Mai 2007
Human Rights Update

Inhalt

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  1. China verbietet tibetischen Schülern religiöse Aktivitäten im heiligen Monat Saka Dawa
  2. Website des TCHRD jetzt auch auf Tibetisch
  3. Neue Restriktionen für ausländische Reisende nach Tibet
  4. 200 tibetische Nomaden durch die chinesischen Behörden von ihrem Land vertrieben
  5. Unzureichende Bildungschancen treiben Tibeter ins Exil
  6. Abt des Klosters Dungkyab zum Rücktritt gezwungen
  7. China greift den Dalai Lama an und gelobt den Kampf um Tibet fortzusetzen
  8. Zwei ausländische Journalisten wegen ihrer Tibet-Berichterstattung verwarnt
  9. Tibet-Erklärung französischer Parlamentarier
  10. China verließ bei einem EU-China Experten-Seminar zu Menschenrechten den Saal
  11. Das Deutsche Parlament verabschiedet Resolution zu China

China verbietet tibetischen Schülern religiöse Aktivitäten im heiligen Monat Saka Dawa

Wie das TCHRD aus zuverlässiger Quelle aus Tibet erfuhr, berief das Stadtkomitee von Lhasa die Eltern von schulpflichtigen Kindern zu einer Elternversammlung ein, wo ihnen erklärt wurde, daß ihre Kinder während des den Buddhisten heiligen Monats Saka Dawa (der Monat, in dem Buddha geboren wurde, die Erleuchtung erlangte und starb; ab dem 17. Mai) an keinen religiösen Aktivitäten teilnehmen dürften.

Am 14. Mai, also drei Tage vorher, bestellte das Stadtkomitee von Lhasa die Eltern von Schulkindern der Stadtteile Ramoche und Lhubhug zu einer Versammlung. Dabei wurden die Schüler angewiesen, während des Saka Dawa keine Klöster aufzusuchen, nicht zum Barkhor zu gehen, keine Umwandlung sakraler Stätten vorzunehmen und ihre Schutz-Halsbändchen abzulegen. Die Komiteemitglieder warnten die Eltern, daß jedes Kind, das dem zuwiderhandle, mit dem Schulausschluß zu rechnen habe.

Religiöse Zeremonien unterliegen in Tibet starken Einschränkungen, besonders an wichtigen Tagen und während Festzeiten wie dem Saka Dawa und Gaden Nyamchoe, sowie den Geburtstagen des Dalai Lama und des 11. Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima. Letztes Jahr am 12. Dezember untersagte das Parteibüro der Stadt Lhasa und die Kanzlei des Stadtgouverneurs Parteimitgliedern, Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, Regierungspersonal, den Angestellten von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Banken, Berufszentren, Studenten und sogar öffentlichen Bediensteten im Ruhestand, an den Feierlichkeiten des Gaden Nyamchoe teilzunehmen oder sie zu besuchen. Wer immer diese Anordnung mißachten würde, müsse mit einer Gehaltskürzung, Degradierung usw. rechnen, hieß es. Besonders pensionierte Tibeter werden von dieser Anordnung hart getroffen, weil sie meistens großen Glauben an ihre Religion haben und nun von offizieller Seite in deren Ausübung behindert werden. In der Vergangenheit hatten Kader einen gewissen Freiraum, um privat ihre Religion auszuüben, aber jetzt riskieren sie, wenn sie erwischt werden, degradiert und bestraft zu werden.

Besonders streng werden die religiösen Restriktionen in der Stadt Lhasa gehandhabt. Angehörige des Public Security Bureau in Zivil durchkämmen die Stadt, an den Hauptverkehrswegen und in den Altstadtgassen wimmelt es von Video-Kameras zur Überwachung der Passanten. Um die in die Stadt kommenden Leute zu überprüfen, wurden Sicherheits-Kontrollpunkte an den Straßen, die aus den Nachbarkreisen Phenpo Lhundrup, Taktse, Toelung Dechen und Meldrogungkar in die Stadt führen, eingerichtet. Berichten aus Tibet zufolge wurde Bauern, die auf den Straßen der Stadt mit Räucherwerk und Wachholderblättern zu handeln pflegen, verboten, diese an den besagten Tagen zu verkaufen.

Die chinesischen Behörden führen die „patriotische Umerziehung“ für Mönche und Nonnen in den Klöstern regelmäßig und noch intensiver als vorher durch. In letzter Zeit hörte man immer wieder, daß die Arbeitsteams im Vorfeld zu wichtigen Jahrestagen oder anderen Ereignissen obligatorische politische Schulungen für Mönche und Nonnen abhielten. Die Regierung, die keine Mittel für die Klöster bereitstellt, überwacht hingegen das tägliche Geschehen in den Hauptklöstern und übt über das örtliche Amt für religiöse Angelegenheiten (Religious Affairs Bureau) strenge Kontrolle aus.

Am 1. Januar 2007 traten neue „Maßnahmen für die Regelung der religiösen Angelegenheiten“, die in 56 Artikeln festgelegt und am 29. September 2006 von dem 11. Ständigen Ausschuß der TAR-Regierung beschlossen wurden, in Kraft. Die neuen Bestimmungen zielen darauf ab, die Regierungspolitik gegenüber religiösen Vereinigungen, deren Mitarbeitern und den einzelnen Gläubigen strikt durchzusetzen, anstatt die Religionsfreiheit zu schützen, wie es der erklärten Politik der VR China entsprechen würde.

Der Staat anerkennt die Religionsfreiheit als ein Grundrecht, so wie es in der chinesischen Verfassung niedergelegt ist, und ebenso in der UN-Charta, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR), dem Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR) und der Erklärung und dem Aktionsprogramm von Wien.

In dem Weißbuch der chinesischen Regierung von 2004 über die regionale ethnische Autonomie in Tibet steht, daß „Tibeter die volle Freiheit der Religion genießen“. Die Regierung übt hingegen eine harte Kontrolle über die religiöse Ausübung und die Stätten der Anbetung in den tibetischen Gebieten aus, womit die Religionsfreiheit in der Praxis untergraben wird. China behauptet, Religionsfreiheit werde durch die Verfassung und die Gesetzgebung garantiert und diese gesetzlichen Garantien stünden im Einklang mit dem Sinn und den Hauptaussagen der internationalen Verträge. Das neuste öffentliche Verbot, das besonders Schulkinder während des heiligen Monats Saka Dawa betrifft, zeigt jedoch wieder einmal, daß die konstitutionellen, gesetzlichen und administrativen Bestimmungen, die den Bürgern Religionsfreiheit gewähren sollten, dahingehend benutzt werden, diese einzuschränken.

Das TCHRD ist äußerst besorgt über diesen jüngsten offiziellen Erlaß, der den Schülern verbietet, während des heiligen buddhistischen Monats Saka Dawa religiösen Tätigkeiten nachzugehen. Die Regierung der VR China kontrolliert die Religion in Tibet mit eiserner Faust. Tatsächlich aber sollte sie die Rechte wahren, die in ihrer eigenen Verfassung und den wichtigen Völkerrechtsverträgen, denen sie beipflichtet, verankert sind.

Website des TCHRD jetzt auch auf Tibetisch

Eine tibetische Version der Website des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) steht nun unter www.tchrd.org/tibetan zur Verfügung. Sie enthält alle Pressemitteilungen, Jahresberichte, Sonderberichte, Biographien ehemaliger politischer Gefangener, die monatlichen Human Rights Update und Photogalerien ehemaliger und derzeitiger politischer Häftlinge.

Die tibetische Seite wurde mit der Absicht eingerichtet, die Informationen über Menschenrechte und Demokratie einem größeren Kreis an Tibetern und auch Ausländern, die eine gute Kenntnis des Tibetischen besitzen, zugänglich zu machen. Besucher der Website können alle Publikationen des TCHRD sowie die Jahresberichte und den Newsletter einfach und unentgeltlich herunterladen. Für die Zukunft plant das TCHRD auch Seiten auf Chinesisch und in anderen Sprachen zu erstellen.

Neue Restriktionen für ausländische Reisende nach Tibet

China hat weitere Einschränkungen für ausländische Touristen, die Tibet besuchen, erlassen, nachdem vier amerikanische Aktivisten von Students for a Free Tibet (SFT) am 25. April 2007 am Mount Everest Base Camp ein Banner für die Freiheit Tibets mit der Aufschrift „One World, One Dream, Free Tibet 2008“ zur Schau gestellt haben. Damit wollten sie gegen Chinas Absicht protestieren, die olympische Flamme auf ihrem Weg zur Eröffnung der Spiele in Peking am 8. August nächsten Jahres auf die Spitze des höchsten Berges der Welt zu tragen.

Eine Sprecherin des staatlichen China Travel Service ließ verlauten, daß die neuen Bestimmungen nach den eine Woche dauernden Mai-Ferien in Kraft treten würden. „Wir können ausländische Touristen nicht einfach überall hingehen lassen, wo sie möchten“, sagte sie. „Bisher konnte man sie, wenn sie es wollten, auch ein paar Tage alleine herumreisen lassen. Jetzt geht das nicht mehr“. Sie fügte noch hinzu: „Wegen der Amerikaner am Everest gelten nun strengere Regeln“, womit sie sich auf den Protest am Everest Base Camp bezog.

Die Einführung dieser neuen Restriktionen bedeutet einen wesentlichen Schritt rückwärts zurück zu den Zuständen Anfang der Neunziger, als die gesamte Region praktisch ein Sperrgebiet für Ausländer war, abgesehen von einer winzigen Zahl von offiziell organisierten Touristengruppen.

Robert Barnett, ein Tibet-Experte an der Columbia Universität, kommentierte: „Es mutet seltsam an, daß fünf Studenten mit einer Kamera solche Auswirkungen auf die chinesische Politik haben. In der Tat wurden die Restriktionen im Laufe des letzten Jahres immer ärger mit verschärften Haßkampagnen gegen den Dalai Lama, dem Verbot religiöser Ausübung für alle Staatsbediensteten und öffentlichen Warnungen gegen die ‚Westlichen Feindlichen Kräfte’. Mir scheint, bei diesen US-Studenten war das Ärgernis nicht so sehr, daß sie in Tibet protestierten, sondern daß sie den Protest mitten in den Vorbereitungen auf die olympischen Zeremonien abhielten. Die Funktionären der VR China scheinen schreckliche Angst zu haben, daß es während der Olympiade zu peinlichen Vorfällen kommen könnte“.

200 tibetische Nomaden durch die chinesischen Behörden von ihrem Land vertrieben

Der 24jährige Jamyang Choedar, der aus einer Nomadenfamilie im Kreis Dhartso, TAP Tsolho, Provinz Qinghai, kommt, berichtete dem TCHRD, wie über 200 tibetische Nomaden von ihrem Grund und Boden vertrieben wurden, nachdem man in ihrer Gemeinde mit dem Abbau von Bodenschätzen begonnen hatte:

„Die Bewohner des Kreises Dhartso sind zumeist Nomaden, für die ihr Vieh die Lebensgrundlage bildet. 1998 begann die chinesische Regierung im Namen der Entwicklung mit der Vertreibung der in dieser Gegend (die angeblich reich an Bodenschätzen ist) lebenden Nomaden. Im Zuge der neuen Maßnahmen wurden viele tibetische Nomaden zur Räumung ihres heimatlichen Grund und Bodens gezwungen und an unfruchtbare, öde und dürre Orte umgesiedelt.

Die Ortschaft Serthang mit Umgebung im Kreis Dhartso verfügt über große Lagerstätten an Gold, Kupfer und anderen Bodenschätzen. Als die Regierung dort mit dem Mineralabbau begann, teilte sie die 200 Nomadenfamilien in Gruppen auf und zwang sie, sich woanders niederzulassen. Statt dessen brachte sie über 1000 Chinesen herein, die sie bei Serthang ansiedelte. Der Hauptgrund für die Vertreibung der einheimischen Nomaden und der Transfer der Chinesen nach Serthang waren die Erforschung und der Abbau der hier vorhandenen reichen Minerallagerstätten.

1999 begann die chinesische Regierung mit den Bergbauaktivitäten in der Gegend von Serthang. Für die eintausend chinesischen Migranten, die man hierher transferiert hatte, gab es nicht genügend Unterkünfte. Deshalb wurden Zelte zu ihrer Unterbringung aufgestellt. Es war allen klar, daß die Regierung diese Migranten für die Arbeit im Bergbau hereingeholt hatte.

Die Behörden konfiszierten das Land der dort ansässigen tibetischen Nomaden von über 40.000 Mu (Flächenmaß, 1 Mu = 67 m²) und stellten es den chinesischen Migranten zum Abbau der Bodenschätze und als Wohnort zur Verfügung. Die tibetischen Nomaden mußten ihre Viehbestände verkaufen. Die chinesische Regierung zwingt tibetische Nomaden, sich in festen Behausungen niederzulassen, wodurch ihre traditionelle Lebensweise zerstört wird und sie ihren Lebensunterhalt verlieren. Die Kader erklären ihnen, das Nomadendasein gehöre der Vergangenheit an und sie müßten mit der Zeit gehen: ‚Zieht in die Städte und treibt Handel, das bringt euch mehr Geld ein, als abseits der Zivilisation zu leben. Wenn ihr Nomaden bleibt, wird der Teufelskreis eurer Probleme niemals enden. Das Nomadentum habt ihr von der alten Gesellschaft übernommen, aber es ist fehlgeschlagen. Deshalb müßt ihr diese Lebensweise nun aufgeben’.

Die Regierung griff zu jedem nur möglichen Mittel, um die Nomaden aus der Region zu vertreiben. Serthang bietet nun einen ganz anderen Anblick: Es hat sich drastisch verändert von einer friedlichen Nomadengemeinde zu einem geschäftigen Ort mit vielen chinesischen Migranten und Bergwerken. Die Zahl der chinesischen Zuwanderer ist inzwischen von eintausend auf siebentausend gestiegen.

Seit Beginn der Arbeiten zum Mineralabbau wurde Tibetern verboten, Serthang zu betreten. Hunderte von Chinesen erhielten Jobs in dem Bergwerk und ständig werden dort Mineralien abgebaut. Jeden Tag kommen neue chinesische Wanderarbeiter in die Region – zusätzlich zu den siebentausend, die sich bereits niedergelassen haben. Im April 2003 baute ihnen die Regierung Hunderte von zweistöckigen Häusern, und sie fährt fort, derartige Häuserkolonien zu errichten.

Die Tibeter in der Gegend um Serthang haben mehrmals Gesuche an die Gemeinde- und die Kreisverwaltungen gerichtet und um die Beendigung der Regierungspolitik der erzwungenen Umsiedlung von Tibetern und des Transfers chinesischer Migranten in die Region gebeten.

Die chinesische Regierung behauptet, der Bodenschatzabbau würde der Region und ihren Bewohnern Entwicklung und Modernisierung bringen. Den dort lebenden Tibetern wurde gedroht: ‚Wenn ihr euch beschwert und gegen die Regierungspolitik stellt, schafft ihr nur Hindernisse für die Umsetzung der staatlichen Pläne. Diejenigen, die den Richtlinien und Befehlen der Regierung widerstreben, werden hart bestraft werden’.

Ferner wurden sie belehrt, daß ‚die Regierungspolitik der Bevölkerung zugute käme, und daß die Gesetze gemacht worden seien, um diese zu regieren; daher würden jene, die gegen die Entwicklungspläne des Staates Widerstand leisten und sich gegen ihn verschwören, dem Gesetz gemäß bestraft’. Die ortsansässigen Tibeter hatten keine andere Wahl und mußten sich den Anweisungen und Befehlen der chinesischen Obrigkeit fügen.

Seitdem in Serthang nach Bodenschätzen gegraben wird, hat die Umwelt gravierend gelitten. Der Baum- und Pflanzenwuchs geht von Jahr zu Jahr zurück. Infolge der exzessiven Anwendung von Dynamit bei den Sprengungen im Zusammenhang mit dem Bergbau ist aus dieser ehemals grünen Landschaft ein graubraunes ödes Gelände geworden. Der Boden hat seine Fruchtbarkeit verloren, und es wächst kein Gras mehr auf ihm.

Zahlreiche Tiere starben an Wasser und Gras, die durch die giftigen Rückstände der Sprengungen in dem Abbaugebiet verunreinigt worden sind. Wenn es regnet, werden die giftigen Sprengstoffrückstände bis in die Siedlungen hinabgespült, wo viele Tiere durch das verseuchte Trinkwasser eine seltsame Krankheit bekamen. Die Menschen haben große Angst, daß sie in Zukunft auch von solch schlimmen Erkrankungen heimgesucht werden könnten.“

Unzureichende Bildungschancen treiben Tibeter ins Exil

Jedes Jahr sehen sich mehrere tausend Tibeter dazu gezwungen, ins Exil zu gehen, weil ihnen in ihrem eigenen Land jede Chance auf ein besseres Leben verwehrt wird und es dort keine Freiheit für sie gibt. Die Mehrzahl dieser Flüchtlinge sind Kinder, die nur deshalb in die Fremde fliehen, weil sie in Tibet keine angemessenen Bildungsmöglichkeiten haben. Allein im Jahr 2006 hat das in Dharamsala ansässige Flüchtlingsauffanglager 2445 neu eingetroffene Tibeter registriert. Die meisten von ihnen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Nach den Informationen des Empfangszentrums in Dharamsala übernahm es am 23. und 27. März 2007 zwei Gruppen von je 40 Neunankömmlingen vom Auffanglager in Delhi. 37 davon waren Kinder unter 18 Jahren, 29 waren zwischen 19 und 26 und zehn 26 bis 30 Jahre alt. Nur vier Personen aus diesen beiden Gruppen waren über 30 Jahre alt. 51 dieser insgesamt 80 Flüchtlinge sind um der Schulbildung willen ins Exil gegangen und weitere 23 im Hinblick auf eine klösterliche Ausbildung. Nur sechs Personen sind Pilger, welche die heiligen Stätten des Buddhismus in Indien besuchen wollen, wobei vier von ihnen älter als 30 Jahre sind.

Wenn es in Tibet reale Ausbildungsmöglichkeiten für sie gäbe, hätten diese Leute nicht die gewagte und gefahrvolle Reise nach Indien auf sich nehmen müssen. Sie wären nicht von Erfrierungen, vom Verhungern oder Unfalltod bedroht gewesen und hätten sich nicht der Gefahr von Verhaftung und Folter durch die Grenzschutztruppen aussetzen müssen.

Am 30. September 2006 überquerten 75 tibetische Flüchtlinge den vereisten Nangpa-Paß, weil sie Asyl in Indien suchten. Ohne Warnung eröffnete die chinesische bewaffnete Volkspolizei das Feuer auf diese unbewaffneten Menschen. Mindestens zwei Tibeter kamen dabei ums Leben, eine der Getöteten, Kelsang Nortso, war erst 17 Jahre alt. 41 Personen aus der Gruppe waren Kinder unter 18 Jahren, die von ihren Eltern wegen der besseren Bildungschancen in den Schulen und Klöstern der Regierung-im-Exil über den Himalaya nach Indien geschickt wurden.

Aus den geschilderten Fakten und Zahlen läßt sich ersehen, daß es sich bei den meisten Flüchtlingen um Minderjährige handelt, die eine bessere Bildung erlangen wollen, als sie ihnen in ihrer Heimat zugestanden wird.

Der 18jährige Dorjee, ein junger Lehrer aus dem Dorf Tsolung, Präfektur Ngari, TAR, der am 27. April im tibetischen Empfangszentrum in Kathmandu eintraf, berichtete dem TCHRD über sein Leben und die Bildungssituation in Tibet sowie über die Gründe, warum tibetische Kinder ins Exil gehen.   

"Unsere Familie zählt elf Personen. Ich bin der jüngste von vier Brüdern. Meine drei älteren Brüder sind verheiratet und jeder von ihnen hat zwei oder drei Kinder. Ich bin als einziger zur Schule gegangen. Alle anderen Familienmitglieder betreiben Landwirtschaft. Auf unseren 30 mu (1 mu = 67 qm) kultivierbaren Bodens bauten wir Gerste, Weizen, Erbsen und Kartoffeln an. Wir hielten auf unserem Hof auch ein paar Ziegen, um durch den Verkauf von Wolle ein wenig zusätzliches Geld zu verdienen. Die Haupteinnahmequelle unserer Familie ist jedoch die Landwirtschaft. Eine andere Verdienstmöglichkeit gibt es für uns nicht.

Da meine Eltern beide schon Ende 60 sind, lastete die Verantwortung für unseren Lebensunterhalt voll auf den Schultern meiner drei älteren Brüder. Im Herbst widmeten sie sich der Landwirtschaft und im Winter arbeiteten sie in der Stadt auf dem Bau. Durch ihren Verdienst konnten auch meine Schulgebühren gedeckt werden.

Mit zehn trat ich in die Kreisgrundschule ein, die ich sechs Jahre lang besuchte. Für diese Grundausbildung erhoben die Lokalbehörden keine Gebühren. In der Mittelschule fielen jedoch pro Semester einschließlich der Kosten für Bücher und Schuluniform 600 Yuan an. Da jedes Schuljahr zwei Semester hatte, mußten wir jährlich 1200 Yuan Schulgebühren aufbringen. Meine Schule war weit weg von zu Hause, weshalb ich dort im Internat lebte. Das kostete uns weitere 150 Yuan im Jahr.

Die Schule hatte 800 Schüler und 30 Lehrkräfte. Die wichtigsten Fächer waren Chinesisch, Tibetisch, Englisch, Mathematik, Erdkunde. Physik, Chemie, Allgemeine Wissenschaften, Politik und Sport. Der chinesischen Sprache wird viel mehr Bedeutung zugemessen als der tibetischen, die als Sprache zweiter Klasse betrachtet wird. Der Großteil des Unterrichts wurde auf Chinesisch abgehalten. Überdies erklärten uns die Lehrer, ohne ordentliche chinesische Sprachkenntnisse würden wir es später schwer haben, eine Arbeit zu finden. Daher müßten wir des Chinesischen mächtig sein. Sie behaupteten auch, das Tibetische sei eine zweitrangige Sprache, die uns nicht viel nützen würde, außer wenn wir ein Tibetischstudium aufnehmen wollten. Ferner reduzierte die Schulbehörde die Unterrichtseinheiten für Tibetisch auf dreimal in der Woche. Die so freigewordenen Stunden wurden für Chinesisch und andere Fächer verwendet.

Am 1.Juli 2003 schloß ich die dreijährige Mittelstufe ab und wechselte in die Oberstufe derselben Schule über. Die Gebühren waren erheblich höher als vorher – wir mußten nun 1900 Yuan pro Semester, also 3800 Yuan im Jahr entrichten.

Am 15. Juli 2004, nach einem Jahr an der Oberstufe, nahmen mich meine Eltern von der Schule, weil sie die immensen Kosten nicht mehr aufbringen konnten. So konnte ich wegen der hohen Gebühren die zwei weiteren Schuljahre nicht mehr absolvieren. Da ich zu den besten Schülern meiner Klasse gehörte und in Tibetisch, Chinesisch und Mathematik sehr gut war, bekam ich mit Hilfe eines Grundschullehrers in der Gemeinde Doepe eine Stelle als Lehrer für die unteren Klassen.

So unterrichtete ich zwei Jahre lang über 30 Schüler in Tibetisch, Chinesisch und Mathematik und erhielt dafür von der chinesischen Regierung nur magere 175 Yuan im Monat. Die Bedingungen in der Schule waren schlecht. Die Klassenzimmer waren baufällig, Stühle, Tische und Tafeln beschädigt und nicht mehr gebrauchsfähig. Die Unterkünfte für das Personal waren ebenfalls völlig heruntergekommen und voller Risse im Dach und an den Außenwänden.

Die chinesische Regierung ist nur an der Entwicklung jener Regionen interessiert, die über natürliche Ressourcen verfügen. Sobald sie entdecken, daß ein Gebiet darüber verfügt, machen sie sich an die Verbesserung der Infrastruktur und bauen Straßen. In meinem Dorf gab es nie so etwas wie Entwicklungsmaßnahmen, da die gesamte Region kaum natürliche Ressourcen aufzuweisen hat. Wir hatten zum Beispiel keine Stromversorgung in unserem Dorf, weshalb die Einwohner zur Lichterzeugung vollständig auf Sonnenenergie angewiesen waren. Einige Familien hatten kein Geld für Solarzellen und mußten daher ohne elektrische Beleuchtung auskommen.

Der Großteil des Bodens in meinem Dorf ist trocken und unfruchtbar. Die Einwohner haben es sehr schwer, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Man findet auch kaum Leute mit Schulbildung in meinem Dorf. Auf Grund des Mangels an natürlichen Ressourcen haben die Chinesen bis heute nichts für die Entwicklung des Dorfes getan. Die Lebensbedingungen sind miserabel. Wegen der Armut und des Mangels an Bildungsmöglichkeiten entschloß ich mich dazu, ins Exil zu gehen und mich dort fortzubilden. Ich konzentriere mich gegenwärtig auf die Vervollständigung meiner Ausbildung und möchte danach in mein Dorf zurückkehren. Ich werde dort als Lehrer arbeiten und möchte das Wissen, das ich hier erwerbe, an meine Landsleute weitergeben.“

Abt des Klosters Dungkyab zum Rücktritt gezwungen

Wie RFA  berichtete, zwang das Büro für religiöse Angelegenheiten den Abt des im Bezirk Gade, TAP Golog, Provinz Qinghai, gelegenen Klosters Dungkyab zur Niederlegung seines Amtes, weil er sich während einer Kampagne für patriotische Umerziehung geweigert hatte, Schriftstücke zu unterzeichnen, in denen der Dalai Lama geschmäht wurde.

"Ich sagte laut und deutlich meine Meinung und verweigerte die Unterschrift. Ich erklärte, daß ich selbst dann nicht unterschreiben würde, wenn es mein Leben kosten sollte oder ich Gefahr liefe, ins Gefängnis zu kommen oder zum Tode verurteilt zu werde", teilte der 70jährige Khenpo Tsanor RFA mit und fügte hinzu, er sei Mitte Mai von seinem Amt zurückgetreten.

"Ich sah die Dokumente der Regierung…Da stand, daß der Dalai Lama entschieden kritisiert und sein spalterisches Verhalten verurteilt werden müsse", sagte er.

"Ich hatte nicht die geringste Absicht zu unterschreiben. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß alle, die ihre Unterschrift verweigern, sich vor einem chinesischen Gericht verantworten müssen. Sie drohten uns sogar, daß sie das Kloster schließen würden, wenn wir die Schriftstücke nicht unterzeichneten" (d. h. die Kader, die die patriotische Umerziehung im Kloster durchführten). 

"Einige Beamte vom Landkreis kamen ins Kloster und fragten mich, ob ich zustimme, mein Amt als Hauptabt niederzulegen. Ich sagte ja, weil ich keine andere Wahl hatte“.

"Es fällt mir so schwer, an solch qualvollen Sitzungen teilzunehmen", fügte er hinzu, wobei er sich auf die obligatorischen Sitzungen mit den Verwaltungskadern bezog, deren Zweck es ist, die Loyalität gegenüber dem tibetischen Oberhaupt im Exil, dem Dalai Lama, auszurotten.

Beamte in der Abteilung für religiöse Angelegenheiten von Gade verweigerten trotz mehrerer Anfragen, Stellung zu der Sache zu nehmen, doch ein anderer Beamter der Kreisverwaltung, der anonym bleiben möchte, bestätigte das, was Khanpo Tsanor mitgeteilt hatte.

Der Beamte sagte außerdem, die Behörden in dem Distrikt seien dabei, die Maßnahmen zur patriotischen Umerziehung aufzustocken, denn sie wollten  Dungkyab zu einem vorbildlichen Kloster machen, in dem es nur noch China-loyale Mönche gibt.

"Die Leute sagen, die Mönche von Dungkyab hätten sich geweigert, den Dokumenten der patriotischen Umerziehungskampagne beizupflichten. Ich meine, diese Angelegenheit sei dieses Jahr besprochen und der Entschluß gefaßt worden, dem Amt des Khenpo ein Ende zu setzen", sagte der Beamte weiter.

"Es ist wohl bekannt, daß alle China unterstehenden Klöster in Modellklöster umgeformt werden müssen", d. h., daß sie die Richtlinien der Regierung befolgen“, meinte er weiter. "Aus Sicht der Regierung müssen viele Klöster neu bewertet und zur Einhaltung der Vorschriften gebracht werden, aber ich weiß keine Einzelheiten darüber".

Das Kloster Dungkyab, das etwa 20 km von der Kreisstadt von Gade entfernt liegt, wurde 1837 von dem angesehenen buddhistischen Lehrmeister Kyabje Wangchen Khenrab Dorje gegründet. Örtlichen Quellen zufolge beherbergt es über 200 Mönche, wozu noch 130 kommen, die von den chinesischen Behörden rekrutiert wurden.

China greift den Dalai Lama an und gelobt den Kampf um Tibet fortzusetzen

Wie die weltgrößte Multimedia-Nachrichtenagentur Reuters berichte, treibt die chinesische Führung in Tibet ihre Haßkampagne gegen das spirituelle Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, weiter. In einer Rede, die der kommunistische Parteisekretär Tibets, Zhang Qingli, in Lhasa am 18.Mai vor 600 Parteimitgliedern hielt, sprach er von einem "Etappensieg" über den Einfluß des im Exil lebenden Dalai Lama.

"Wir müssen einen lebhafteren Kampfgeist entwickeln, wir müssen mehr Zähigkeit an den Tag legen und bessere Arbeit leisten, um die verschiedenen ethnischen Gruppen der Region zu vereinen, und wir müssen uns rückhaltlos in den Kampf gegen das Spaltertum stürzen", zitierte die amtliche Zeitung "Tibet Daily" Zhang. "Vom Anfang bis zum Ende…müssen wir die patriotische Erziehung in den Tempeln vertiefen, wir müssen die politisch reaktionäre Natur und die religiöse Scheinheiligkeit des Dalai Lama und seiner Clique exponieren und verurteilen."

Zhang Qingli ist ein enger Vertrauter von Präsident Hu Jintao, der im Februar 2007 zum Parteisekretär in der TAR ernannt wurde. Nach seiner Amtsübernahme war eine deutliche Intensivierung der Kampagnen für patriotische Umerziehung in den Klöstern und gegen den Dalai Lama zu verzeichnen.

Zwei ausländische Journalisten wegen ihrer Tibet-Berichterstattung verwarnt

Die chinesischen Behörden haben zwei ausländische Journalisten vorgeladen, die im April 2007 Tibet besucht und über es geschrieben hatten. Harald Maass, der Chinakorrespondent der deutschen Tageszeitung "Frankfurter Rundschau" und Tim Johnson, der Chinakorrespondent der US-amerikanischen Zeitungsgruppe McClatchey, waren am 15. Mai von Zhang Lizhong, dem Leiter der Informationsabteilung im Außenministerium, vorgeladen und separat voneinander zur Rede gestellt worden.

Zhang kritisierte die Reportage von Maass über Tibet als "Fehler" und sprach von einer ernsthaften Angelegenheit. Er warf Maass Verfälschung von Tatsachen vor und beschuldigte ihn, er habe seine journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Ferner forderte er ihn zur "Korrektur seiner Fehler" auf.

Zhang erläuterte, den neuen Vorschriften zufolge habe Maass zwar das Recht, nach Tibet zu reisen, aber er benötige dennoch eine Sondergenehmigung von den Vertretern des Ministeriums (chin. Weiban) in Lhasa.

Johnson wurde von Zhang vorgeworfen, Teile seiner Artikel seien "falsch" und "inakzeptabel". Ferner würden die neuen Vorschriften nicht für Berichte aus Tibet gelten. Nachdem Maass und Johnson in Lhasa eintrafen, wurden sie ständig von chinesischen Geheimdienstbeamten verfolgt und schikaniert. Tibeter, die sich auf ein Gespräch mit ihnen eingelassen hatten, wurden mit Geldstrafen belegt. Ferner hinderte die Polizei Maass daran, nach Shigatse weiterzureisen.

Am 25. Mai brachte die in Paris ansässige NGO für Pressefreiheit "Reporter ohne Grenzen" ihre Sorge über das Vorgehen des chinesischen Außenministeriums gegen die beiden Journalisten zum Ausdruck.

Unter anderem hieß es in ihrer Mitteilung: "Das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele in Peking hat soeben einen ausführlichen Bericht über die positiven Regelungen für ausländische Journalisten veröffentlicht; daher ist es geradezu schockierend, wie solche Reporter bei ihrer Arbeit behindert werden und sich im Anschluß noch Standpauken anhören müssen, weil sie etwas geschrieben haben, das den Behörden mißfällt."

„Reporter ohne Grenzen“ forderte Liu Qi, den Vorstand des chinesischen Organisationskomitees für die Spiele dazu auf, öffentlich dafür einzutreten, daß Journalisten nach Tibet und Xinjiang reisen können, ohne dabei behindert und schikaniert zu werden.

Tibet-Erklärung französischer Parlamentarier

Am 11. Mai 2007 übergab der Präsident der Tibet-Arbeitsgruppe in der französischen Nationalversammlung in Paris, Lionnel Luca, dem Sondergesandten des Dalai Lama, Lodi Gyari, eine Erklärung der französischen Parlamentsabgeordneten, in der sie die Regierung der VR China zur Fortsetzung des Dialogs mit den Gesandten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama auffordern, um zu einer Lösung der Tibetfrage zu gelangen. Diese Erklärung wurde von 171 Abgeordneten des Unterhauses und 74 Senatoren des Oberhauses unterzeichnet.

China verliess bei einem EU-China Experten-Seminar zu Menschenrechten den Saal

Bei einem Menschenrechtsseminar vom 10. bis 11 Mai, an dem Experten der EU und Chinas teilnahmen, entfernten sich die Vertreter Chinas aus Protest gegen die Miteinbeziehung der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) und der International Trade Union Confederation (ITUC). FIDH und ITUC berichten, daß der stellv. Direktor für internationale Organisationen im chinesischen Außenministerium, Dr Shen Yongxiang, aus Protest gegen die Weigerung der deutschen Ratspräsidentschaft, zwei unabhängige Zivilgesellschaften, die zu dem Seminar eingeladen waren, auszuschließen, seine gesamte Delegation angewiesen hat, den Konferenzraum zu verlassen, wo die Sitzung stattfinden sollte. Bei der Sitzung sollten im Vorfeld zu dem offiziellen EU-China Menschenrechtsdialog Empfehlungen über das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und über Arbeiterrechte formuliert werden.

Weiter heißt es in dem Bericht, daß Chinas Vorgehen einem Schlüsselprinzip des Menschenrechtsdialogs der EU zuwiderlaufe, nämlich der Verpflichtung des jeweiligen Staates, sich aktiv und positiv in den Dialog einzubringen und seine Menschenrechtslage zu verbessern. ITUC und FIDH sind der Ansicht, daß Chinas abruptes Verlassens des Seminars eine gründliche Erörterung des Nutzens der Weiterführung des Menschenrechtsdialogs mit China durch die EU und ihre Mitgliedstaaten erforderlich mache.

Das Deutsche Parlament verabschiedet Resolution zu China

Der Bundestag, das Parlament Deutschlands, nahm am 26. April 2007 einstimmig eine Resolution an, in der das „System der Laogai-Lager in China“ ganz entschieden verurteilt wird, sowie die von dem Regime eingesetzten Maßnahmen der „Umerziehung durch Arbeit“. In der Bundestagsresolution, die von allen größeren politischen Parteien eingebracht wurde und durch den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten ging, werden auch Tibeter, Mongolen, Uiguren und Angehörige religiöser Minderheiten unter den Opfern des Systems der Umerziehung-durch-Arbeit genannt. Es handelt sich hierbei um eine Form der Administrativhaft, die ohne Anklageerhebung, Prozeß oder Kontrolle durch die Justiz verhängt wird.