August 2006
Human Rights Update
August 2006

Inhalt:

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  1. Einzelner tibetischer Mönch demonstrierte auf dem Barkhor
  2. Die Eisenbahn: Ein Werkzeug des kulturellen Genozids
  3. Brief des zu zehn Jahren Haft verurteilten tibetischen Schriftstellers Dolma Kyab
  4. Phuntsog Nyidron sagt vor UN-Expertengremium aus
  5. Der Schriftsteller Rinchen Sangpo verschwunden
  6. "Patriotische Umerziehung" und das Schicksal eines Mönchs
  7. China dementiert Inhaftierung von Dolma Kyab
  8. Portrait eines ehemaligen politischen Gefangenen

Einzelner tibetischer Mönch demonstrierte auf dem Barkhor

Bestätigten Informationen zufolge, die das TCHRD erhielt, demonstrierte am 3. September 2006 ein 23 Jahre alter tibetischer Mönch ganz allein auf der belebten Barkhor-Straße in Lhasa für die Freiheit Tibets. Innerhalb von Minuten wurde er von Beamten des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) und von Sicherheitspersonal des Nachbarschaftskomitees Lhasa eilig weggeschafft.

Die Ein-Mann-Demonstration, die gegen 14.40 Uhr Ortszeit stattfand, wurde von einer großen Menge von Tibetern beobachtet. Bisher ist noch nichts Genaues über die Identität des Mönchs oder den Ort seiner Inhaftierung bekannt. Es heißt, er komme aus dem Dorf Nechung im Kreis Toelung Dechen (chin. Duiling Deqing), TAR, und sei früher Mönch im dortigen Kloster Takdrak gewesen, bevor er vor acht Jahren aus politischen Gründen ausgeschlossen wurde.

Der Barkhor, eine Rundstraße im Zentrum der Altstadt von Lhasa, ist zugleich ein geschäftiger Markt. In dem verzweifelten Wunsch, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den Mangel an Freiheit in Tibet zu lenken, wählen ihn tibetische Demonstranten häufig für ihre Protestaktionen. In den späten 80er und frühen 90er Jahren gab es dort zahlreiche große Demonstrationen, die von den chinesischen Behörden brutal niedergeschlagen wurden. Wegen der mit der Barkhor-Gegend verbundenen politischen Brisanz hat das Public Security Bureau dort ein strenges Überwachungssystem mit großem Polizeiaufgebot eingerichtet. Zudem setzt das Nachbarschaftskomitee Lhasa seine eigenen Sicherheitsleute ein, die den Ort Tag und Nacht auf verdächtige soziale und politische Aktivitäten hin kontrollieren.

Die Eisenbahn: Ein Werkzeug des kulturellen Genozids

Ganz im Sinne der mit dem Bau und dem Start der Qinghai-Tibet-Eisenbahn einhergehenden massiven Propagandakampagne sprach der chinesische Präsident Hu bei der Eröffnungszeremonie am 1. Juli 2006 "nicht nur von einer großartigen Leistung in der chinesischen Eisenbahngeschichte, sondern auch von einem echten Wunder in der Geschichte des weltweiten Eisenbahnbaus".

Hu betonte, die Eisenbahn werde den Tibetern Fortschritt und wirtschaftlichen Wohlstand bringen. Die chinesische Regierung sieht in ihr einen Schlüsselfaktor für den Fortschritt, welcher der wirtschaftlichen Entwicklung in Tibet und anderen westlichen Regionen Chinas einen entscheidenden Impuls verleihen wird. Wie jedoch ein vor kurzem im Exil eingetroffener Mönch dem TCHRD gegenüber ausführte, brächte die Eisenbahn für die tibetische Bevölkerung hauptsächlich Nachteile mit sich und führe zu einer dauerhaften Schädigung der tibetischen Gesellschaft. Seine Darstellung widerspricht den Behauptungen der chinesischen Regierung in jeder Hinsicht. 

Der 25jährige Mönch Tseten Norbu aus dem ein paar Fahrstunden von Lhasa entfernten Kreis Toelung Dechen berichtete dem TCHRD von den Auswirkungen, welche die Eisenbahn bisher schon auf die Stadt Lhasa und die tibetischen Gesellschaft gehabt hat.

"Nach der Fertigstellung der Qinghai-Tibet-Eisenbahn ließ die chinesische Regierung an alle Regierungsämter in Lhasa sowie an alle Einwohner der Stadt zwei oder drei Flaggen austeilen, die für die Eröffnungszeremonie bestimmt waren. Dazu erging die strikte Anweisung, diese zur Eröffnungsfeier auf den Hausdächern zu hissen. Die Regierungsbeamten warnten die Einwohner, eine Weigerung würde als Geste des Widerstandes und der Revolte gegen das Mutterland betrachtet werden. Weiter hieß es, die Regierung würde folgenschwere Maßnahmen gegen diejenigen ergreifen, auf deren Dächern keine Flaggen zu sehen seien. Daß die tibetischen Einwohner Lhasas schließlich die chinesischen Flaggen auf ihren Dächern anbrachten, wird nur vor dem Hintergrund dieser Zwangsmaßen erklärlich.

Die Tibeter machen sich schon seit langem große Sorgen wegen dieser Eisenbahnlinie. Erst zwei Monate ist es her, daß Passagierwaggons auf dieser Strecke verkehren, und schon bricht eine Flut von Chinesen über Lhasa herein, die sich alle ein besseres Leben in dieser Stadt versprechen. Jeder Zug, der im Bahnhof von Lhasa eintrifft, füllt die Straßen der Stadt mit Chinesen, die hier ein neues Leben beginnen wollen. Die Behörden haben für sie extra Orientierungskurse eingerichtet. Man kann Hunderte chinesischer Siedler mit ihren Schlafsäcken und ihren Habseligkeiten auf dem Rücken auf den Gehsteigen entlang der Hauptstraßen beobachten, die alle auf einen Neuanfang hoffen. Es gibt Unmengen chinesischer Artisten, die Affen, Trommeln und allerlei Gepäck mitgebracht haben und mit ihren Tiere auf den Straßen von Lhasa Tricks vorführen, um sich ein paar Groschen zu verdienen. Auf ähnliche Weise unterhalten chinesische Shaolin-Mönche die Menschen mit ihren Darbietungen in Kampfkunst und Kungfu. Tibet ist nun endgültig dem Bevölkerungstransfer und der Assimilation zum Opfer gefallen. In den letzten Jahren hat die chinesische Regierung den Zustrom von ethnischen Chinesen nach Tibet enorm gefördert.

Öffentliche Transportmittel, Taxis und Rikschas – alles wurde von den chinesischen Migranten usurpiert. Man findet kaum noch Tibeter auf diesem Sektor. Die Hotels und Restaurants befinden sich alle in chinesischer Hand, und eine große Anzahl von jungen tibetischen Männern und Frauen arbeiten für durchschnittlich 400-500 Yuan im Monat als ihre Angestellten. Offiziell als chinesische "Touristen" deklariert, gelangen Unmassen arbeitsloser chinesischer Migranten nach Tibet, von denen viele dem Rotlichtmilieu angehören. In der kurzen Zeit, seit die Eisenbahn nach Lhasa gekommen ist, haben die Diebstähle und Raubüberfälle beispiellos zugenommen. Was den kulturellen Aspekt betrifft, so findet man kaum mehr etwas von dem alten Stadtbild: Lhasa ist nun eine typisch moderne chinesische Stadt geworden, die wuchert und wuchert.

In letzter Zeit ist Mandarin zur allgemeinen Umgangssprache auf den Straßen der Stadt geworden. Junge Leute, Kinder und sogar ältere Menschen durchsetzen die tibetische Sprache nun mit Mandarin Wörtern. Die tibetische Gesellschaft wird von der Vorstellung dominiert, daß Menschen, die kein Mandarin beherrschen, zu Außenseitern werden und jenseits der Mehrheitsgesellschaft und der aktuellen Entwicklungen stehen. Leider ist dies eine Realität. Selbst tibetische Metzger und Fleischverkäufer um den Potala-Palast, den Tsuglag-Khang, den Ramoche Tempel und den Norbulingka sprechen nur noch Mandarin. Sie haben ihre Muttersprache schon fast vergessen. Der große freie Platz vor dem Potala und ebenso der vor dem Tsuglag-Khang sind von Tausenden von Chinesen okkupiert, die von der Eisenbahn hereingebracht wurden. Die chinesische Regierung behauptet, durch die Anwesenheit der vielen Reisenden aus Zentralchina und der ausländischen Touristen, die der Zug ins Land bringt, würden neue Verdienstmöglichkeiten für die Tibeter geschaffen. Nach ihren üblichen Verlautbarungen ist der zu erwartende wirtschaftliche Fortschritt Tibets so sicher wie das Zunehmen des Mondes. Unglücklicherweise hat die chinesische Regierung dieses Ziel bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen aus den Augen verloren. Sie ist statt dessen nur noch darauf fixiert, günstige Bedingungen für den Transfer weiterer chinesischer Siedler nach Tibet zu schaffen.

Ich habe selbst beobachtet, daß die Stadt, seit es die Eisenbahn gibt, eine stetige Bevölkerungszunahme verzeichnet. Die chinesische Regierung läßt gegenwärtig zahlreiche Pensionen und Wohnhäuser bauen. Ihre ans Ausland adressierte Propaganda, Lhasa werde zu einer ultramodernen Stadt umgestaltet, ist reiner Betrug und Augenwischerei. Die neuen Wohnviertel sind nur für chinesische Zuwanderer bestimmt, was in krassem Gegensatz zu den Behauptungen in den staatlichen Medien steht. Die neuen Wohnblöcke wurden nicht dazu gebaut, um von Tibetern aus Kham, Amdo und den Dörfern der Umgebung von Lhasa bewohnt zu werden, sondern von chinesischen Migranten.

Die tibetischen Wohnhäuser mit ihrer traditionellen Architektur werden samt und sonders zerstört. An ihrer Stelle schießen überall seltsam anmutende Gebäude aus dem Boden. Wenn wir in Lhasa ankommen, fühlen wir uns nicht mehr in einer tibetischen, sondern wie in einer chinesischen Stadt. Chinesische Händler pflegen, kaum daß sie sich einen Monat in Lhasa aufhalten, die vom Land in die Stadt gekommenen Tibeter übers Ohr zu hauen, indem sie ihnen in China produzierte Uhren von schlechter Qualität zu überhöhten Preisen anbieten und erklären, diese seien im Ausland hergestellt worden. Wenn die Tibeter schließlich merken, daß sie betrogen wurden, haben sie keine Chance, sich gegen die Chinesen zu wehren. Sie sind in einer vollkommen hoffnungslosen Situation gefangen. Lhasa wird inzwischen komplett von den hereinströmenden Chinesen dominiert, und da diese in der Überzahl sind, können die Tibeter es nicht wagen, sich zur Wehr zu setzen. Sie fürchten, daß sie sich bald wie in einem fremden Land vorkommen werden, obwohl es doch ihr eigenes ist. Sie haben aber keine Wahl und müssen sich still verhalten. Wer weiß, vielleicht wird die Eisenbahn Tibet doch noch wirtschaftlichen Fortschritt bringen?

Selbst, wenn dies der Fall sein sollte, müßte die von den Chinesen behauptete Entwicklung und der vermeintliche wirtschaftliche Aufschwung Tibets mit gravierenden Langzeitfolgen und dem Niedergang unserer altehrwürdigen Kultur bezahlt werden. Heute sieht man an jeder Straßenecke junge Leute, Chinesen ebenso wie Tibeter, die ohne jegliche Scham ihre Gefühle öffentlich zur Schau stellen, indem sie sich in aller Öffentlichkeit küssen und umarmen. Das kann ich selbst bezeugen. Ein solch unsittliches und schamloses Benehmen gab es früher in Tibet nicht, aber unter dem negativen Einfluß der Chinesen sieht man heutzutage immer mehr junge Tibeter, die deren schändliches Benehmen nachahmen und sich umarmen. Infolge der Qinghai-Tibet-Eisenbahn wird die einzigartige und kostbare Kultur der Tibeter, durch die sich seit Jahrhunderten ihre Identität und ihr Land definiert haben, dem Untergang preisgegeben. Und dieser kulturelle Genozid wird nicht zu stoppen sein. Wenn man sich die Trends und Veränderungen, die in letzter Zeit in der tibetischen Gesellschaft stattgefunden haben, anschaut, bleibt kaum Raum für Zweifel hinsichtlich der negativen Konsequenzen und dem Schaden, welche diese Eisenbahn für die tibetische Identität und Kultur gebracht hat.      

Brief des zu zehn Jahren Haft verurteilten tibetischen Schriftstellers Dolma Kyab

(Der Brief wurde ursprünglich in chinesischen Schriftzeichen handgeschrieben)

An die Menschenrechtskommission der UN [im Juni 2006 in Menschenrechtsrat umbenannt], die Weltfrauenorganisation [vermutlich ist hier das Komitee für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen gemeint], die Globale Umweltschutzorganisation [vermutlich das UN-Gremium für Umweltschutz] und die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur [UNESCO]:

“Ich wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Hauptgrund dafür war mein noch unveröffentlichtes Buch "Der Himalaya in Bewegung", das von Demokratie, Selbstbestimmung und anderen für Tibet relevanten Themen handelt. Der chinesischen Strafprozeßordnung zufolge kann niemand nur auf der Basis eines derartigen Buches des "Separatismus" angeklagt werden. Da es der chinesischen Justiz nicht gelang, mich aus diesem Grunde vor Gericht zu stellen, klagten sie mich schließlich, nachdem sie alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen hatten, der "Spionage" an. Obwohl die Behörden über keinerlei Beweise oder stichhaltigen Argumente verfügen, beschuldigten sie mich in ihrer Anklageschrift der Spionage. Das Gericht lastete mir folgendes an:

1) In der Vergangenheit habe ich der tibetischen Regierung [bezieht sich auf die tibetische Regierung-im-Exil] meine Ansichten zum Thema Umweltschutz dargelegt und sie gebeten, sich rückhaltlos für den Schutz der Umwelt einzusetzen und mehr für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Frauen [in Tibet] zu tun. Auf Grund meiner damaligen Äußerungen beschuldigten sie [die Ankläger] mich der Vorbereitung von Aktivitäten für die Unabhängigkeit Tibets.

2) Ich hatte vor, ein Buch über tibetische Geographie zu schreiben. Obwohl ich noch nicht einmal damit begonnen hatte, beschuldigten sie mich, ich hätte Staatsgeheimnisse ans Ausland weitergegeben. Wie absurd, sie brachten meine Absicht, so ein Buch zu schreiben, mit separatistischen Aktivitäten in Verbindung! Als der italienische Philosoph [Filippo Giordano] Bruno 1600 sagte, daß die Sonne das Zentrum des Universums sei, erzürnte sich die Kirche in Rom und ließ ihn hinrichten. Ich fühle mich wie er.

3) Sie hörten auf das, was ein paar Leute behaupteten und prüften überhaupt nicht die Tatsachen. Meine Verurteilung stellt daher einen Rechtsbruch und einen ungesetzlichen Machtmißbrauch dar.

Als ein Repräsentant der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen [der UN-Sonderberichterstatter für Folter Manfred Nowak]* am 26. und 27. November 2005 in Lhasa war, verlegten sie mich an einen anderen Ort und versteckten mich dort, weil sie befürchteten, er könnte mit eigenen Augen sehen, wie die Lage tatsächlich ist. Aus diesem Grunde hatte ich keine Möglichkeit, irgend jemandem mitzuteilen, daß das gegen mich gesprochene Urteil ungerecht ist. Wahrscheinlich haben meine Kampagnen für den Schutz der tibetischen Antilope und für die Freiheit der Liebe in den nomadischen Regionen [Tibets] sie dazu veranlaßt, mich der Aktivitäten für die Unabhängigkeit zu bezichtigen. Ich bin der Auffassung, daß eine Verurteilung zu zehn Jahren Haft wegen Bildungsarbeit in Sachen Umweltschutz, Gesundheitsversorgung von Frauen, Familienplanung, individueller Gesundheitsfürsorge und Hygiene, Förderung und Schutz der Naturwissenschaften in der heutigen Zeit etwas recht Befremdliches ist.

Obwohl sie [die chinesische Regierung] mich meiner Freiheit beraubt hat, kann sie mir nicht meine Überzeugung nehmen, daß die Aufklärung der Menschheit in Sachen Umweltschutz und Gesundheitsversorgung von Frauennotwendig ist. Sie können mich töten, aber meine Liebe zur Naturwissenschaft können sie nicht abtöten. Ich glaube, daß Umweltschutz, der Schutz der Mütter [Frauen] und die Förderung der Naturwissenschaften ein gemeinsames Anliegen der gesamten Menschheit sind und an dieser Überzeugung werde ich festhalten.

Ich hoffe, die zuvor genannten Organisationen werden meine Ausführungen der gebührenden Erwägung unterziehen und mir zu Hilfe kommen.

Aus dem Gefängnis
Dolma Kyab
30. November 2005

*Dr. Manfred Nowak, der UN-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Maßnahmen oder Bestrafungen war vom 20. November bis zum 2. Dezember 2005 in China. Während seiner Mission besuchte er auch drei Gefängnisse in Tibet:

- Lhasa-Gefängnis Nr. 1 (Besuch am 26. November 2005)
- TAR-Gefängnis, auch unter dem Namen Drapchi bekannt (Besuch am 27. November 2005)
- Qushui-Gefängnis (Besuch am 27. November 2005)

Phuntsog Nyidron sagt vor UN-Expertengremium aus

Die ehemalige politische Gefangene Phuntsog Nyidron, eine der "Singenden Nonnen" von Drapchi, sagte heute Nachmittag vor der UN-Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte aus, die zu ihrer 58. Sitzung in Genf zusammengetreten ist. Sie berichtete den Experten des UN-Menschenrechtsgremiums über die von Folter, Erniedrigung, unhygienischen Verhältnissen und der Verweigerung gesetzlicher Rechte gekennzeichneten 15 Jahre, die sie in chinesischen Gefängnissen zubrachte.

Phuntsog Nyidron durfte am 15. März dieses Jahres in die USA ausreisen und lebt heute, nachdem sie politisches Asyl erhalten hat, in der Schweiz. Hier folgt ihre Erklärung: 

„Ich war 19 Jahre alt, als ich an einer friedlichen Demonstration in der tibetischen Hauptstadt Lhasa teilnahm und deshalb verhaftet wurde. Das geschah im Oktober 1989, als Tibet unter Kriegsrecht stand. Gemeinsam mit fünf anderen Nonnen ging ich ins Stadtzentrum, wo wir ‚Lange lebe der Dalai Lama’ und ‚Freiheit für Tibet’ riefen. Veranlaßt zu unserer Demonstration hatte uns die Nachricht, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama vor kurzem den Friedensnobelpreis erhalten hatte, und wir wollten unsere ungebrochene Loyalität für ihn öffentlich zum Ausdruck bringen.

Nach meiner Verhaftung wurde ich, ohne daß man mir anwaltlichen Beistand zugestanden hätte, zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. 1993 nahm ich mit 13 anderen Nonnen im Gefängnis insgeheim Lieder auf, in denen wir Seine Heiligkeit den Dalai Lama priesen und lobten und die Lage der politischen Gefangenen schilderten. Deshalb wurde meine Strafe um acht, insgesamt also auf 17 Jahre verlängert. Durch diese Lieder hatten wir auch unsere Familien wissen lassen wollen, daß unser Geist ungebrochen war. 

Im Gefängnis wurden die Häftlinge unmenschlicher Folterung unterzogen. Auch bei schweren gesundheitlichen Beschwerden wurde ihnen keine angemessene medizinische Behandlung zuteil, denn eine solche wird politischen Gefangenen prinzipiell verweigert. Eine meiner Mitgefangenen starb 1995, weil die chinesischen Behörden ihr nicht die erforderliche sofortige Behandlung zukommen ließen.

Jetzt, da ich in einem freien Land lebe, erfahre ich von den vielen Rechten, die die chinesischen Behörden den Gefangenen gewähren sollten. Ich hörte, daß es ein chinesisches Gefängnisgesetz gibt, das 1994 in Kraft trat und in dem explizit festgelegt ist, daß ‚die Gefangenen das Recht auf Schutz vor körperlicher Bestrafung und Mißhandlung haben, das Recht auf Berufung, das Recht auf Kommunikation, das Recht auf den Besuch durch Verwandte, das Recht auf Bildung, das Recht auf Ruhepausen, das Recht auf Entlohnung für geleistete Arbeit, das Recht auf Arbeitsschutz und Arbeitsversicherung, sowie das Recht auf medizinische Behandlung. Und nach der Verbüßung ihrer Strafe genießen sie dieselben Rechte wie andere Bürger.’

Ich kann mit Gewißheit sagen, daß den tibetischen politischen Gefangenen heute keines der genannten Rechte zugebilligt wird. Was den Genuß gleicher Rechte nach der Haftentlassung betrifft, so wurde mir nicht einmal gestattet, in mein ehemaliges Kloster zurückzukehren, um wieder meiner religiösen Ausbildung nachzugehen. Tatsächlich müssen ehemalige politische Gefangene ihren Hintergrund verbergen, wenn sie eine Arbeit suchen oder irgendeine der anderen Möglichkeiten, die ihnen die Gesellschaft bietet, wahrnehmen möchten.

Im Gefängnis wurden wir unvorstellbaren Folterungen unterzogen. Wenn die Gefangenen es wagten, ihre Meinung zu äußern oder sich der kommunistischen politischen Schulung zu widersetzen, wurden sie routinemäßig mit Eisenstöcken geschlagen und mit elektrischen Schockgeräten traktiert. Manchmal wurde bis zur Bewußtlosigkeit auf uns eingeprügelt, so daß wir in unsere Zellen zurückgeschleift werden mußten. Während der ersten Monate meiner Haft durchstachen die Wachen meine Fingernägel mit einer Schusterahle. Nach den Gefangenenprotesten vom Mai 1998 im Drapchi-Gefängnis starben fünf Nonnen an den Folgen von Schlägen und Folterungen. Wie ich erfahren habe, hat Amnesty International eine offizielle Untersuchung über den Tod der fünf Nonnen gefordert, jedoch bisher keine zufriedenstellende Auskunft von der chinesischen Regierung erhalten, wie die Nonnen zu Toden kamen.

Herr Vorsitzender, die ständigen Schläge und die Tatsache, daß drei unserer Mitgefangenen in Einzelhaft gehalten wurden, ließen die Befürchtung in uns aufkommen, das Wachpersonal würde uns früher oder später umbringen, und wir entschlossen uns daher zu einem Hungerstreik, denn wir wollten lieber aus eigenem Willen sterben. Es gab für uns keinen anderen Weg, unsere Leiden anderen zu Gehör zu bringen. Wir wußten, welchen körperlichen Schaden wir durch die unzureichende, magere und unhygienische Gefängniskost bereits erlitten hatten. Nach viereinhalb Tagen stellten wir den Hungerstreik ein, nachdem man uns zugesichert hatte, daß kein Sicherheitspersonal kommen würde, um uns zu schlagen.

Als ich 1989 protestierte, tat ich es auf absolut friedliche Weise. Dennoch saß ich bar aller gesetzlichen Rechte 15 Jahre lang im Gefängnis. Im kommunistischen China pflegt man politische Gefangene als die schlimmste Sorte von Kriminellen zu behandeln, weshalb uns auch alle vom chinesischen Gesetz garantierten Rechte vorenthalten wurden. Bei den monatlichen Familienbesuchen beispielsweise dürfen Strafgefangene Besuch von drei Angehörigen empfangen, während politische Gefangene nur von einem Familienmitglied besucht werden dürfen. Manchmal wurde uns der Familienbesuch auch ganz gestrichen. Obwohl das Gefängnis über einige Ausbildungsmöglichkeiten verfügt, erhielten politische Gefangen niemals die Chance, berufliche Fertigkeiten zu erlernen.

Im Februar 2004 wurde ich plötzlich aus der Haft entlassen, aber mein Leben war nach wie vor sehr schwierig. Ich stand unter permanenter Überwachung, und es waren ständig zwei Polizisten vor unserem Haus postiert. Zu dieser Zeit brachten mich die chinesischen Behörden zu mehreren Treffen mit ausländischen Delegationen, darunter dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung und der US-Kommission für religiöse Freiheit in aller Welt. Ich hatte damals jedoch keine klare Vorstellung davon, was es mit diesen Leuten oder ihrer Mission auf sich hatte. Erst nachdem ich in die Vereinigten Staaten gekommen war, verstand ich, wie wichtig ihre Besuche waren.

Ich bin eine einfache Tibeterin und komme aus einer Bauernfamilie, aber wie alle anderen politischen Gefangenen mußte ich in den chinesischen Gefängnissen in Tibet unendliches Leid erdulden. Nach all diesen Jahren im Gefängnis verdanke ich meine Freiheit in erster Linie dem Wohlwollen Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und all den Regierungen, Parlamenten, NGOs und UN-Menschenrechtsgremien, die sich für tibetische politische Gefangene einsetzen und entsprechenden Druck auf die chinesische Regierung ausüben.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, während ich im Gefängnis war, verabschiedete diese Unterkommission am 23. August 1991 eine historische Resolution zu Tibet. Damals konnten wir unsere Freude darüber nicht offen zum Ausdruck bringen und der Unterkommission auch nicht danken, deshalb möchte ich mich heute im Namen des tibetischen Volkes und insbesondere der tibetischen politischen Gefangenen ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Das hat uns damals, als wir in unseren dunklen, kalten und schmutzigen Zellen schmachteten, sehr viel bedeutet!

Abschließend möchte ich sagen, daß die Tibeter in Tibet entgegen den Behauptungen der Chinesen auch heute noch keines der Rechte genießen, die ihnen von der chinesischen Verfassung garantiert werden. Ich stehe heute vor Ihnen, um zu bezeugen, daß die internationale Aufmerksamkeit und Interventionen wegen der beklagenswerten Menschenrechtslage in Tibet sehr wohl etwas bewirken. Im Genuß meiner Freiheit ersuche ich die Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen, die zahlreichen Tibeter nicht zu vergessen, die inhaftiert wurden, bloß weil sie ihre tiefen Gefühle für ihre religiöse, nationale und kulturelle Identität öffentlich gemacht und ihren Glauben an den gewaltlosen Freiheitskampf Tibets auf friedliche Weise zum Ausdruck gebracht haben.

Der Schriftsteller Rinchen Sangpo verschwunden

Der 30 Jahre alte tibetische Mönch und Schriftsteller Rinchen Sangpo wurde in Lhasa heimlich von der chinesischen Polizei verhaftet, als er sich auf dem Weg in seine Heimat befand. Weder seine Angehörigen noch seine Freunde wissen, wo er hingebracht wurde.  

Am 19. Juli 2006 bestieg Rinchen, ein Mönch des Klosters Drepung im Westen von Lhasa, den Zug in Lhasa, um nach Hause zu fahren. Zwei seiner Freunde, Thos-sam und Sherab, begleiteten ihn zum Bahnhof. Als er nach zwei Tagen immer noch nicht zu Hause angekommen war, machten sich seine Angehörigen und Freunde auf die Suche nach ihm und fanden schließlich heraus, daß die chinesische Polizei ihn unterwegs festgenommen hatte.

Einige Tage danach kamen PSB-Beamte [Öffentliche Sicherheit] in das Kloster Drepung und verhörten Rinchens beide Freunde wegen ihrer Beziehung zu ihm. Als die beiden leugneten, ihn zu kennen, legten die Beamten ihnen Fotos von Überwachungskameras vor, die sie zusammen mit ihm am Bahnhof zeigten.

Die chinesischen Behörden nannten keinen Grund für die Verhaftung. Enge Freunde Rinchens teilten jedoch vertraulich mit, er sei „ein Mensch, der kein Blatt vor den Mund“ nehme und hätte „in Drepung des öfteren dem Demokratischen Verwaltungs-Komitee des Klosters widersprochen, wenn er dies für nötig hielt“. „Infolgedessen wurde er in den Jahren 2000 und 2003 zweimal kurzfristig inhaftiert. Nach dem Tod des Mönchs Jangchub, der im November 2005 während der ‚Patriotischen Umerziehungs-Kampagne’ umkam, wurde Rinchens Zelle durchsucht, weil er verdächtigt wurde, mit ihm in Verbindung zu stehen. Dabei fand man in seinem Zimmer ein Bild des Dalai Lama."

„Rinchen Sangpo ist Autor und Herausgeber des Magazins Tsenpo Shabje (Fußspuren der tibetischen Kriegerkönige), das im Kloster Thurig im Kreis Mangra, Provinz Qinghai, erscheint. Während seiner Zeit als Herausgeber verboten die örtlichen chinesischen Behörden die Zeitschrift ein Jahr lang, weil sie angeblich auch politische Themen brachte. Rinchen wurde aufgrund dieser Ausgaben verhaftet. Seit 2000 studierte er im Kloster Drepung in Lhasa buddhistische Philosophie und schrieb weiterhin zahlreiche Artikel. Im Juli 2006 veröffentlichte er seine gesammelten Artikel in Buchform.

Rinchen Sangpo wurde in der Gemeinde Jah-Do, Kreis Mangra, TAP Tsolho [Autonome Tibetische Präfektur], Provinz Qinghai, geboren. Zuerst war er Mönch im Kloster Tsernga im Kreis Mangra. Während der letzten sieben Jahre ging er seinen Studien im Kloster Drepung nach. Bis heute ist sein Aufenthaltsort niemandem bekannt, auch nicht seinen Angehörigen.

"Patriotische Umerziehung" und das Schicksal eines Mönchs

Der 25 Jahre alte Mönch Thupten Tsewang aus dem Dorf Nr. 13, Gemeinde Thangkar, Kreis Taktse, Stadtbezirk Lhasa, traf am 1. August 2006 im Tibetischen Empfangszentrum für Flüchtlinge in Nepal ein. Er kam mit elf Jahren auf die örtliche Regierungsschule, wo er sechs Schuljahre absolvierte. Danach wurde er im Kloster Lo, Kreis Phenpo, TAR, zum Mönch ordiniert und studierte fortan den Buddhismus. Wie in anderen tibetischen Klöstern, führte die Regierung auch im Kloster Lo die "patriotische Umerziehung" durch, wodurch sich die Mönche in ihrem Studium schwer behindert sahen, und die friedliche klösterliche Atmosphäre des Klosters erheblich beeinträchtigt wurde.

Im fünften Monat des tibetischen Mondkalenders des Jahres 1997 traf ein von der Kreisverwaltung entsandtes und für die Durchführung der Kampagne zuständiges "Arbeitsteam" im Kloster ein und quartierte sich dort ein. Die Kader begannen, die Mönche politisch zu schulen. Dabei wurden sie in Gruppen eingeteilt, die miteinander zu diskutieren hatten. Jeglicher Freiheit beraubt, wurden sie drei Monate lang zur politischen Umerziehung gezwungen. Sechs für die Kampagne maßgebliche Bücher über Geschichte, Politik und das Rechtssystem wurden an sie ausgeteilt. Die 50 Mönche des Klosters wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und mußten täglich von 7.00h bis 12.00h den Unterricht für die "patriotische Umerziehung" über sich ergehen lassen und zwischen 15.00h und 18.00h die von dem Arbeitsteam mitgebrachten sechs Bücher durcharbeiten. Wegen des intensiven Stundenplans der „patriotischen Umerziehung“ blieb ihnen kaum Zeit für das Studium der buddhistischen Schriften.

Thupten Tsewang, Thupten Gyaltsen und Lhakpa Samdup lehnten sich gegen die Kader des Arbeitsteams auf und argumentierten, daß die chinesische Regierung bezüglich der religiösen Freiheit in Tibet nur ein Lippenbekenntnis ablege. "Wenn es in Tibet Religionsfreiheit gäbe, wie ihr es behauptet, warum werden wir dann genötigt, den Dalai Lama zu verunglimpfen? Kein Tibeter kann den Dalai Lama, das spirituelle und weltliche Oberhaupt Tibets, verurteilen." Sie weigerten sich, den Dalai zu schmähen und wurden infolgedessen, ebenso wie der 18jährige Tenzin Jampa, aus dem Kloster ausgeschlossen. Überdies wurde ihnen untersagt, sich einem anderen Kloster anzuschließen.

Die ausgestoßenen Mönche kehrten an ihre Heimatorte zurück, wo sie rund um die Uhr überwacht sowie immer wieder von den Behörden zu Verhören einbestellt wurden. Sie mußten jedesmal, wenn sie ihr Dorf verlassen wollten, um eine Genehmigung nachsuchen. Einen Monat nach ihrer Ausweisung aus dem Kloster erschienen zwei PSB-Beamte des Kreises Phenpo bei ihnen zu Hause, um zu kontrollieren, ob sie auch da waren.

Weil die beiden ausgeschlossenen Mönche Thupten Gyaltsen und Lhakpa Samdup die ständigen Schikanen und den Einbruch in ihre monastischen Studien nicht mehr ertragen konnten und nur düstere Aussichten für ihr Kloster sahen, entschlossen sie sich dazu, ihre Mönchsrobe abzulegen und ein bürgerliches Leben zu führen. Sie hätten es vorgezogen, bis zu ihrem Lebensende Mönche zu bleiben, aber da sie in kein Kloster mehr eintreten durften, sahen sie keine Möglichkeit dazu. Weil es keine andere Alternative für sie gab, taten sie den schweren Schritt des Austritts aus dem Mönchsstand.

Auch Thupten Tsewang konnte keine Ruhe finden und lebte in ständiger Furcht vor Festnahme. Daher entschloß er sich schweren Herzens, sein geliebtes Land zu verlassen und ins Exil zu gehen. Es gelang ihm, eine Genehmigung für eine 15tägige Reise nach Lhasa zu erlangen, von wo aus er ins Exil floh.

China dementiert Inhaftierung von Dolma Kyab

China weist Behauptungen zurück, den tibetischen Schriftsteller Dolma Kyab [auch: Gyab] wegen Spionage und Weitergabe von Staatsgeheimnissen inhaftiert zu haben. Bestätigten Informationen zufolge, die dem TCHRD vorliegen, war der 29 Jahre alte Dolma Kyab vor seiner Verhaftung im März 2005 in Lhasa als Lehrer tätig. Im September 2005 wurde er zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Es gelang ihm, einen Brief aus der Zelle zu schmuggeln, in dem er den UN-Menschenrechtsrat um Hilfe anrief.

Am 17. August 2006 verlas eine Sprecherin des Informationsbüros, das dem chinesischen Staatsrat oder Kabinett untersteht, der Nachrichtenagentur Reuters per Telefon eine vorbereitete Erklärung, in der es heißt: „Unsere Nachforschungen ergaben, daß in Tibet kein junger Mann namens Dolma Kyab verurteilt wurde. Es gibt jedoch einen ethnischen Tibeter dieses Namens, der in der Provinz Gansu wegen Raubs zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Seine Strafe wurde inzwischen in eine Haftfrist von begrenzter Dauer umgewandelt.

Dolma Kyab, mit Pseudonym Lobsang Kelsang Gyatso, wurde am 9. März 2005 in Lhasa verhaftet, wo er an einer Mittelschule Geschichte unterrichtete. Er wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, weil er ein bislang unveröffentlichtes Buch mit dem Titel „Der Himalaya in Bewegung“ verfaßt hatte. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von 57 Essays, in denen er sich mit Demokratie, der Souveränität Tibets, Tibet unter der kommunistischen Herrschaft, mit Kolonialismus, Religion und Glauben etc. auseinandersetzt. Zudem hatte er begonnen, an einem weiteren Manuskript über die geographischen Aspekte Tibets zu schreiben, das vergleichsweise kurz war, jedoch heikle Themen wie die Lage und Anzahl der Militärcamps im chinesisch besetzten Tibet berührte.

Ebenso wie die Inhaftierung von Dolma Kyab leugnete die chinesische Sprecherin des Informationsbüros auch die Existenz eines solchen Buches.

Portrait eines ehemaligen politischen Gefangenen

Der ehemalige politische Gefangene Phuntsok Tsering, 31, stammt aus dem Dorf Kyurmo, Gemeinde Jarak, Kreis Toelung Dechen, Stadtbezirk Lhasa, TAR, und ist der mittlere von drei Geschwistern. Mit sechs Jahren trat er in die Grundschule in seinem Dorf ein und wechselte drei Jahre später auf die Regierungsschule des Landkreises, die er sechs Jahre lang besuchte.

1991 wurde er im Kloster Kyurmo zum Mönch ordiniert und studierte dort knapp ein Jahr lang den Buddhismus. Im September 1992 demonstrierte er zusammen mit einem anderen Mönch aus seinem Kloster namens Dawa in Lhasa. Die beiden umrundeten den Tsuglag-Khang (den Haupttempel in Lhasa), reckten ihre Fäuste in die Luft und riefen Parolen wie „Freiheit für Tibet“, „Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama“ und „Chinesen raus aus Tibet“. Sie wurden kurz darauf von Kräften des Public Security Bureau verhaftet und in einem Polizeiauto weggeschafft. Auf der Fahrt wurden sie schwer geschlagen. Sie wurden im Haftzentrum Gutsa in Lhasa inhaftiert und unter Folter verhört, weil ihre Peiniger wissen wollten, wer hinter der Demonstration stehe. Auch das Wachpersonal schlug sie schwer und folterte sie.

Der Mittlere Volksgerichtshof von Lhasa verurteilte Dawa am 12. Juli 1993 zu fünf Jahren Haft und der zweijährigen Aberkennung seiner politischen Rechte. Phuntsok erhielt zwei Jahre Haft, und die bürgerlichen Rechte wurden ihm für ein Jahr abgesprochen. Zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung war er noch nicht einmal 18 Jahre alt.

Am 20. Juli 1993 wurden die beiden in die Einheit Nr. 5 in Drapchi verlegt. Sie wurden während ihrer gesamten Haftzeit streng überwacht, mußten erniedrigende Arbeiten verrichten und wurden von den Gefängnisbediensteten regelmäßig geschlagen und gefoltert.

Phuntsok wurde am 19. Dezember 1994 aus der Haft entlassen. Da es ihm nicht gestattet war, wieder in ein Kloster einzutreten, blieb er ein Jahr lang zu Hause, wo er keine Arbeit hatte. 1995 fand er schließlich eine Anstellung bei der Lhasa Kagyur Druckerei. Wie alle ehemaligen politischen Gefangenen in Tibet wurde auch Phuntsok häufig verhört, stand unter ständiger Überwachung und verfügte nur über eingeschränkte Bewegungsfreiheit, was ihm ein normales Leben unmöglich machte.

Daher verließ er am 6. Dezember 1999 heimlich Lhasa, überquerte die tibetisch-nepalesische Grenze in Dram und erreichte ohne weitere Zwischenfälle das Empfangszentrum für tibetische Flüchtlinge in Kathmandu. Er reiste noch im selben Jahr nach Dharamsala weiter. Dort trat er in die Transitschule für Neuankömmlinge aus Tibet, Sherab Gatsel Lobling, ein. Er studierte drei Jahre lang Tibetisch und Englisch und erwarb Kenntnisse in EDV, im Mai 2003 machte er seinen Abschluß. Anschließend nahm er an einer einjährigen Schulung für ehemalige politische Gefangene teil, die von Gu-Chu-Sum [Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener] unter der Schirmherrschaft des Departements für Gesundheit der Zentralen Tibetischen Verwaltung (CTA) veranstaltet wurde. Am 4. Juni 2004 schloß er sich Gu-Chu-Sum an und ist dort heute als Fahrer und in der Schulverwaltung tätig. Bei der 3. Hauptversammlung der Vereinigung am 28. September 2004 wurde er in den Vorstand gewählt.