August 2007
Human Rights Update

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Tibeter in Lithang wegen friedlicher politischer Demonstration festgenommen
China verhaftet zwei tibetische Sympathisantinnen von Trulku Tenzin Delek in Lithang
Rongye Adraks Schicksal immer noch ungewiß       
China verhaftet drei Neffen von Rongye Adrak in Lithang
Die Tibeter in Lhasa brechen unter dem Zustrom chinesischer Migranten zusammen
Überwachung und Restriktionen in Lhasa und Umgebung ausgeweitet
Chinesische Behörden verlegen Adruk Lopoe an einen unbekannten Ort,  weiterer tibetischer Nomade festgenommen


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Tibeter in Lithang wegen friedlicher politischer Demonstration festgenommen

Bestätigten, dem TCHRD zugegangenen Informationen zufolge wurde Ronggay Adrak (oder: Rongyal Adrak), ein tibetischer Nomade aus Lithang, festgenommen, als er während einer offiziellen Jahrestagsfeier friedlich zu protestieren versuchte.

Am 1. August 2007 hielt die Verwaltung des Distrikts Lithang eine offizielle Feier zum 80. Gründungstag der Volksbefreiungsarmee (PLA) ab. Zahlreiche Menschen aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten in der Gegend von Lithang kamen, um dieser offiziellen Feier und dem berühmten jährlichen Pferderennen beizuwohnen. Unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung etwa um 11 Uhr, als der Hauptgast, die Offiziellen und das Publikum bereits an ihren Plätzen waren, begab sich Ronggay Adrak, ein 52jähriger Nomade aus der Nomadensiedlung Yonru, Distrikt Lithang, TAP Kardze, auf die Bühne, um dem Lithang Kyabgyon, dem Oberlama des Klosters Lithang, einen traditionellen Khatag (Begrüßungsschal) umzuhängen. Dann ergriff Ronggay Adrak das Mikrophon und schrie vor versammelter Menge „Der Dalai Lama muß nach Tibet zurückkehren“, „Laßt den Panchen Lama frei“, „Tibet will Unabhängigkeit“ hinein. Dann rief er die Leute auf, sich nicht länger um Weideland, Wasser und das Sammeln von yartsa gunbhu (cordyceps sinensis) zu streiten.

Nachdem Ronggay Adrak von der Bühne heruntergekommen war, ging er schnurstracks auf Naglu Tenzin zu, einen Mönch, der den Chinesen bei der der „patriotischen Umerziehung“ aktiv beisteht, und stellte ihn vor dem Hauptgast und dem versammelten Publikum wegen seiner Doppelmoral bei der Handhabung der religiösen Angelegenheiten des Klosters zur Rede. Nun ging er wieder auf die Bühne und rief seine Parolen, wobei die versammelten Tibeter in die Rufe einfielen. Kurz darauf wurde er von der örtlichen Polizei von Kardze festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Da sie fürchteten, Ronggay Adrak könnte Schlimmes angetan werden, gingen Dutzende von Leuten aus dem Dorf Yonru zum Distriktbüro von Lithang, wo sie Auskunft über seinen Verbleib und seinen Zustand sowie seine sofortige Freilassung forderten. Sie demonstrierten sogar innerhalb der Mauern der Distriktverwaltung und verlangten seine Freilassung und die Achtung des Rechtes des tibetischen Volkes auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.

Einer glaubwürdigen Quelle zufolge stürmten einige Leute sogar in das Verwaltungsbüro und forderten seine sofortige Freilassung. Der Polizeioffizier, der eine Eskalation der Lage befürchtete, gab Warnschüsse in die Luft ab. Die Tibeter ließen sich jedoch nicht abschrecken, sie trotzten dem Dauerregen an diesem Tag und wiederholten ihre Forderungen. Wie es heißt, kehrten sie erst nach Hause zurück, als die Offiziellen zusagten, Ronggay Adrak am nächsten Tag um 14 Uhr freizulassen. Aus einer anderen Quelle verlautet: „Während sie nach Hause zurückkehrten, riefen diese Dorfbewohner alle Tibeter, die sich zum Dalai Lama und zur Unabhängigkeit bekennen, auf, sich ihnen anzuschließen. Sie sagten, falls die Behörden Ronggay Adrak nicht wie versprochen um 14 Uhr freiließen, würden sie eine Massendemonstration vor dem Haftzentrum organisieren, egal welche Folgen das hätte“. Die Lage in Lithang ist sehr angespannt. [Einer Meldung von Radio Free Asia zufolge befinden sich inzwischen 20 Personen hinter Gittern und 200 weitere wurden in Gewahrsam genommen. AFP meldete, daß Einheiten der bewaffneten Volkspolizei in die Stadt Lithang entsandt wurden.

Das TCHRD ist äußerst besorgt über die Festnahme von Ronggay Adrak, der nur seine politischen Rechte wahrnahm, und fordert seine sofortige Freilassung. Die VR China sollte die Rechte achten, die von ihrer Verfassung und anderen wichtigen von ihr unterzeichneten internationalen Abkommen und Verträgen garantiert werden. Freie Meinungsäußerung ist eines der grundlegenden Menschenrechte und Voraussetzung für die Wahrnehmung aller anderen Menschenrechte. Das TCHRD bittet um die Unterstützung von Menschenrechtsgruppen und der internationalen Gemeinschaft, um die Freilassung von Ronggay Adrak zu erwirken. Es erachtet den Fall als einen schweren Angriff auf die Meinungsfreiheit. Das TCHRD wird die Lage weiter verfolgen und sobald es weitere Informationen erhält, diese sofort bekanntgeben.

Jugendbild von Rongye Adrak
O'dho aus dem Dorf Othok

China verhaftet zwei tibetische Sympathisantinnen von Trulku Tenzin Delek in Lithang

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, Dharamsala, erhielt eine bestätigte Information, daß zwei tibetische Frauen, O’dho und Apha Bhomo, beide Ende fünfzig und aus dem Dorf Othok, Kreis Nyagchuka, Tibetische Autonome Präfektur („TAP“) Kardze, Provinz Sichuan, stammend, am 19. Juli 2007 vom Büro für Öffentliche Sicherheit (PSB) des Kreises Nyagchuka verhaftet worden sind. Angeblich haben sie das „Verbrechen“ begangen, ihre Landsleute zu animieren, sich ihrer Forderung nach der Freilassung von Trulku Tenzin Delek anzuschließen. Beide befinden sich derzeit im PSB-Haftzentrum des Kreises Nyagchuka. Die Behörden haben ihren Verwandten die Besuchserlaubnis verweigert. O’dho, Mutter von neun Kindern, ist aus der Gemeinde Sholong, Kreis Nyagchuka, „TAP“ Kardze, Provinz Sichuan, gebürtig. Des weiteren erfuhr das Zentrum, daß die Behörden O’dhos zwei Söhnen, Kalsang Sungrab und Tenzin Tsoknyi, den Besuch ihrer jeweiligen Schulen verwehrt und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt haben.

Zu Protesten in der Bevölkerung war es gekommen, nachdem chinesische Beamte am 18. Juni 2007 eine Einweihungszeremonie im Kham Nalanda Thekchen Jangchup Choeling Kloster unterbrochen und dagegen Einspruch erhoben hatten, daß die Gläubigen ein Portrait von Trulku Tenzin Delek auf dem Thron einer neu gebauten Gebetshalle (tib. dukhang) aufstellen wollten. Dieses von Trulku Tenzin Delek 1987 gegründete Kloster erhielt seinen Namen „Kham Nalanda Thekchen Jangchup Choeling“ von dem verstorbenen 10. Panchen Lama. Wie berichtet wird, hat das bei der Zeremonie zahlreich anwesende Publikum deutlich seinen Unmut über die Eigenmächtigkeit und Arroganz der Behörden in dieser Angelegenheit zum Ausdruck gebracht.

Nach diesem Vorfall inszenierten die dortigen Tibeter einen öffentlichen Protest. Einige Einwohner begaben sich nach Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, um dort bei den übergeordneten Behörden vorstellig zu werden. Eine andere Gruppe von Tibetern aus dem Kreis Nyagchuka, die eine ähnliche Beschwerde über die Willkür der Behörden einreichen wollte, wurde von PSB-Kräften von Nyagchuka festgesetzt. O’dho und Apha Bhomo, die, wie andere Tibeter aus Lithang und Umgebung auch, treue Anhänger von Trulku Tenzin Delek sind, baten die Behörden um Einsehen, daß der Trulku unschuldig ist und zu Unrecht verurteilt wurde.

Die derzeitige Lage in Lithang und den umliegenden Gebieten ist aufgrund der kürzlich erfolgten Welle öffentlicher Proteste hin äußerst angespannt. Die Behörden stellten verdächtige Personen unter strenge Überwachung. Die jüngsten Fälle willkürlicher Festnahmen, die aus der Gegend gemeldet wurden, stellen eine eindeutige Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes dar.

Das TCHRD ist zutiefst besorgt über die Serie willkürlicher Verhaftungen von Tibetern im Gebiet Lithang, nur weil diese ihre grundlegenden Menschenrechte friedlich und gewaltlos ausübten. Das Zentrum fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung von O’dho und Apha Bhomo, die willkürlich festgehalten werden, nur weil sie an gewaltlosen Demonstrationen teilnahmen und friedlich ihre Meinung zum Ausdruck brachten. Ebenso fordert es, daß O’dhos Kinder den Schulbesuch wieder aufnehmen können und daß ihre Bewegungsfreiheit wiederhergestellt wird.

Das TCHRD ruft die Volksrepublik China auf, den willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen ein Ende zu setzen. Es wendet sich eindringlich an die internationalen Bürgerrechtsorganisationen und die zuständigen UN-Gremien zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte mit der Bitte um Intervention und Hilfe für die baldige Freilassung der Festgenommenen.

Das TCHRD appelliert erneut an die Regierung der VR China, das Verfahren von Trulku Tenzin Delek* unter fairen und offenen Bedingungen gemäß den international gültigen Rechtsnormen und -praktiken wiederaufzunehmen. Das Zentrum ist überzeugt, daß der Trulku unschuldig ist und zu Unrecht mit dem Bombenattentat in Verbindung gebracht wird* und es drängt die chinesische Regierung, Auskunft über seinen Aufenthaltsort und seinen Gesundheitszustand zu geben und ihn unverzüglich freizulassen.

Rongye Adraks Schicksal immer noch ungewiss

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) ist ernsthaft besorgt um das Wohlergehen von Rongye Adrak, der seit dem 1. August 2007 willkürlich festgehalten wird, weil er während einer offiziellen von der Bezirksregierung von Lithang/Osttibet (Autonome Tibetische Präfektur Kardze) organisierten Feier zum 80. Gründungstag der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) und zum Auftakt des jährlichen Pferderennens einen öffentlichen Protest inszeniert hatte.

Man weiß, daß er im Haftzentrum des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Lithang inhaftiert ist. Das TCHRD befürchtet, daß Rongye Adrak im Polizeigewahrsam gefoltert wird, wie es in allen Gefängnissen und Haftzentren der Chinesen gang und gäbe ist.

Nach der Verhaftung von Rongye Adrak wurden massive Sicherheitsvorkehrungen getroffen, weil die Behörden Unruhen größeren Ausmaßes unter der Bevölkerung befürchteten. Das TCHRD erhielt exklusive Fotos*, welche die angespannte Situation verdeutlichen. Verlautbarungen zufolge entsandte die Bezirksverwaltung eine große Anzahl von paramilitärischen Kräften in die Gegend und schränkte die Bewegungsfreiheit der Bewohner drastisch ein. Die Lage in Lithang ist nach der Festnahme von Rongye Adrak nach wie vor angespannt, und das lange Stillschweigen der lokalen Behörden zu den hartnäckigen Forderungen der Leute, ihn unverzüglich freizulassen, hat die Situation nicht verbessert.

Obwohl die örtlichen Beamten versprochen hatten, ihn am folgenden Tag um 14 Uhr zu entlassen, gibt es bisher keine Bestätigung für seine Freilassung. Einigen Berichten zufolge sind zahlreiche Unterstützer von Rongye Adrak, die tagelang vor dem Verwaltungsgebäude in Lithang demonstriert hatten, nach eindringlichen Bitten ihrer Gemeindeältesten inzwischen abgezogen, um eine gewaltsame Niederschlagung der Aktion zu vermeiden.

Angesichts des vor einigen Tagen erfolgten bewegenden Appells des Sohns und des Neffen von Rongye, die im Exil in Indien leben, bittet das TCHRD internationale Bürgerrechtsgruppen und die zuständigen UN-Gremien für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte dringend um ihre Intervention und Unterstützung für eine baldige Freilassung des willkürlich Inhaftierten.

Am 1. August hatte Rongye Adak, ein stämmiger Khampa aus Lithang, die Bühne betreten, wo er dem Lama des Ortes seinen Respekt erwies, das Mikrophon ergriff und unvermittelt eine Rede hielt. Er fragte die versammelten Nomaden, ob sie wollten, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama nach Tibet zurückkehre. Alle riefen einstimmig "ja", jubelten, klatschten und pfiffen. Er forderte auch die Freilassung von Gedhun Choekyi Nyima, dem XI. Panchen Lama Tibets, sowie die von Tulku Tenzin Delek.

Das Zentrum erachtet den Fall als einen schweren Angriff auf die Meinungs- und Redefreiheit. Freie Meinungsäußerung ist eines der grundlegenden Menschenrechte und Voraussetzung für die Wahrnehmung aller anderen Menschenrechte. Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Ebenso garantiert Art. 35 der Verfassung der Volksrepublik China die „Freiheit der Meinungsäußerung, Presse, Versammlung, Bildung von Vereinigungen, Protestzügen und der Demonstration“.

Das TCHRD ruft die Regierung der VR China weiterhin auf, alle politischen Gefangenen freizulassen, die festgenommen und inhaftiert wurden, nur weil sie ihre grundlegenden Menschenrechte wahrgenommen haben, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der Verfassung und in zahlreichen anderen Völkerrechtsabkommen, denen China beigetreten ist, verankert sind. Für das TCHRD sind die Worte, die Rongye Adrak an seine Landsleute richtete, ein echter Ausdruck der Sorge sowie der Verzweiflung, in der sich die Tibeter als Folge der repressiven Politik Chinas befinden. Die chinesische Regierung sollte diesen echten Anliegen der Tibeter vor Ort Beachtung schenken, statt die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes noch weiter zu dezimieren.

PAP-Soldaten in voller Terror-Abwehr-Ausrüstung
In einem dieser Fahrzeuge wird Rongye Adrak abtransportiert
Konvoi von PAP-Fahrzeugen, in einem davon befindet sich Rongye

China verhaftet drei Neffen von Rongye Adrak in Lithang

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie in Dharamsala erhielt eine bestätigte Information aus zuverlässiger Quelle, daß drei weitere Tibeter aus dem Dorf Yonru Kharshul, Gemeinde Ponkar, Distrikt Lithang, festgenommen wurden. Die Polizeiaktion steht in Zusammenhang mit dem Fall Rongye Adrak und den anhaltenden Protesten seiner Unterstützer aufgrund seiner Inhaftierung am 1. August.

Der Mönch Adruk Lopo

Nach der Festnahme von Rongye Adrak belegten die Behörden Lithang und die umliegende Gegend mit schweren Restriktionen, weil sie einen Aufstand der Bevölkerung befürchteten. Wie es heißt, harrten Unterstützer von Rongye Adrak nach dessen Verhaftung tagelang vor dem Kreisbüro für Öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau) aus und forderten seine unverzügliche Freilassung. Um sie einzuschüchtern, stellte die Kreisverwaltung von Lithang zusätzliche Einheiten der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) zur Verstärkung bereit, um die Sympathisanten zu beobachten und zu überwachen.Der Quelle zufolge „nahmen die Sicherheitsleute und die PAP-Milizen auf Befehl von oben einige der führenden Unterstützer fest, die sich in den letzten zwei Wochen um die Freilassung von Rongye Adrak bemüht hatten“.

„Am Abend des 21. August 2007 stürmten zahlreiche Sicherheitskräfte und Soldaten der Bewaffneten Volkspolizei unvermittelt in Adraks Heimatdorf Yonru Kharshul (Kreis Lithang, Tibetische Autonome Präfektur Kardze, Provinz Sichuan) und nahmen drei seiner Neffen fest. Zuerst drangen die Sicherheitskräfte in Adraks Haus ein und fragten nach Adruk Lopoe, einem Mönch des Klosters Lithang, der den Aufruf für die Freilassung Rongyes angeführt hatte. Da sie Adruk Lopoe nicht vorfanden, nahmen sie willkürlich zwei seiner Brüder fest, Adruk Gyatso und Adruk Nyima, und brachten sie gewaltsam in das örtliche PSB-Haftzentrum. Dann durchsuchten sie das ganze Haus nach Beweismaterial, um einen Anklagegrund gegen sie zu haben.“

Weiter verlautet aus unserer Quelle, daß „Adruk Lopoe ein paar Stunden später, als er von der Festnahme seiner beiden Brüder erfahren hatte, zum Public Security Bureau von Lithang ging und dem Diensthabenden erklärte: ‚Ich bin derjenige, den ihr sucht, und ich verlange die sofortige Freilassung meiner beiden Brüder.’ Die PSB-Offiziere jedoch gingen nicht darauf ein und verhafteten ihn.“

Das TCHRD ist in großer Sorge um Rongye Adrak und seine drei Neffen, die von den PSB-Offizieren und den PAP-Milizen des Kreises Lithang willkürlich in Haft gehalten werden. Da Folter in den von Chinesen geführten Gefängnissen und Haftanstalten gang und gäbe ist, befürchtet das Zentrum das Schlimmste.

Angesichts der nach wie vor angespannten Lage in Lithang appelliert das Zentrum an die Volksrepublik China, keine willkürlichen Verhaftungen mehr vorzunehmen. Es wendet sich eindringlich an die internationalen Bürgerrechtsorganisationen und die zuständigen UN-Gremien zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte mit der Bitte um Intervention und Hilfe für die baldige Freilassung der Festgenommenen. Das Zentrum erachtet das Vorgehen der Behörden als schweren Angriff auf die Meinungs- und die Redefreiheit, sowie als Fall von Freiheitsberaubung durch willkürliche Verhaftung.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist eines der grundlegenden Menschenrechte und Voraussetzung für die Wahrnehmung aller anderen Menschenrechte. Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Ebenso garantiert Art. 35 der Verfassung der Volksrepublik China die „Freiheit der Meinungsäußerung, Presse, Versammlung, Bildung von Vereinigungen, Protestzügen und der Demonstration“.

Die Tibeter in Lhasa brechen unter dem Zustrom chinesischer Migranten zusammen

Zuverlässigen Informationen an das TCHRD zufolge leiden die Tibeter in Lhasa ungeheuer unter dem unablässigen Zustrom chinesischer Migranten, die derzeit in noch nie dagewesener Zahl aus dem chinesischen Kernland in die Stadt strömen.

Schwere Regengüsse in Südasien und speziell in China haben im chinesischen Tiefland verheerende Überschwemmungen verursacht. Die Schäden sind katastrophal, Hunderttausende von Häusern und Siedlungen fielen den Fluten zum Opfer.

Millionen Menschen im chinesischen Kernland verloren nicht nur ihr Obdach, sondern auch jede Chance auf eine bessere Zukunft, weshalb mit der neuen Tibet-Qinghai-Eisenbahn nun zahllose flutgeschädigte Chinesen nach Tibet drängen. Durch diesen ungeheuren Zustrom chinesischer Zuwanderer nach Lhasa erhöht sich der Druck auf die ortsansässigen Tibeter zusätzlich, und sie wissen bald nicht mehr, wie sie von einem Tag zum anderen überleben sollen.

Die chinesischen Migranten sind dafür bekannt, daß sie jede Arbeit annehmen. Seit Anfang Juli 2007 ist der chinesische Bevölkerungsanteil in Lhasa jedoch ins Unermeßliche gestiegen und viele Neuzuwanderer haben keine Arbeit gefunden. Allmählich fangen sie an, ihrer Wut und Frustration wegen des Mangels an Arbeitsplätzen und Berufsaussichten Luft zu machen.

Dieser beispiellose Bevölkerungsdruck durch die chinesischen Zuwanderer stellt die Tibeter in Lhasa vor immense Probleme, die sie sich niemals hätten vorstellen können. Die Preise für Grundnahrungsmittel und tägliche Gebrauchsgegenstände sind in die Höhe geschossen und die Inflationsrate ist enorm. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Butter und Getreide steigen fieberhaft weiter. Die Tibeter sehen diese Entwicklung mit Entsetzen, denn sie wissen nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Seit Anfang Juli treibt das PSB auf Anordnung der Regierung die Bettler auf den Straßen zusammen und schafft sie zurück an ihre Heimatorte. Ihnen wird befohlen, sich nie wieder in Lhasa blicken zu lassen.

Heutzutage streifen Unmassen arbeitsloser chinesischer Migranten und Glückssucher durch die Straßen der Stadt. Ironischerweise kümmern sich die chinesischen Behörden in keiner Weise um die explosionsartig zunehmenden chinesischen Zuwanderer ohne Beschäftigung, während sie die tibetischen Bettler rechtswidrig ins Hinterland verfrachten lassen.

Das TCHRD ist äußerst besorgt über die durch den unablässigen Zustrom chinesischer Wanderarbeiter und Glückssucher nach Tibet verursachte Problematik. Der Lebensunterhalt der Tibeter in Lhasa und Umgebung ist in hohem Maße bedroht. Wir fordern die chinesische Regierung auf, sofort Abhilfe zu schaffen. Die Ignorierung einer derartigen Situation ist eine eklatante Verletzung der Menschenrechte eines einheimischen Volkes und steht in krassem Widerspruch zum Geist der chinesischen Verfassung und zum internationalen Recht.  

Überwachung und Restriktionen in Lhasa und Umgebung ausgeweitet

Dem TCHRD liegen bestätigte und zuverlässige Informationen über Vorgänge in Tibet vor, die durch den Hungerstreik ausgelöst wurden, den junge Tibeter in Delhi durchführten und bei dem sie von vielen tausend Tibetern aus allen Lebensbereichen begleitet wurden. Diese eindrucksvolle Kundgebung hat die Tibeter in Tibet tief berührt.

Zuverlässigen Informationen zufolge haben die chinesischen Behörden in Lhasa und Umgebung strikte Anweisungen an alle Reisebüros erteilt, daß sie während der nächsten Tage keinerlei Hilfe oder Beistand für im Ausland lebende Tibeter erbringen dürfen, die nach Lhasa reisen wollen. Im Falle der Zuwiderhandlung werden ihnen folgenschwere Konsequenzen wie die Schließung ihrer Agenturen angedroht.

Die Reisebüros wurden angewiesen, Tibetern gegenüber, die aus Amerika anreisen, besonders wachsam zu sein. Im Zuge der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ordneten die chinesischen Behörden an, das Public Security Bureau (PSB) von Lhasa solle die Bettler in den Straßen zusammentreiben und sie den Behörden ihrer Herkunftsorte übergeben. Den Bettlern wurde nachdrücklich befohlen, sich nie wieder in den Straßen von Lhasa sehen zu lassen.

Alle Teehäuser, Internetcafés, Telefonzellen usw. in den Straßen und Gassen um den Barkhor (Zentralmarkt) werden von Beamten in Zivilkleidung durchkämmt. Ihre Anzahl soll beträchtlich erhöht worden sein, damit jeder Widerstand im Keim erstickt werden kann. Verstärkte Kontrollen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wurden auch auf Büros, Schulen, die Behausungen ehemaliger politischer Gefangener und die Wohnungen politisch verdächtiger Personen ausgedehnt. Weiter heißt es, die Behörden hätten bereits Ermittlungen angestellt und würden die Bewegungen der betreffenden Personen genau im Auge behalten, jedoch liegen bisher noch keine Nachrichten über Verhaftungen vor.

Das TCHRD ist sehr besogt über die Ausweitung der Restriktionen in Lhasa und Umgebung. Derartige Einschränkungen und Kontrollen sind oft der Vorbote gravierender Verletzungen der fundamentalen Menschenrechte der Tibeter, die von den Behörden im Namen der Aufrechterhaltung von "Stabilität und Sicherheit" begangen werden. Wir appellieren an die chinesischen Behörden, die Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen und Überwachung wieder zurückzunehmen und das normale Leben der Tibeter nicht zu behindern.

Chinesische Behörden verlegen Adruk Lopoe an einen unbekannten Ort, weiterer tibetischer Nomade festgenommen

Das Schicksal und der Verbleib von Adruk Lopoe, einem 45jährigen Mönch, der am Abend des 21. August 2007 vom Büro für Öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau = PSB) des Kreises Lithang/Osttibet festgenommen wurde, sind weiterhin unbekannt. Bestätigten Meldungen zufolge, die dem TCHRD zugingen, ließen die Polizisten des PSB von Lithang die beiden Brüder von Adruk Lopoe, nämlich Adruk Gyatso und Adruk Nyima, sechs Stunden nach ihrer Festnahme wieder frei, stellten sie jedoch unter intensive Beobachtung.

Adruk Lopoe, der anfänglich im PSB-Haftzentrum des Kreises Lithang inhaftiert war, wurde inzwischen von den Behörden an einen anderen, unbekannten Ort gebracht.

Adruk Lopoe wurde 1962 als Sohn von Adruk Wangdue (Vater) und Ronggye Tsewang Dolma (Dölma) im Dorf Yonru Kharshul, Gemeinde Ponkar, Kreis Lithang, Tibetisch-Autonome Präfektur („TAP“) Kardze, Provinz Sichuan, geboren. Er ist das älteste der neun Kinder der Familie Adruktsang. Im Alter von acht Jahren trat Adruk Lopoe in das Kloster Lithang ein, wo er zum Mönch ordiniert wurde. Im Laufe der Jahre erwarb sich Adruk Lopoe hervorragende Kenntnisse in buddhistischer Philosophie und wurde später zum Gesangsmeister (tib. omzey) des Klosters ernannt. Adruk wirkte auch einige Jahre lang als Disziplinmeister (tib. geykoe) im Kloster Yonru Rabgyeling, einem der 113 kleineren Ableger des Klosters Lithang. Kurz vor seiner Festnahme am 21. August 2007 hatte Adruk, wie wir erfuhren, nach einer einjährigen Meditationsklausur im Kloster Yonru Rabgyeling, Kreis Lithang, einige Tage frei genommen.

Adruk Lopoe war willkürlich festgenommen worden, weil er sich für die Entlassung von Rongye Adrak eingesetzt hatte, der sich immer noch im Gewahrsam des PSB-Haftzentrums von Lithang befindet. Adrak hatte vor einer großen Menge von Tibetern, die zum Pferderennen nach Lithang gekommen waren, davon gesprochen, wie wichtig es sei, daß der Dalai Lama nach Tibet zurückkehre.

Adruk Lopoe betonte auch stets die Notwendigkeit der Ausbildung der jungen Leute, er setzte sich für den Erhalt der Umwelt ein und gegen Abholzung, Holzschlag und die Jagd auf Wildtiere in Kardze. Die dortige tibetische Bevölkerung nimmt an, daß sein jahrelanges engagiertes Eintreten für die Umwelt wohl die Behörden gegen ihn aufgebracht hat, so daß sie ihn unter ständiger Beobachtung hielten und schließlich festnahmen. Adruk Lopoe ist eine allseits bekannte und geachtete Persönlichkeit in der Gegend.

1997-98, als die von den Chinesen in den Klöstern in Tibet gestartete „patriotische Umerziehungskampagne“ in vollem Schwung war, wurde Adruk Lopoe zum stellv. Leiter des Demokratischen Verwaltungsrats (Democratic Mangement Committee = DMC) vom Kloster Lithang ernannt. Die DMCs (tib. mangtso dak nyer u-yon lhankhang) sind administrative Organe, die 1962 in den religiösen Institutionen Tibets eingerichtet und im Rahmen der Kampagne der „patriotischen Umerziehung“ 1996 umstrukturiert wurden. Er legte jedoch sein Amt nieder, weil er sich der spirituellen und politischen Implikationen der Kampagne voll bewußt war und erkannt hatte, daß er gegen seine religiösen Gelübde handeln müßte, wenn er sein geistliches Oberhaupt den Dalai Lama denunzierte.

Das DMC führt die „patriotische Umerziehungskampagne“ gemeinsam mit dem PSB des jeweiligen Landskreises und Vertretern der Behörden durch. Diese Kampagne wurde 1996 in Tibet gestartet und auf alle religiösen Einrichtungen ausgeweitet. Sie führte eine Reihe von politischen Texten in den monastischen Lehrplan ein, deren Studium obligatorisch ist und forderte Loyalität dem Staat gegenüber und die Verunglimpfung des Dalai Lama.

Die patriotische Umerziehungskampagne hatte das Ziel, jegliches Anzeichen politischer Unzufriedenheit in den religiösen Institutionen, die von den chinesischen Behörden als Brutstätten von Dissens angesehen wurden, sofort zu unterdrücken.

In einem weiteren Fall wurde am 19. August 2007 Lothok, ein 36jähriger tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Drakar Latse, Kreis Lithang, willkürlich in einem Gästehaus in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, festgenommen. Gleichzeitig wurde der Inhaber des Gästehauses vorübergehend festgehalten, aber nach kurzem Verhör wieder freigelassen. Die Behörden nannten keinen Grund für die Verhaftung von Lothok, noch gaben sie einen Hinweis über seinen Verbleib.In einem weiteren Fall wurde am 19. August 2007 Lothok, ein 36jähriger tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Drakar Latse, Kreis Lithang, willkürlich in einem Gästehaus in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, festgenommen. Gleichzeitig wurde der Inhaber des Gästehauses vorübergehend festgehalten, aber nach kurzem Verhör wieder freigelassen. Die Behörden nannten keinen Grund für die Verhaftung von Lothok, noch gaben sie einen Hinweis über seinen Verbleib.

Dies ist der vierte uns bekannt gewordene Fall in einer Reihe willkürlicher Festnahmen im Zusammenhang mit der Verhaftung von Adrak am 1. August 2007 (siehe unten). Zwei seiner Neffen wurden zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, aber Adruk Lopoe, Lothok und Adrak werden weiterhin von den chinesischen Behörden festgehalten.

Seit Anfang 2000 ist Kardze ein Herd friedlicher politischer Proteste: Eine große Zahl von Tibetern wurde im Laufe der Jahre in dieser Region verhaftet wegen ihres unverhohlenen Beharrens auf ihrer Forderung nach Freiheit und ihrem unbeirrbaren Mut, offen ihre Treue zu ihren geistlichen Führern zu zeigen. Die jüngste Verhaftung Rongye Adraks, seiner Neffen, Lothoks und der zwei Sympathisantinnen von Trulku Tenzin Delek in diesem Monat ist ein deutliches Zeichen für die politisch unruhige Situation in Kardze, insbesondere im Kreis Lithang. Die Lage bleibt weiterhin gespannt.

Das TCHRD sieht in diesen Aufrufen der Tibeter aus der Gegend von Lithang einen echten Ausdruck der Sorge und der Verzweiflung, die auch in allen anderen Teilen Tibets infolge der repressiven Politik Chinas herrschen. Die chinesische Regierung sollte diesen Problemen der Tibeter vor Ort Beachtung schenken, statt die grundlegenden Menschenrechte des tibetischen Volkes noch weiter mit eiserner Faust zu unterdrücken.

Das TCHRD ruft die Volksrepublik China, ein Mitglied des UN-Menschenrechtsrats, auf, der um sich greifenden Praxis von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen ein Ende zu setzen und das Recht des tibetischen Volkes auf freie Meinungsäußerung, auf Glauben und auf die friedliche Bekundung seiner Wünsche zu achten, so wie es in ihrer eigenen Verfassung und in den wichtigen UN-Menschenrechtrechtsverträgen und Abkommen, die sie unterzeichnet hat, festgeschrieben ist.

PAP-Fahrzeuge im Hintergrund bei dem Reiterfest von Lithang

Liste der jüngsten Verhaftungen und Festnahmen in Lithang in chronologischer Reihenfolge:
  1. China verschärft die Restriktionen im Kloster von Trulku Tenzin Delek; am 19. Juli verbieten die Behörden in Lithang den Mönchen des Klosters Kham Nalanda Thekchen Jangchup Choeling die Aufstellung eines Portraits von Trulku Tenzin Delek bei der Einweihung einer neu gebauten Versammlungshalle.

  2. Zwei Tibeterinnen, Odho und Apha Bhomo, beide Ende fünfzig und wohnhaft im Dorf Othok, Kreis Nyagchuka, „TAP“ Kardze, Provinz Sichuan, werden am 19. Juli 2007 vom Sicherheitsbüro (PSB) des Kreises Nyagchuka festgenommen wegen des angeblichen „Verbrechens“, ihre Landsleute angestiftet zu haben, sich ihrem Ruf nach Trulku Tenzin Deleks Freilassung anzuschließen.

  3. Am 1. August 2007 wird Rongye Adrak verhaftet, weil es zu einem öffentlichen Protest führt, als er vor einer großen Menge von Tibetern, die zu dem jährlichen Pferderennen zusammengekommen waren, über die Wichtigkeit der Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet spricht. Er soll gegenwärtig im PSB-Haftzentrum von Lithang inhaftiert sein.

  4. Am 19. August 2007 wird Lothok, ein tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Dakar Latse, Kreis Lithang, in einem Gästehaus in Chengdu, Sichuan, willkürlich festgenommen.

  5. Am 21. August stürmt eine große Zahl von PSB- und PAP-Kräften von Lithang überraschend in das Heimatdorf von Rongye Adrak, nach Yonru Kharshul, Kreis Lithang, und nimmt willkürlich drei seiner Neffen fest: Adruk Lopoe, Adruk Nyima und Adruk Gyatso. Obwohl Nyima und Gyatso nach sechs Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt werden, befindet sich Adruk Lopoe weiterhin in Haft und wird an einen unbekannten Ort verlegt.