich, daß sie nie mehr Tierfelle für ihre Kleidung verwenden werden. All dies taten sie aus eigener Initiative und ihrem freiwilligen Entschluß heraus“ (Radio Free Asia, 22 Februar). Außerdem würden sich die Tibeter mehr und mehr der Notwendigkeit bewußt, daß gefährdete Tierarten und die Umwelt geschützt werden müssen.

Weiteren Berichten zufolge kam es auch in der Nähe eines Klosters bei Chentsa (chin. Jianza) in Qinghai (Amdo) zu Fellverbrennungen, und wie von Radio Free Asia berichtet, wurden Tibeter, die am 14. Februar eine Tanzzeremonie im Kirti Kloster in Ngaba besuchen wollten, von der Klosterleitung gemahnt, keine Kleidung aus seltenen Tierfellen zu tragen – falls sie es trotzdem täten, würden ihre Gaben zurückgewiesen.

Diskussion unter Tibetern und Chinesen über das Verbrennen von Tierfellen

Einige Tibeter und Chinesen äußerten sich auf chinesischsprachigen Websites insofern kritisch, als man die Felle besser den Klöstern gestiftet oder in einem Museum ausgestellt hätte, in dem gezeigt werden könnte, wie die Tibeter einmal eine Phase durchmachten, in der sie Tierfelle als eine Art Schmuck verwendeten. Einige Tibeter machten auf den Unterschied zwischen den Intellektuellen und den einfachen Leuten auf dem Lande aufmerksam, wobei einer bemerkte: „Wie es immer so ist, gibt es eine Gruppe von gebildeten Tibetern, die herumsitzen und schwätzen, während sich dort draußen Leute von niedrigerem gesellschaftlichem Rang opfern und die Träger von Weisheit und Verantwortung sind“.

Ein Teilnehmer an der Diskussion, ein Tibeter, der viele der Beiträge analysierte, stellte fest: „Die meisten Leute sind der Meinung, daß die Tierpelze zerstört werden mußten: Hätte man sie unangetastet gelassen, kämen die Leute immer wieder in Versuchung, sie zu tragen, und andere wiederum würden Handel mit ihnen treiben wollen“. Einige diskutierten die von den Tibetern verwendete Methode der Verbrennung (der Dalai Lama hatte in seiner Kalachakra-Botschaft nichts davon gesagt): „Sie wählten diese Art und Weise, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und man muß sagen, daß es für sie der beste Weg war – ich jedenfalls wünsche ihnen das Allerbeste!“ Zwei weitere Schreiber meinen: „Mit dieser Tat wird allen deutlich gemacht, daß wir sehr lange eitel und unwissend waren! Vielleicht war es nicht die perfekteste und eleganteste Methode mit der Problematik umzugehen, aber für die Menschen, die in diesem Land leben, war dieser Weg der angemessenste“. „Diese wertvollen Felle zu verbrennen, erforderte eine ungeheure Entschlußkraft, und für die meisten Leute war es ein großes Opfer. Schon alleine das ist ein Ausdruck der positiven Wirkung des Aufrufs des Dalai Lama, und man kann daraus sehen, wie schlicht der Glaube der Menschen an den Dalai Lama ist“.

Ein tibetischer Gelehrter, der auf einer chinesischen Website schreibt, sagte, Jagd und Wilderei hätten erheblich zugenommen, seitdem sich in den achtziger und neunziger Jahren die Gewohnheit des Tragens von Tierfellen in Tibet breit gemacht habe. Ein Chinese erklärte auf derselben Seite hingegen, der Zuwachs beim Handel sei einem offiziellen chinesischen Gefühl für Ästhetik zuzuschreiben: „Um Investitionen anzulocken und den Tourismus zu fördern, wurden, wo immer man hingeht, ‚Kulturfeste’ eingerichtet, und eine der Hauptattraktionen dabei sind die Darbietungen mit tibetischen Trachten. Diese Shows sollen den Sinn der Regierung für Ästhetik deutlich machen, und die Leute, die ihre kostbaren Kostüme zur Schau tragen, erwerben sich so oft einen Namen; dadurch werden sie ermutigt, immer seltenere Felle und in immer größeren Mengen zu tragen. Zuweilen leiht die Regierung sogar besonders schöne Einzelstücke von den Leuten aus und gibt sie dann einer Handvoll Künstlern für ihren Auftritt. Diese haben dann so viel Schmuck an sich hängen, daß sie wie ein Juwelierladen aussehen, und die Regierung muß Polizisten zu ihrer Bewachung schicken, damit sie nichts verlieren und ihnen nichts gestohlen wird.“ Der chinesische Schreiber beruft sich auch auf einen tibetischen Pop-Sänger, der stets Pelz trage und so den Eindruck erwecke, daß alle Tibeter Pelze trügen und Tiere töteten. Er zieht den Schluß; „Die Behörden in den tibetischen Gebieten sollten erkennen, daß die Kultur, wenn sie zu einer Bühne für die Wirtschaft gemacht wird, stets schweren Schaden nimmt“.

Ein weiterer Beitrag auf einer chinesischsprachigen Website lautete: „ Ich frage jeden Tibeter, der sich als Buddhist betrachtet und meint, mehr an Mitgefühl, Gnade und Liebe als andere zu haben: Wo sind diese Liebe und dieses Mitgefühl und unsere Gebete für alle lebenden Wesen, wenn wir unseren Landsleuten in Tierfellen entgegentreten? Diese herrlichen Kreaturen durch unsere morbide Ästhetik an den Rand der Ausrottung zu treiben, bedeutet, ihre Geschichte in Blut und Tränen zu beschließen. Es genügt, Shakyamuni in einem Augenblick erstickt zu haben. Wenn wir nicht von den Fellen ablassen, dann wird das Unheil für diese Tiere weitergehen, und sie werden von einem Volk voller Mitgefühl, wie dem unsrigen, ausgerottet werden. Wir können nicht nur dasitzen und abwarten, wir müssen handeln und den Tieren eine Welt zurückgeben, in der es keinen Terror und kein Gemetzel gibt. Wir leben alle unter demselben blauen Himmel“.

Original von Kate Saunders: http://www.savetibet.org/news/newsitem.php?id=915