Nepal setzt 18 tibetische Flüchtlinge in Kathmandu gefangen - Gefahr der Abschiebung an chinesische Behörden
Kathmandu, 18. April 2003: Gestern verurteilte die nepalesische Regierung eine Gruppe von 18 tibetischen Flüchtlingen, darunter 10 Teenager, die am 15. April von der Polizei aufgegriffen worden waren, zu Gefängnisstrafen. Vertreter des Innenministeriums sprachen davon, daß die Flüchtlingsgruppe anschließend deportiert und den chinesischen Behörden in Tibet überstellt werden solle.
Zwei Sechsjährige und eine Neunjährige, welche die letzten drei Tage zusammen mit den anderen 18 Flüchtlingen im Gefängnis gesessen hatten, wurden vermutlich heute in die Obhut des UN Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) gegeben.
Weil die übrigen 18 Personen kein Geld hatten, um die von der Einwanderungsbehörde geforderten Geldstrafen zu zahlen, wurden sie zu Haftstrafen von 7 bis 10 Monaten verurteilt und in das Dili Bazaar Gefängnis gebracht, wo bereits acht andere tibetische Flüchtlinge wegen gleicher Anklagen langjährige Strafen verbüßen. Ein weiterer Tibeter sitzt aus denselben Gründen in dem Khar Guard-Gefängnis. Insgesamt 27 tibetische Flüchtlinge sind jetzt in Kathmandu inhaftiert.
Ein Vertreter des UNHCR bemühte sich am 17. April den ganzen Tag darum, die 21 Flüchtlinge aus humanitären Gründen freizubekommen - jedoch ohne Erfolg. Als die UNHCR-Mitarbeiter dann am späten Nachmittag gegangen waren, verfügte die Einwanderungsbehörde, daß die Tibeter ins Gefängnis gebracht werden.
Nachdem die Gruppe zwei Nächte in dem Hanuman Dhoka Gefängnis in Kathmandu verbracht hatte, fällte die Einwanderungsbehörde mit der Begründung "illegaler Einreise in das Königtum Nepal" ihre administrative Entscheidung. Die Sechsjährigen und die Neunjährige waren insgesamt drei Tage im Gefängnis, ehe sie dem UNHCR übergeben wurden.
Die aus verschiedenen Gegenden Tibets stammenden 21 Flüchtlinge waren über den 19.000 Fuß (5.800 m) hohen Nangpa-La Paß in Solo Khumbu gekommen. Als sie in einem öffentlichen Bus zu dem Refugee Reception Centre nach Kathmandu fahren wollten, wurden sie am 15 April von der nepalesischen Polizei gefaßt.
Staatssekretär Tika D. Niraula vom nepalesischen Innenministerium deutete am 16. April Menschenrechtsaktivisten an, daß die Regierung die Absicht habe, diese neuen Flüchtlinge zu deportieren. Wenn die Geldstrafen bezahlt seien oder nachdem sie ihre Haftstrafen abgeleistet hätten, würden sie wahrscheinlich der chinesischen Polizei in Kodari an der tibetisch-nepalesischen Grenze überstellt werden.
Bisher brachte die nepalesische Polizei festgenommene tibetische Flüchtlinge zu dem Immigration Department in Kathmandu, wo man sie dem UNHCR übergab. Seit 1989 bestand eine inoffizielle Abmachung zwischen der nepalesischen Regierung und dem UNHCR, der zufolge Nepal die Durchreise neu eingetroffener Flüchtlinge durch Nepal zur tibetischen Exilgemeinde in Indien erleichtert. In der Vergangenheit wurde diese Abmachung von Menschenrechtsgruppen und nepalesischen Regierungsbeamten als "Gentleman's Agreement" bezeichnet.
"Ich weiß nichts von einem Gentleman's Agreement", erklärte der Direktor der Immigrationsbehörde, Subarna L. Shrestha, heute ICT, als ihm die Frage gestellt wurde, warum er die Flüchtlinge nicht entsprechend der lang geübten Praxis dem UNHCR übergeben hätte. "Falls es irgendeine Übereinkunft gibt, wie mit diesen Tibetern zu verfahren ist, dann muß ich sie in schriftlicher Form und vom Innenministerium ausgestellt sehen", war seine Antwort.
Dieser Direktor der Einwanderungsbehörde ist für Entscheidungen auf dem Verwaltungsweg, wie diejenige, die gerade gegen die 18 Personen ergangen ist, zuständig. Im vergangenen Jahr wurden für einige Tibeter, die aus denselben Gründen wie jetzt die 18 festgenommen worden waren, die Strafen von NGOs und Privatpersonen bezahlt.
ICT befürchtet, daß die Bezahlung von Geldstrafen, um die Freilassung von Flüchtlingen zu erwirken, zur Festnahme weiterer tibetischer Flüchtlinge Anlaß gegeben haben könnte. Es strebt vielmehr eine politische Lösung an, um der immer größer werdenden Zahl von tibetischen Flüchtlingen, die von der dem Innenministerium unterstehenden Immigrationsbehörde ins Gefängnis geworfen werden, entgegenzuwirken.
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