31. Dezember 2002

International Campaign for Tibet (ICT)
Washington, www.savetibet.org

Prominente Anwälte von der Verteidigung Tenzin Delek Rinpoches ausgeschlossen

Laut Wang Lixiong, einem bekannten chinesischen Historiker, wurde zwei prominenten chinesischen Rechtsanwälten (Zhang Sizhi und Li Huigeng), die Tenzin Delek Rinpoche verteidigen wollten, erklärt, der Fall des Rinpoche würde von zwei Rechtsanwälten aus der Präfektur Karze (chin. Ganzi) übernommen werden. Tenzin Delek Rinpoche war am 2. Dezember zum Tode mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verurteilt worden.

In einem Bericht auf der chinesischsprachigen Website Duowei ("Andere Blickwinkel") schrieb Wang am 31. Dezember, Zhang und Li hätten bereits Vorbereitungen getroffen, um nach Dhartsedo (chin. Kangding) in der Provinz Sichuan, dem Ort der Inhaftierung von Tenzin Delek Rinpoche, zu reisen, als sie am 29. Dezember von Richter Wang Jinghong vom Provinzgericht Sichuan informiert wurden, daß ihre Dienste nicht erforderlich wären. Rinpoches Bruder Tsering Lolo hatte die beiden gebeten, diesen Fall zu übernehmen. Richter Wang erklärte, zwei dort lebende Rechtsanwälte hätten bereits die Verteidigungsunterlagen eingereicht.

1995 hatten Zhang und Li den chinesischen Dissidenten Wei Jingsheng verteidigt, und 1991 hatte Zhang bereits Wang Juntao, einen weiteren chinesischen Dissidenten, vertreten.

Am 27. Dezember hatte Li dem Richter Wang seine Absicht, Tenzin Delek zu verteidigen, telefonisch mitgeteilt und sich über die Reiseverbindungen von Chengdu nach Dhartsedo erkundigt. Auch über die Bereitstellung eines Dolmetschers wurde gesprochen, und Richter Wang schlug vor, einen Übersetzer vor Ort zu engagieren, weil Tibeter aus Peking oder Chengdu den lokalen Dialekt vielleicht nicht verstehen würden. Zu diesem Zeitpunkt sagte Richter Wang nichts von den angeblich von Tenzin Delek Rinpoche am Ort bestellten Rechtsanwälten.

Wang Lixiong meint, diese plötzliche Entwicklung sei darauf zurückzuführen, daß Richter Wang unter dem Druck der Provinzregierung von Sichuan stehe und die Rechtsanwälte aus Peking daran hindern müsse, für den Rinpoche einzutreten. In Wangs Bericht heißt es weiter, nur außerhalb Sichuans lebende Anwälte könnten eine angemessene Verteidigung garantieren, weil sie nicht durch die Provinzregierung kontrolliert würden, während die zwei Anwälte vor Ort wohl kaum die Fähigkeit und den Mut zu einer energischen Verteidigung haben dürften, da sie in der Präfektur Karze ansässig und somit von den Präfekturbehörden abhängig sind.

Wang vermutet daher, daß es für den Rinpoche keinen fairen Berufungsprozeß geben werde. Tenzin Delek Rinpoches Bruder Tsering Lolo hatte die Pekinger Rechtsanwälte um ihre Hilfe gebeten, während Richter Wang behauptet, die Bestellung der beiden Anwälte aus Kandze sei auf die direkte Bitte von Tenzin Delek hin erfolgt. Es sei indessen unmöglich herauszufinden, ob Tenzin Delek sie tatsächlich engagiert habe. Ferner wurde berichtet, Behördenvertreter seien am 27. Dezember bei Tsering Lolo in seiner Wohnung im Distrikt Lithang aufgetaucht und hätten ihm unter Drohungen vorgehalten, daß er um Hilfe von Rechtsanwälten aus Peking nachgesucht habe.

Am 28. Dezember trafen Wang Lixiong und einige der Personen, die zugunsten des Rinpoche eine Bittschrift verfaßt hatten, mit Zhang und Li zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wang zufolge sei es aus zweierlei Gründen vorteilhaft, wenn diese Anwälte für den Rinpoche eintreten würden. Erstens könnte damit der Welt gezeigt werden, daß der Prozeß gerecht geführt wird und zweitens würde den Tibetern signalisiert, daß es auch teilnahmsvolle Chinesen gibt, denen das Schicksal der Tibeter am Herzen liegt.

Zhang Sizhi, Li Huigeng und Tsering Lolo stellten bei dem Obersten Provinzgericht von Sichuan einen Antrag und warten nun auf dessen Entscheidung. Tenzin Delek Rinpoche und Lobsang Dhondup, denen vorgeworfen wird, für eine Reihe von Sprengstoffanschlägen verantwortlich zu sein, hatten, wie AFP am 13. Dezember 2002 von einem Gerichtsbeamten aus Sichuan erfuhr, gegen ihre Verurteilung zum Tode Berufung eingelegt.