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März 2006
Human Rights Update

März 2006

Inhalt

  1. Phuntsok Nyidron wenige Tage vor Präsident Hus Besuch in den USA eingetroffen
  2. Mönchs-Gelehrter zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er einen Vortrag über tibetische Kultur gehalten hat
  3. Mehrere prominente politische Gefangene in das neue Gefängnis im Kreis Chushul verlegt
  4. Biographie des ehemaligen politischen Gefangenen Lobsang
  5. Nonne nach Rückkehr aus dem Exil wegen Teilnahme an einem Friedensmarsch in Indien verhaftet
  6. Tibeter aus Pelwar und Sog setzen ihren Protest gegen den Abbau von Bodenschätzen fort
  7. Tibeter inhaftiert, weil sie Verbot von Pelzkleidung forderten
  8. Human Rights Watch besorgt um die seit dem Schlachthausbrand von 2005 inhaftierten Tibeter


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Phuntsok Nyidron wenige Tage vor Präsident Hus Besuch in den USA eingetroffen

Das TCHRD ist erfreut über die Nachricht, daß Phuntsok Nyidron am 15. März 2006 in den USA eingetroffen ist, es wünscht ihr baldige Genesung und einen angenehmen Aufenthalt in einem freien und demokratischen Land.

Das TCHRD betrachtet ihre Ausreiseerlaubnis in die Vereinigten Staaten als eine symbolische Geste im Vorfeld zu Präsident Hu Jintaos Besuch in den USA. Bereits in der Vergangenheit hat Peking vereinzelt kurz vor den Besuchen von Staatsoberhäuptern, der jährlichen Sitzung der UN-Menschenrechtskommission oder vor internationalen Konferenzen und Gipfeln politische Gefangene aus der Haft entlassen.

Phuntsok Nyidron wurde am 26. Februar 2004, nur wenige Tage vor der 60. Sitzung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf, aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem berüchtigten Drapchi-Gefängnis entlassen. Bis zu ihrer Ausreise in die USA hielt sie sich im Haus von Verwandten in Lhasa auf, wo sie sich ärztlicher Behandlung unterzog.

Phuntsok Nyidron ist jetzt 36 Jahre alt und stammt aus dem Kreis Phenpo Lhundrup im Osten des Bezirks Lhasa. Im Alter von 18 Jahren trat sie ins Kloster Michungri ein, um buddhistische Philosophie zu studieren. Am 4. Oktober 1989 wurde sie verhaftet, weil sie an einer friedlichen Demonstration für die Unabhängigkeit Tibets teilgenommen hatte. Sie wurde der “konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung der Massen” angeklagt und als Rädelsführerin der Protestaktion zu neun Jahren Haft verurteilt. 1993 wurde ihre Strafe um weitere acht Jahre verlängert, weil sie zusammen mit 13 anderen in Drapchi inhaftierten Nonnen Freiheitslieder auf Tonband aufgenommen hatte, was von den Behörden al ein “offensiver Akt” betrachtet wurde.

Ihre Haftentlassung war für 2005 vorgesehen, die chinesischen Behörden ließen sie infolge ihres schlechten Gesundheitszustands jedoch ein Jahr vor dem offiziellen Ablauf ihrer Haftstrafe frei. Sie hatte 15 Jahre im Gefängnis verbracht.

Die in San Francisco ansässige Dui Hua Foundation, die bereits früher die Haftentlassung mehrerer tibetischer politischer Gefangener erreichen konnte, war maßgeblich an Phuntsoks Freilassung beteiligt. Vier tibetische politische Gefangene – Ngawang Sangdrol, Takna Jigme Sangpo, Ngawang Choephel und Phuntsok Nyidron – wurden alle aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus der Haft entlassen und durften später zur medizinischen Behandlung in die USA ausreisen.

Für ihren Mut und ihre Standhaftigkeit wurde Phuntsok Nyidron 1995 mit dem Reebok Menschenrechtspreis ausgezeichnet, und für ihr mutiges Opfertum auf dem Gebiet der Menschenrechte wurde sie von dem “The June 4th Anniversary Committee” und von “The China Peace” geehrt.

Mönchs-Gelehrter zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er einen Vortrag über tibetische Kultur gehalten hat

Neuesten Informationen aus Tibet zufolge wurde Gendun, ein gelehrter Mönch, der den monastischen Cham-Tanz unterrichtete, zu vier Jahren Haft verurteilt. Er wurde im Februar 2005 verhaftet, nachdem er an einem Lehrerausbildungs-Institut in der TAP Tsolho, Provinz Qinghai, einen Vortrag über tibetische Kultur und Geschichte gehalten hatte. Gleichzeitig wurden über 20 Studenten und Lehrer des Instituts festgenommen. Wie berichtet, hat man alle wieder freigelassen außer Gendun, der im Januar 2006 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Obwohl sein gegenwärtiger Aufenthaltsort nicht bekannt ist, weisen Berichte aus Tibet darauf hin, daß er 2005 in verschiedenen Haftanstalten inhaftiert war und sich derzeit in einem Lager für “Umerziehung durch Arbeit” im Westen von Xining, Provinz Qinghai, befindet.

Der etwa 30jährige Gendun stammt aus der Gemeinde Gongma, Distrikt Chabcha, TAP Tsolho, Provinz Qinghai. Er studierte am Buddhistischen Institut Serthar, wo er buddhistische Philosophie und tibetische Medizin erlernte. Seit Ende der 90er Jahre wirkte Gendun im Kloster Yulung im Distrikt Tsigorthang als Lehrer für den Cham-Tanz.

Mehrere prominente politische Gefangene in das neue Gefängnis im Kreis Chushul verlegt

Im April 2005 begann die chinesische Regierung mit dem Bau eines neuen Gefängnisses im Kreis Chushul im Bezirk Lhasa. Berichten zufolge befinden sich in dieser neuen Haftanstalt eine ganze Reihe bekannter Gefangener, die von den Gerichten der TAR zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Es heißt gegenwärtig seien dort über 300 Häftlinge inhaftiert. Wie das TCHRD erfuhr, sind im Trakt für politische Gefangene auch prominente Häftlinge mit langjährigen Strafen inhaftiert. Zuverlässigen Informationen zufolge wurden kürzlich mehrere der prominenten Langzeitgefangenen in das neue Gefängnis von Chushul verlegt. Unter ihnen befindet sich auch Bangri Tsamtrul Rinpoche, der eine 19jährige Haftstrafe verbüßt, und Amdo Jigme Gyatso mit 17 Jahren Haft, die beide zuvor in Drapchi inhaftiert waren, sowie der zu 14 Jahren verurteilte Lobsang Tsultrim aus dem Kloster Pashoe. Außerdem Lobsang Tenzin mit 18 Jahren Haft, der vorher in Pawo Tramo inhaftiert war, sowie 25 weitere politische Gefangene, die ebenfalls in das neue Gefängnis verlegt wurden.

In der TAR gibt es vier große Gefängnisse und drei große Lager für “Umerziehung-durch-Arbeit”. Abgesehen davon verfügt jede Präfektur über mehrere Haftzentren. In der Präfektur Ngari errichtete die Regierung im Juli 2004 ein neues Haftzentrum, das für etwa 200 Insassen angelegt ist. Im September 2005 wurde im Bezirk von Lhasa ein weiteres Haftzentrum speziell für Jugendliche gebaut. Die chinesische Regierung ist in den vergangenen Jahren noch härter gegen Kriminalität vorgegangen und hat ihre Sicherheitspatrouillen weiter aufgestockt. 2004 hat sie in allen ländlichen und nomadischen Regionen Tibets mit dem Bau von Haftzentren begonnen. Eine ganze Reihe von Neuerungen und Veränderungen wurde vorgenommen, die fast alle Aspekte betrafen, von der Wahrung der Ordnung bis zu den Uniformen des Sicherheitspersonals. Video-Überwachungskameras wurden an wichtigen und öffentlichen Plätzen angebracht, Checkpoints an Straßen und Kreuzungen errichtet, und die Sicherheitskräfte erhielten die Befugnis zu repressivem und hartem Vorgehen. Zudem mußten sie eine Spezialausbildung machen, damit sie einem plötzlichem Aufruhr oder Protest der Tibeter noch schneller und effektiver niederschlagen können. Es hat den Anschein, daß die jetzigen “Hart-Durchgreif-Kampagnen” noch rigoroser durchgeführt werden als in der Vergangenheit.

Den Informationen des TCHRD zufolge sind derzeit 132 politische Gefangene in den diversen über ganz Tibet verteilten Gefängnissen inhaftiert. Seit 1988 starben 88 Gefangene infolge der grausamen und unmenschlichen Folterungen und Mißhandlungen, denen sie in den Haftanstalten unterzogen wurden. Aufgrund der in der Haft erlittenen psychischen und physischen Folter leidet ein Großteil der politischen Gefangenen auch nach der Entlassung an dem sogenannten posttraumatischen Syndrom. Viele sind für den Rest ihres Lebens zu Krüppeln geworden. Die politischen Gefangenen sind zumeist auch nach ihrer Haftentlassung nicht in der Lage, ein normales Leben zu führen oder ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind auf die Unterstützung und Zuwendungen ihrer Angehörigen und anderer nahe stehender Personen angewiesen. Sie erlitten so schwere physische und psychische Schäden, daß sie den Rest ihres Lebens als chronisch Kranke ein miserables Dasein fristen müssen und ständig Medikamente benötigen.

Biographie des ehemaligen politischen Gefangenen Lobsang

Der heute 33 Jahre alte Lobsang wurde im Dorf Langthang Dewachen, Gemeinde Namdol, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, TAR, geboren. Von seinem 8. bis zu seinem 11. Lebensjahr hüte er hauptsächlich das Vieh seiner Familie. Mit zwölf kam er dann auf die staatliche Schule in seinem Dorf, die er zwei Jahre lang besuchte. Danach trat er auf Wunsch seiner Familie in das im Nachbardorf Tsedhe befindliche Kloster Dunphoe Choekhorling ein.

1991 wurde Lobsang zum ersten Mal politisch aktiv: Gemeinsam mit einigen Freunden brachte er eines Abends gegen 22.00 Uhr heimlich eine Reihe von Plakaten am Eingang des örtlichen PSB an, auf denen “Unabhängigkeit für Tibet”, “Lang lebe der Dalai Lama” und “Chinesen raus aus Tibet” stand.

In der Nacht des 12. Mai 1992 überklebten Lobsang und fünf seiner Freunde die Propagandapamphleten der Regierung mit ihren eigenen Flugblättern; einige davon brachten sie auch an den Mauern um den Marktplatz herum an. Am 18. November 1992 wurden Lobsang und seine Freunde dann von PSB-Polizisten aus dem Kloster geholt und ins Haftzentrum des Kreises Nedhong in der Präfektur Lhoka geschafft. Dort wurden sie während der Verhöre in grausamer und unmenschlicher Weise schwer geschlagen.

Der Mittlere Volksgerichtshof von Lhoka verurteilte sie zu unterschiedlich langen Haftstrafen. Einer von Lobsangs Freunden wurde zu 3 Jahren Haft und der Aberkennung seiner politischen Rechte für 1 Jahr verurteilt, zwei andere zu 3 ½ Jahren und ebenfalls zur einjährigen Aberkennung ihrer politischen Rechte. Da Lobsang als Anführer galt, wurde er zu 4 Jahren und Aberkennung seiner politischen Rechte für 1 ½ Jahre verurteilt.

Im Mai 1993 wurde Lobsang ins Drapchi-Gefängnis verlegt, das am nordöstlichen Stadtrand der tibetischen Hauptstadt Lhasa liegt. Als Teil eines Programms zur “Reformierung der Häftlinge” mußte er im Gemüsetreibhaus der Anstalt arbeiten und täglich auf dem Gefängnisgelände exerzieren.

Nach Verbüßung seiner Strafe wurde Lobsang am 17. November 1996 aus der Haft entlassen. Da ihm das Etikett “politischer Krimineller” anhing, war es ihm unmöglich, außerhalb der Haftanstalt ein normales Leben zu führen; zudem stand er unter der ständigen Beobachtung durch die Behörden. Lobsang konnte die nicht aufhörenden Schikanen und das Trauma, dem er selbst nach seiner Haftentlassung ausgesetzt war, nicht weiter ertragen und entschloß sich daher, im Februar 1997 ins Exil zu gehen. Auf seinem Weg dorthin mußte er mehrere hohe Himalaya-Pässe überwinden.

Nach seiner Ankunft in Dharamsala wurde er vom Dalai Lama zu einer Audienz empfangen. Nun im Exil, war es ihm möglich, seine Schulbildung zu vervollständigen: Er besuchte mehrere Jahre lang die Sherab-Gatsel-Schule (Transitschule für erwachsene Neuankömmlinge) in Dharamsala. 2000 konnte er dank der Unterstützung des Departements für Gesundheit der tibetischen Regierung-im-Exil und der Gu-Chu-Sum-Bewegung (Vereinigung ehemaliger tibetischer politischer Gefangener mit Sitz in Dharamsala) an der einjährigen Computerschulung teilnehmen, die für ehemalige politische Gefangene und ihre Angehörigen bereitgestellt wird. Nach dem erfolgreichen Abschluß dieses Kurses half ihm im Jahr 2001 das Departement für Gesundheit, ein Internetcafe aufzumachen, das er nun gemeinsam mit zwei Kollegen betreibt.      

Nonne nach Rückkehr aus dem Exil wegen Teilnahme an einem Friedensmarsch in Indien verhaftet

Eine Nonne, die nach Tibet zurückkehrte, als sie die Nachricht erhielt, daß ihre Mutter schwer erkrankt war, wurde an der nepalesisch-tibetischen Grenze festgenommen und später in ihrem Heimatkreis inhaftiert. Obwohl das chinesische Recht vorsieht, daß ein Verdächtiger entweder nach sechs Monaten Untersuchungshaft freigelassen oder vor Gericht gestellt werden muß, werden in der Praxis zahlreiche Tibeter mehr als ein Jahr ohne Gerichtsbescheid oder Prozeß festgehalten.

Das TCHRD sprach mit Tenzin Dhadon, der Nonne, die dieses Schicksal ereilte. Sie erzählte: “Mein Ordensname ist Tenzin Dhadon, mein Laienname Phurbu Dolma. Ich bin jetzt um die 30 Jahre alt. Ich wurde im Dorf Yamda im Kreis Toelung Dechen (chin. Dueling Deqing Xian / Doilungdeqen) im Bezirk Lhasa, TAR, geboren. Leider war es mir nicht möglich zur Schule zu gehen, denn seit meiner frühen Kindheit mußte ich auf dem Feld arbeiten. Wir waren eine große Familie mit einem begrenzten Einkommen, weshalb nicht jedes von uns Kindern die wünschenswerte Schulbildung erlangen konnte.

Im Alter von 13 Jahren wurde ich nach Lhasa geschickt, um meinem kranken Onkel beizustehen, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war, wo er lange Zeit schwer gefoltert wurde. Als ich 19 war, entschloß ich mich ins Exil zu gehen, um dort endlich eine Schule zu besuchen, denn in Tibet sah ich keine Zukunft mehr für mich. Über Solokhumbu (an Tibet grenzender nepalesischer Distrikt) erreichte ich schließlich Kathmandu, die Hauptstadt Nepals. Von dort aus wurde ich ans Tibetische Empfangszentrum für Flüchtlinge in Dharamsala weitergeschickt. Später begab ich mich nach Südindien, in die tibetische Siedlung Mundgod im Staat Karnataka, um ins Kloster Jangchub Choeling einzutreten. Die nächsten sechs Jahre ging ich dort buddhistischen Studien nach.

1994 nahm ich an einem Friedensmarsch von Dharamsala nach Delhi teil. Kurz danach erhielt ich einen dringenden Anruf von meinen Angehörigen aus Tibet, meine Mutter sei schwer erkrankt. Ich hatte keine andere Wahl als schnellstmöglich nach Tibet zurückzukehren. Ich beschloß, über Dram (nepalesisch-tibetische Grenzortschaft) zurückzureisen, wurde aber kurz nach Überquerung der Grenze von der chinesischen Grenzpolizei festgenommen und dem Public Security Bureau von Nyalam übergeben. Von dort schaffte man mich ins Haftzentrum Shigatse, wo ich während der folgenden drei Monate mehrmals verhört und dabei geschlagen und getreten wurde. Da sie keine belastenden Beweise hinsichtlich meiner Aktivitäten im Exil finden konnten, ließen sie mich schließlich wieder frei.

Knapp einen Monat nach meiner Ankunft in Lhasa erschienen jedoch nachts sechs PSB-Polizisten bei mir zu Hause, sie brachten mich in ihre Polizeistation und verhörten mich unter Gewaltanwendung. Inzwischen hatten sie mehr Informationen über mich gesammelt und hegten dringenden Verdacht gegen mich. Sie wollten wissen, weshalb ich nach Indien gegangen und dann wieder nach Tibet zurückgekehrt sei. Sie befahlen mir, falls ich belastendes Material bei mir hätte, es ihnen zu übergeben. Um mir ein Geständnis abzuringen, peitschten sie mich mehrmals mit einem Ledergürtel aus, der mit einer riesigen Schnalle versehen war; außerdem folterten sie mich wiederholt mit einem elektrischen Schlagstock.

Als ich ihnen erklärte, daß ich keine derartigen Unterlagen hätte und nur nach Indien gegangen sei, um dort meinen religiösen Studien nachzugehen, stellten sie mich wegen meiner Teilnahme am Friedensmarsch von Dharamsala nach Delhi zur Rede. Sie hatten sogar ein Photo, das während des Marsches aufgenommen wurde und auf dem ich deutlich zu erkennen war. Nun wollten sie wissen, warum ich im Ausland bei einer derart “abstoßenden” Sache mitgemacht hätte, und sie fingen wieder an, mich zu schlagen.

Auf der Basis dieses Beweisstücks inhaftierten sie mich etwa eineinhalb Jahre lang. Dann ließen sie mich frei, aber ich durfte nicht in Lhasa bleiben. So kehrte ich in mein Heimatdorf in Toelung Dechen zurück, wo ich die nächsten paar Jahre verbrachte. Es war eine schwere Zeit, weil ich keine Arbeit hatte. Da es in Tibet keine Freiheit für mich gab, entschloß ich mich, wieder nach Indien zu gehen, obwohl ich dabei mein Leben aufs Spiel setzen mußte.

Weil entlang der üblichen Fluchtroute überall Informanten und Polizisten patrouillieren, scheiterten fünf meiner Fluchtversuche, und ich mußte wieder in mein Dorf zurückkehren. Erst im Februar 2006 war ich erfolgreich und konnte über Solokhumbu nach Nepal fliehen. Im März 2006 erreichte ich Dharamsala in Indien.” 

Tibeter aus Pelwar und Sog setzen ihren Protest gegen den Abbau von Bodenschätzen fort

Seit geraumer Zeit bauen die Chinesen in den Distrikten Pelwar, Präfektur Chamdo, und Sog, Präfektur Nagchu, beide in der TAR, Bodenschätze ab. In letzter Zeit stießen diese Bergbauaktivitäten allerdings auf den Widerstand der einheimischen Bevölkerung, so daß es immer wieder zu Protesten kam. 2004 gab es in Sog einen massiven Zusammenstoß zwischen den Einwohnern und den Vertretern der Distriktverwaltung, welche den Abbau der Bodenschätze befürworten. Einige der protestierenden Tibeter wurden im Anschluß daran heftig geschlagen und ein paar auch ernstlich verletzt. Mehrere Einwohner, die man der Beteiligung an dem Protest bezichtigte, wurden sogar inhaftiert.

Dennoch ließ sich die Bevölkerung von den Einschüchterungsmaßnahmen der Regierung nicht entmutigen und protestierte weiter gegen den Bergbau, der die Ressourcen bereits empfindlich reduziert und der fragilen Umwelt in der Region irreparable Schäden zugefügt hat. Der die Umwelt gefährdende Abbaubetrieb hat das Leben der Einwohner in den betroffenen Gebieten schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Proteste und Initiativen der ortsansässigen Tibeter erfuhren mittlerweile weltweite Zustimmung. Die internationale Gemeinschaft hat sich wiederholt besorgt an die chinesische Regierung gewandt und um die Stillegung gebeten.  

Am 27. April 2003 legte die chinesische Verwaltung im Bergwald von Sarding im Distrikt Pelwar Feuer. Dieses geriet außer Kontrolle und hatte katastrophale Folgen für den Baumbestand und den natürlichen Lebensraum der Wildtiere. Da es mehrere Tage lang nicht eingedämmt werden konnte, entstanden den Einwohnern enorme Schäden.

Die Feuersbrunst tötete Vieh und Haustiere, sogar die Mutter einer Nomadenfamilie kam um, als das Feuer auf die nahegelegenen Weiler übergriff und die Einwohner der betroffenen Gegend in Angst und Schrecken versetzte. Darüber hinaus hat das Feuer ungeheure Verwüstungen angerichtet, der Lebensraum der Wildtiere und Vögel sowie das Rückzugsgebiet einiger seltener im tibetischen Hochland lebender Arten wurden zerstört. Viele Häuser in den betroffenen Weilern und Siedlungen wurden in Schutt und Asche gelegt, und die Menschen mußten alle Hoffnung auf eine Rückkehr zu ihrem bisherigen Leben aufgeben. Für die Bewohner der Gegend brachte das Feuer einen nicht wieder gutzumachenden Schaden und Zerstörungen mit sich, da es auch auf das Grasland und die Weiden übergriff und die Nahrungsgrundlage von Vieh und Mensch vernichtete. Das Futter- und Nahrungsangebot ging drastisch zurück, so daß die tibetischen Nomaden und Hirten nicht mehr wußten, wovon sie leben sollten.

Nach dem Wüten der von örtlichen Kadern verursachten Feuersbrunst appellierten die Opfer immer wieder an die Behörden und trugen ihnen ihre Beschwerden vor und verlangten angemessenen Schadensersatz für die erlittenen Verluste und Hilfe zur Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlage. Man gewährte ihnen jedoch nur eine armselige Entschädigung von 300 Yuan. Abgesehen von der schäbigen Summe erhielten die Betroffenen, selbst nachdem sie ihren angestammten Grund und Boden mit all ihrem Besitz verloren hatten, keinerlei Hilfsleistungen. In den folgenden Tagen sprachen die betroffenen Familien bei den Behörden weiter um eine angemessene Entschädigung vor, aber sie wurden jedes Mal mit leeren Händen weggeschickt. Als ob das nicht genug wäre, wurde den Antragstellern auch noch gedroht, man werde sie hart bestrafen und streng gegen sie vorgehen, falls sie weiterhin Schadensersatz forderten.

Wie berichtet wurde, verhielten sich die Behörden gleichgültig und unternahmen ein Jahr lang gar nichts, um den Opfern zu einer Entschädigung zu verhelfen. Aus purer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit suchten mehrere der Geschädigten Zuflucht bei anderen Familien des nahegelegenen Dorfes Dongting. Einige fanden bei Verwandten in Lhasa zeitweiligen Unterschlupf, wo sie als letzten Ausweg ihre Anliegen den dortigen höheren Instanzen vortragen wollten. Die Behörden in Lhasa nahmen Kontakt zu den Dienststellen in Chamdo auf, um zu klären, ob die von den Opfern vorgebrachten Klagen den Tatsachen entsprächen. Die Beamten aus Chamdo teilten ihren Vorgesetzten in Lhasa jedoch mit, das Feuer hätte keine so gravierenden Schäden verursacht, wie von den Familien angegeben wurde. Folglich wiesen die Behörden die Ansprüche der Geschädigten kategorisch zurück und stritten die Verluste an Vieh oder sonstigem Eigentum der Einwohner sowie die Umweltschäden und die Vernichtung von natürlichen Lebensräumen durch das Feuer ab.

Einige Zeit später tauchte eine Gruppe von Beamten aus Chamdo plötzlich bei den in Lhasa versammelten Antragstellern auf, um herauszufinden, wer die Beschwerde organisiert und die Petition an die vorgesetzten Behörden in Lhasa eingereicht hätte. Zudem drohten sie den Opfern massive Repressalien nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat an. Einige Tage danach wurde eine Expertenkommission in die Region geschickt, um die durch das Feuer verursachten Schäden zu untersuchen. Die Bewohner waren aber derart verängstigt, daß sich keiner von ihnen traute, die Wahrheit zu sagen und den Beamten das genaue Ausmaß der Verwüstung zu schildern. Vollkommen fassungslos mußten sie erleben, wie die örtlichen Behörden, statt ihnen Hilfe und Schadensersatz zukommen zu lassen, chinesische Arbeiter anreisen ließen, um auch noch jene Bäume, die von der Feuersbrunst verschont geblieben waren, abzuholzen. Einem Augenzeugen zufolge beobachteten einige Einwohner ein paar örtliche Beamte dabei, wie sie selbst Bäume fällten und das Holz für ihren eigenen Haushalt und Privatgebrauch abtransportierten.

Auch in der Gegend von Serdong in Chamdo protestierten die Einwohner in ähnlicher Weise gegen Behördenvertreter und Bergbauunternehmen und verlangten, daß das in dieser Gegend florierende Geschäft mit dem Abbau von Gold eingestellt werde. Als Erwiderung auf die Proteste gaben die Behörden der Region Chamdo eine strenge Warnung heraus und setzten die Aktion mit konterrevolutionären Verbrechen gleich, welche dem chinesischen Gesetz zufolge als die übelsten Straftaten überhaupt gelten und mit Härte bestraft werden. In der knapp gehaltenen Verlautbarung hieß es: “Wir hoffen, daß ihr mit eurem Protest nicht die alte tibetische Feudalgesellschaft wiederherstellen und die Einheit und staatliche Integrität der VR China verletzen wolltet. Abgesehen davon ist es euch nicht gestattet, gegen den Goldabbau zu protestieren.”

Unterdessen wandten sich die Opfer und Geschädigten unter der Leitung eines Sprechers an eine Reihe von höheren Instanzen, wie die Regierung der TAR, die zuständigen Gerichtshöfe und Regionalbüros, und reichten dort ihre Petitionen ein. Die Verwaltung von Chamdo wurde daraufhin von der Provinzregierung in Lhasa angewiesen, den Goldabbau sowie die Abholzung für drei Monate einzustellen. Die Lokalbehörden ignorierten diese Anweisung ihrer vorgesetzten Regierungsstellen jedoch und fuhren mit dem Goldabbau und der Abholzung fort mit der Begründung, es handle sich hierbei um die einzigen Einkommensquellen für sie und die Bevölkerung. Ferner versicherten sie, es würden angemessene Maßnahmen ergriffen, damit es künftig zu keinen derartigen Vorfällen mehr komme. Sie behaupteten auch, der Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen solle in Zukunft absolute Priorität genießen. Sie brachten die Hoffnung zum Ausdruck, die Provinzregierung werde künftig keine Einstellung des Abbaus von Bodenschätzen oder des Holzeinschlags mehr anordnen, weil solch eine Maßnahme weder der Regierung noch der Entwicklung der Bevölkerung diene. Man hoffe, die Provinzregierung werde die örtliche Verwaltung selbst dann unterstützen, wenn wegen des Goldabbaus und der Abholzung Kritik von der internationalen Gemeinschaft käme und Druck ausgeübt werde.        

Tibeter inhaftiert, weil sie Verbot von Pelzkleidung forderten

Wie der in den USA ansässige Sender Radio Free Asia am 22. Februar 2006 berichtete, wurden in der Provinz Sichuan acht Tibeter verhaftet, weil sie gefordert hatten, daß ein Verbot von aus Tierfellen hergestellter Kleidung erlassen werden sollte. Die betroffenen jungen Tibeter wurden jeweils zu viert in eine Zelle gesteckt und streng verhört, jedoch nicht körperlich mißhandelt. Die Behörden argwöhnen, daß die Jugendlichen zu ihrer Initiative vom Dalai Lama verleitetet worden seien, denn dieser hatte die in Tibet lebenden Tibeter dazu aufgefordert, künftig auf die Verwendung von Fellen wilder Tiere zu ihrer Kleidung zu verzichten. Die Chinesen betrachten den Aufruf des Dalai Lama zum Schutz gefährdeter Wildtierarten als Speerspitze einer politischen Kampagne, obwohl dieser sich ausschließlich auf den Umweltschutz bezieht, denn Kleidung aus Tierfellen wird in Tibet häufig getragen.

Human Rights Watch besorgt um die seit dem Schlachthausbrand von 2005 inhaftierten Tibeter

Die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlichte am 30. März 2005 einen Aufruf, in dem sie erklärte, die Behörden der Provinz Sichuan müßten unabhängigen Medizinern und Menschenrechtsbeobachtern Zugang zu den fünf in Haft befindlichen Tibetern gewähren, damit diese gesundheitlich untersucht werden könnten.

HRW forderte die Behörden ferner zur Klärung des rechtlichen Status der Verhafteten auf, die seit dem Schlachthausbrand vom August 2005 in Kardze im Gefängnis sitzen. Während der ganzen Zeit wurde weder Angehörigen noch Anwälten gestattet, sie im Haftzentrum zu besuchen.

Nachdem einer der ursprünglich sechs inhaftierten Tibeter in der Haft erblindete, weil er keine medizinische Versorgung erhielt, ist HRW besorgt über das Schicksal und den Gesundheitszustand der verbliebenen fünf Gefangenen.

„Es ist höchste Zeit, daß die chinesische Regierung offenlegt, was mit diesen fünf Männern passiert ist und welche Anklagen gegen sie vorliegen“, sagte Brad Adams, der Asiendirektor von HRW und forderte, unabhängige Ärzte und Rechtsanwälte müßten eine Besuchserlaubnis erhalten, damit sie sich ein Bild vom Zustand der Gefangenen machen können.