November 2005
Human Rights Update
November 2005

Inhalt


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  1. Festnahme von Mönchen und schweigender Protest im Kloster Drepung
  2. Neues Gefängnis im Kreis Chushul im August in Betrieb genommen
  3. Lobsang Tenzin wurde in ein neues Gefängnis verlegt
  4. Verhaftung und Inhaftierung von tibetischen Flüchtlingen
  5. Nepalesische Polizei verhaftet 18 Tibeter
  6. Nach Aussage des UN Folter-Ermittlers ist Folter in China weit verbreitet
  7. Aussage eines ehemaligen politischen Gefangenen

Teil 1

Festnahme von Mönchen und schweigender Protest im Kloster Drepung

Wie das TCHRD erfuhr, herrschen im Kloster Drepung bei Tibets Hauptstadt Lhasa nach einer Anordnung der Behörden der Autonomen Region Tibet (TAR), gegenüber den sich schweigend im Sitzstreik befindenden Mönchen hart durchzugreifen, massive Einschränkungen des Klosterlebens. Die Lage sei angespannt und das Kloster befinde sich unter strenger Kontrolle durch die chinesischen Behörden.

Seit der ersten Oktoberwoche 2005 führen "Arbeitsteam-Kader" wieder die patriotische Umerziehung in dem Kloster durch. Im Verlauf der Kampagne wurde den Mönchen am 23. November befohlen, ein Dokument zu unterzeichnen, in dem sie den Dalai Lama als "Separatisten" denunzieren und Tibet als Teil von China anerkennen und damit der chinesischen Regierung gegenüber Loyalität geloben sollten. Die Mönche gaben zu verstehen, daß sie mit dieser Anordnung nicht einverstanden seien, und weigerten sich, das Dokument zu unterschreiben. Fünf Mönche leisteten besonders heftigen Widerstand gegen das Dokument und die Kader. Sie wurden auf der Stelle des Klosters verwiesen und den Haftzentren des Public Security Bureau in ihren jeweiligen Herkunftsorten übergeben.

Diese sind: Ngawang Namdrol aus der Gemeinde Tsotod, Kreis Phenpo Lundrup, Bezirk Lhasa, Ngawang Nyingpo aus der Gemeinde Khartse, Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, Ngawang Thupten, alias Shogbu Metok, aus der Altstadt Lhasa, Ngawang Phelgey aus dem Kreis Rinpung, Präfektur Shigatse, und Phuntsok Thupwang aus dem Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka.

Auf die Festnahmen am 25. November hin führten über 400 Mönche in dem vorderen Hof des Klosters Drepung einen friedlichen Solidaritätsprotest durch, indem sie einfach schweigend dasaßen. Sie weigerten sich den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und den Dalai Lama zu beschimpfen und Tibet als einen Teil Chinas zu akzeptieren. Sie verlangten auch die Freilassung der fünf festgenommenen Mönche, oder falls dies nicht geschehe, daß man sie ebenfalls des Klosters verweise. Die Regierung der TAR, die eine Ausweitung des Protests befürchtete, gab Befehl, gewaltsam gegen die Mönche vorzugehen. Ein riesiges Kontingent von Soldaten, bewaffneten Volkspolizisten und Kräften des Public Security Bureau traf im Kloster ein und schlug den Protest nieder. Dabei wurden die widerstrebenden Mönche schwer geschlagen. Der friedliche Protest fand ein schnelles Ende, und die Mönche wurden in ihre Unterkünfte zurückgetrieben.

Nach dieser Razzia wurden dem Kloster schwere Einschränkungen auferlegt, seit dem 25. November darf niemand mehr das Gelände betreten noch verlassen. Die Sicherheitskräfte bewachen nun das Kloster und die Aktivitäten der Mönche rund um die Uhr genauestens. Außer der Festnahme der fünf Mönche befürchtet das TCHRD, daß es während des gewaltsamen Einschreitens der Behörden und danach noch viele weitere Festnahmen gegeben haben könnte. Das TCHRD wird die Lage weiter beobachten.

In den letzten Monaten ist allgemein eine verschärfte Unterdrückung der Religion in Tibet festzustellen. Der Argwohn der Regierung in Peking, daß der tibetische Buddhismus und der tibetische Nationalismus in enger Verbindung miteinander stehen könnten, findet deutlichen Ausdruck in ihrem Vorgehen, die Religion durch die Intensivierung der "patriotischen Umerziehungskampagne", durch Festnahmen, Folter und Inhaftierung stärker zu kontrollieren. Im Zuge dieser Kampagne wurde in diesem Jahr immer wieder über Verhaftungen und Ausweisungen von Geistlichen aus den verschiedenen Klöstern Tibets berichtet. Mindestens ein Todesfall geht auf diese Kampagne zurück. Ein junger tibetischer Mönch, Ngawang Jangchub, 28, starb in der ersten Oktoberwoche unter mysteriösen Umständen auf eine "Umerziehungssitzung" im Kloster Drepung hin.

Bei dem jetzigen gewaltlosen Massenprotest der Mönche des Klosters Drepung in Lhasa handelt es sich vielleicht um den größten seit einem Jahrzehnt – trotz des Klimas schwerster Restriktion und Repression im dem von China besetzten Tibet.

Den Mönchen des Klosters Drepung, insbesondere den fünf verhafteten, widerfuhr schweres Leid, nur weil sie ihre grundlegenden Menschenrechte auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit wahrnahmen. Die Durchführung der "patriotischen Umerziehung" durch die chinesische Regierung, sowie ihr hartes Vorgehen gegen den friedlichen Protest im Kloster Drepung am 25. November von 10 Uhr morgens bis 7 Uhr abends stellen einen Verstoß gegen die Art. 18, 19 und 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dar. Diesen zufolge hat jedermann das Recht auf "Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit", auf "freie Meinung und Meinungsäußerung", sowie auf "das Recht der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken".

Die gewaltsame Auflösung des friedlichen Protests der Mönche erfolgte einige Tage später, nachdem der chinesische Präsident Hu Jintao während des Chinabesuchs von Präsident George W. Bush vom 19. bis 21. November diesem zugesichert hatte, daß die Menschenrechtslage verbessert werde. Solche Zusagen erscheinen jetzt als leere Versprechungen angesichts der harten restriktiven Maßnahmen, die in einem der berühmtesten religiösen Zentren in Tibet durchgeführt wurden.

Das TCHRD bittet Manfred Nowak, den UN-Sonderberichterstatter für Folter, der derzeit in offizieller Mission in China und Tibet weilt (vom 21. November bis 2. Dezember), den Fall der fünf festgenommenen Mönche zur Sprache zu bringen, da sie mit großer Wahrscheinlichkeit in den Haftzentren des Public Security Bureau gefoltert werden.

Teil 2

Neues Gefängnis im Kreis Chushul im August in Betrieb genommen

Eine kürzlich im Exil eingetroffene Nonne aus dem Kloster Chubsang erzählte dem TCHRD von einem weiteren Gefängnis, das in dem an Lhasa grenzenden Kreis Chushul gebaut wurde. Um die Nonne, die anonym bleiben möchte, zu zitieren: "Das neue Gefängnis befindet sich neben dem Dolmalhakhang Tempel in der Gemeinde Nyethang, Kreis Chushul, TAR. Vor etwa drei Jahren wurde mit dem Bau begonnen, und der erste Schub von 35 Häftlingen aus Drapchi traf im August dort ein".

Sie sagte ferner, den 30 Mönchen des Dolmalhakhang Tempels sei es gar nicht wohl wegen der unmittelbaren Nähe des Gefängnisses zu ihrem Kloster, denn es werden dort sowohl politische als auch kriminelle Häftlinge untergebracht: "Ich weiß von zwei Gefangenen in diesem Gefängnis, beide ehemalige Mönche aus dem Kloster Gaden im Bezirk Lhasa, Jampa Pesang (28) und Bagdro, die von Drapchi dorthin verlegt wurden. Jampa wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt, nachdem er sich während der 1999 in dem Kloster durchgeführten Kampagne für "patriotische Erziehung" geweigert hatte, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Die ersten neun Jahre seiner Strafe verbüßte er in Drapchi, bevor er im August 2005 mit der ersten Häftlingsgruppe in das neue Gefängnis verlegt wurde".

Die neue Strafanstalt, die von den Tibetern wegen ihrer Lage in der gleichnamigen Gemeinde "Nyethang-Gefängnis" genannt wird, ist ungefähr eine halbe Autostunde von Lhasa entfernt.

Teil 3

Lobsang Tenzin wurde in ein neues Gefängnis verlegt

Lobsang Tenzin ist ein ehemaliger Student der Tibet Universität und befindet sich seit 17 Jahren in Haft. Er wurde 1988 wegen der Teilnahme an einer Unabhängigkeitsdemonstration verhaftet und fälschlicherweise wegen der Tötung eines chinesischen Polizisten vor Gericht gestellt. Lobsang, der den Großteil seiner Strafe im Powo Tramo Gefängnis verbüßte, wurde kürzlich dem Vernehmen nach in das neuerbaute Gefängnis im Distrikt Chusul in der Nähe der tibetischen Hauptstadt Lhasa verlegt. Dort sind sowohl politische als auch Strafgefangene inhaftiert. Mit ihm zusammen wurden zwei weitere tibetische politische Gefangene dorthin verlegt. Lobsangs seelischer und körperlicher Gesundheitszustand soll sich während seiner Haft in Powo Tramo in besorgniserregender Weise verschlechtert haben. Es heißt, er leide an Depressionen, seit er vom Tod seiner Schwester erfuhr, die an Herzversagen starb.

Der heute 40-jährige Lobsang Tenzin wurde im Dranak Shol-Viertel von Lhasa geboren. Nachdem er die höhere Schule erfolgreich durchlaufen hatte, wurde er 1987 zu der renommierten Tibet Universität zugelassen. Am 27. September 1987 kam es zu gewaltfreien, von Mönchen aus Drepung angeführten Demonstrationen für die Unabhängigkeit Tibets, die zum Auslöser einer Reihe ähnlicher Protestkundgebungen in den späten 80er und frühen 90er Jahren wurden. Lobsang nahm 1988 an den Protestaktionen in Lhasa aktiven Anteil und wurde festgenommen, weil er angeblich einen chinesischen Polizisten getötet haben soll, der in Wirklichkeit jedoch zufällig während der Demonstrationen ums Leben kam. In einem Schnellverfahren wurde er mit einem Aufschub von zwei Jahren zum Tode verurteilt. Auf Grund massiver internationaler Kampagnen für seine Freilassung wurde die Todesstrafe 1991 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Drei Jahre später, 1994, wurde sie auf 18 Jahre reduziert. Lobsang hat mittlerweile 17 Jahre seiner Strafe verbüßt.

Während seiner anfänglichen Inhaftierung in Drapchi engagierte er sich des öfteren politisch, weshalb das Wachpersonal ihn in Fußfesseln legte und schwer schlug. Er wurde ein Jahr lang in Einzelhaft gehalten. Wegen seiner tapferen patriotischen Gesinnung, die er selbst im Gefängnis unter Beweis stellte, stand er bei den anderen tibetischen politischen Gefangnen stets in hohem Ansehen. Später wurde Lobsang nach Powo Tramo verlegt, wo er seine Haft weiter verbüßte. Auf Grund der wiederholten Mißhandlungen und Folter, die er im Gefängnis erdulden mußte, soll er inzwischen bei sehr schlechter Gesundheit sein.

Teil 4

Verhaftung und Inhaftierung von tibetischen Flüchtlingen

Jedes Jahr durchqueren Hunderte von tibetischen Flüchtlingen das Königreich Nepal auf ihrem Weg ins indische Asyl; sie müssen unsägliche Mühsal ertragen, bevor sie schließlich in die Freiheit gelangen. In den letzten Jahren stellten die vielfältigen mit der Reise über den Himalaya verbundenen Strapazen und Gefahren wie Lawinen, Gletscherspalten, Schneeblindheit, Verdursten, Verhungern usw. aber nicht das größte Problem für die Flüchtlinge dar, sondern das Transitland Nepal.

Nepal gehört zwar nicht zu den Unterzeichnern der Flüchtlingskonvention von 1951, doch in seiner Eigenschaft als Mitglied der Vereinten Nationen ist es dennoch an zwei Haupt-Menschenrechtsgrundsätze gebunden, die nicht nur in der Flüchtlingskonvention, sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind: das Recht auf Asyl und das Recht auf Nicht-Zurückweisung. Trotzdem haben Verhaftung und Abschiebung durch die nepalesischen Behörden in der letzten Zeit sehr zugenommen, was auf den unablässigen Druck Chinas zurückzuführen ist.

Das TCHRD erfuhr im November 2005 von der Festnahme von drei Gruppen tibetischer Flüchtlinge: zwei wurden von der nepalesischen Polizei und eine von chinesischen Sicherheitskräften festgenommen. Im Distrikt Tingri (chin. Dingri), Präfektur Shigatse, TAR, verhaftete die chinesische Polizei Anfang Oktober 14 Tibeter aus der Provinz Qinghai. Offenbar waren gleichzeitig zwei Gruppen mit 14 und acht Personen von der tibetischen Hauptstadt Lhasa aus aufgebrochen. Die kleinere Gruppe schaffte es nach Kathmandu ins Tibetan Refugee Reception Centre (Empfangszentrum für tibetische Flüchtlinge), während die größere 23 Tage nach ihrem Aufbruch in Tingri verhaftet wurde. Bei den meisten der Festgenommenen soll es sich um Mönche handeln, der älteste ist 37 Jahre alt.

Das UNHCR hat die Freilassung von 42 Tibetern aus dem Gewahrsam der nepalesischen Einwanderungsbehörde erwirkt. Die Tibeter, die per Bus nach Indien reisen wollten, wurden am 16. November in Halchowk in Kathmandu bei einer Routinekontrolle von der nepalesischen Polizei festgenommen. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) intervenierte und konnte ihre Freilassung erreichen.

Teil 5

Nepalesische Polizei verhaftet 18 Tibeter

Am 27. November 2005 wurden im Distrikt Bara, der an das Kathmandu-Tal grenzt, 18 Tibeter verhaftet, die über den Nangpala-Paß nach Solokhumbu in Nepal gekommen waren. Am darauffolgenden Tag wurden die nunmehr im Gewahrsam der nepalesischen Einwanderungsbehörde befindlichen Tibeter zu 11 Monaten Haft oder einer Geldstrafe von 8.500 nepalesischen Rupien pro Kopf verurteilt. (Einer Information von Radio Free Asia vom 14. Dezember zufolge haben die Behörden diese 18 und noch vier bereits vorher verhaftete Tibeter freigelassen, nachdem Exiltibeter ihre Geldstrafen bezahlt hatten.)

Im Winter schwillt der Strom der Flüchtlinge aus Tibet auf Grund bestimmter Faktoren gewöhnlich an. Sie machen sich trotz der schweren Schneefälle und Schneestürme im Himalaya auf den Weg), weil die Wachsamkeit der Grenzpolizei bei dieser extremen Wetterlage nachzulassen pflegt. Bei besonderen Anlässen in Indien wie den im Januar 2006 bevorstehenden Kalachakra-Belehrungen werden die Grenzschutzkräfte auf beiden Seiten des Himalayas in Alarmbereitschaft versetzt.

Es gibt zwar eine generelle Übereinkunft zwischen der nepalesischen Regierung und dem UNHCR, die gewöhnlich als "Gentlemen Agreement" bezeichnet wird und die besagt, daß tibetische Flüchtlinge dem UNHCR übergeben werden sollen, aber die nepalesische Regierung hat diese Vereinbarung in den vergangenen Jahren häufig gebrochen und die Flüchtlinge entweder inhaftiert oder sogar nach Tibet zurück geschickt.

Ungeachtet der enormen Gefahren nehmen viele Tibeter weiterhin die beschwerliche Reise über den Himalaya auf sich und riskieren es, in Nepal ins Gefängnis geworfen zu werden, nur damit sie in Indien eine Ausbildung machen können oder vom Dalai Lama gesegnet werden.

Teil 6

Nach Aussage des UN Folter-Ermittlers ist Folter in China weit verbreitet

Nach Abschluß seiner 12-tägigen Ermittlungen in China und Tibet erklärte der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, bei einer Pressekonferenz in Genf, daß in China und Tibet Folter immer noch weit verbreitet sei.

Dieser Besuch erfolgte nach zehn Jahren wiederholter Bitten und Appelle der verschiedensten Menschenrechtsorganisationen an China, endlich den Besuch eines Experten zur Untersuchung der Vorwürfe, daß in China massiv gefoltert würde, zuzulassen. Um Nowak zu zitieren: "Obwohl die Anwendung von Folter besonders in städtischen Gebieten etwas zurückging, ist sie dennoch in ganz China weit verbreitet".

Er beanstandete auch die ständige Überwachung durch chinesische Sicherheitsbeamte während seiner Mission und die Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt wurden: "Der Sonderberichterstatter muß leider auch erwähnen, daß während seines gesamten Besuchs Mitarbeiter einiger staatlicher Organe, besonders des Ministeriums für Staatssicherheit und Öffentliche Sicherheit, immer wieder versuchten, seine Bemühungen zur Feststellung der Tatsachen zu behindern oder einzuschränken. Der Sonderberichterstatter und seine Begleiter wurden häufig von Geheimdienstagenten verfolgt, bereits schon in ihrem Hotel in Peking und in dessen Umgebung. Im Hinblick auf den Besuch wurde eine Reihe von Folteropfern und deren Familienangehörige von den Sicherheitsleuten eingeschüchtert, in Polizeigewahrsam genommen, es wurde ihnen verboten, den Sonderberichterstatter zu treffen oder sie wurden physisch daran gehindert, dies zu tun", heißt es in einer am 2. Dezember herausgegebenen Presseerklärung.

In Tibet besuchte Manfred Nowak das Lhasa Gefängnis, das Drapchi Gefängnis und die im Kreis Chushul neu eingerichtete Haftanstalt. Einzelheiten über den Besuch der Gefängnisse in Tibet werden bei der 62. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im Frühjahr 2006 bekannt gegeben werden.

Der Sonderberichterstatter sagte, Folterpraktiken seien in China gang und gäbe wegen des Druckes, unter dem die Polizeibeamten allgemein stünden, Geständnisse als Beweismaterial beizubringen. Außer der physischen Folter greifen die Beamten auch zu psychischer Folter, um die Persönlichkeit eines Häftlings zu brechen.

Obwohl China zu den ersten Staaten gehört, welche 1988 die UN-Konvention gegen Folter (CAT) ratifizierten, "entspricht die chinesische Definition von Folter nicht ganz den im CAT niederlegten internationalen Normen", fügte Nowak hinzu. "Viel muß noch getan werden, vor allem strukturelle Reformen sind dringend erforderlich". Um die Folter unter Kontrolle zu bringen, müßten größere Veränderungen am Rechtssystem vorgenommen werden, so daß die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet wird.

Zum Schluß der Presseerklärung sprach der Sonderberichterstatter folgende Empfehlungen an die Regierung der VR China aus:

• Das Strafrecht sollte reformiert werden, indem das Verbrechen der Folter gemäß der im CAT enthaltenen Definition (Art. 1) mit den angemessenen Strafen aufgenommen wird.

• Es sollte gewährleistet werden, daß die Reform der Strafprozeßordnung den im ICCPR niedergelegten Vorschriften für ein faires Gerichtsverfahren entspricht, wozu auch Folgendes zu gehören hat: Das Aussageverweigerungs- und das Zeugnisverweigerungsrecht, das Recht, Zeugen einem Kreuzverhör zu unterziehen, und der Ausschluß von Beweismaterial, das sich auf durch Folter erzwungene Aussagen stützt.

• Das Strafrecht sollte dahingehend reformiert werden, daß gewisse Funktionen von der Staatsanwaltschaft (Prokuratur) auf die Gerichte übertragen werden, z.B. die Ausstellung eines Haftbefehls und der Befehl zur Überwachung von Personen durch die Polizei.

• Die Rechtsanwälte, besonders Strafverteidiger, sollten bessere Voraussetzungen zur Vertretung der Rechte und Interessen ihrer Mandanten bekommen, etwa dadurch, daß sie bereits in den Anfangsstadien des polizeilichen Gewahrsams und der dem Prozeß vorausgehenden Untersuchungshaft hinzugezogen werden.

• Der Abschnitt 306 des Strafgesetzes sollte abgeschafft werden, gemäß dem jeder Rechtsanwalt, der einem Mandanten rät, ein erzwungenes Geständnis zurückzuweisen, riskiert, selbst Opfer der Strafverfolgung zu werden.

• Maßnahmen zur Verbesserung der der Professionalität, Effizienz, Transparenz und Fairneß im gerichtlichen Verfahren, der Anhebung des Status von Richtern und Gerichten im chinesischen Rechtssystem und der Wahrung ihrer Unabhängigkeit sollten ergriffen werden.

• Die Zahl der Untersuchungshäftlinge sollte durch die Schaffung eines größeren Spielraums für Sicherheitsleistungen und ähnliche Maßnahmen zur Abwendung der Untersuchungshaft verringert werden.

• Es sollte ein unabhängiger Beschwerdeweg für Häftlinge eingerichtet werden, die Folter und Mißhandlung ausgesetzt sind.

• Das Recht von Einzelpersonen auf die Einreichung von Petitionen an das Komitee gegen Folter sollte ermöglicht werden und dieses Komitee ermächtigt, Untersuchungen gemäß den Art. 20 und 2 einzuleiten.

• Anklagekategorien mit ungenauen und dehnbaren Definitionen, die dem Ermessen und der Willkür der Vollzugs- und Strafverfolgungsorgane großen Spielraum lassen, wie etwa "Gefährdung der Staatssicherheit", "Störung der sozialen Ordnung", "Untergrabung der öffentlichen Ordnung" usw. sollten gestrichen werden.

• Das System der Umerziehung-durch-Arbeit und ähnliche Formen der Zwangs-Umerziehung von Häftlingen in Gefängnissen und Untersuchungshaftzentren, sowie in der Polizeipsychiatrie sollten abgeschafft werden.

• Die Haftbedingungen im Todestrakt sind zu verbessern, damit diese dem Recht der Häftlinge auf eine menschliche Behandlung entsprechen.

• Der Anwendungsbereich der Todesstrafe sollte durch ihre Streichung für wirtschaftliche und gewaltlose Delikte eingeschränkt werden.

• Die geplante Wiedereinführung der Pflicht für den Obersten Gerichtshof, alle Todesurteile zur Revision zuzulassen, sollte genutzt werden, um landesweit Statistiken über die Anwendung der Todesstrafe zu erstellen und zu veröffentlichen. Es sollte eine nationale Menschenrechtsinstitution gegründet werden gemäß den Pariser Grundsätzen. Die UN Menschenrechtskommission und die Generalversammlung billigten eine Reihe von Richtlinien über die Rolle, Zusammensetzung, den Status und die Funktion von nationalen Menschenrechtsinstitutionen, die allgemein als die Pariser Grundsätze bekannt wurden – Menschenrechtskommission, Resolution 1992/54 vom März 1992 und Generalversammlung, Resolution A/RES//48/134 vom 20. Dezember 1993, einschließlich der Ermächtigung, an allen Orten der Inhaftierung unangemeldet Besuche vornehmen zu können.

• Die Ratifizierung des Fakultativ-Protokolls zur UN-Konvention gegen Folter.

• Die Ratifizierung des UN-Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte.

• Das Menschenrechts-Hochkommissariat sollte durch Programme zur technischen Zusammenarbeit im Rahmen der kürzlich von der Hochkommissarin für Menschenrechte und der chinesischen Regierung unterzeichneten gemeinsamen Absichtserklärung die oben genannten Punkte unterstützen.

Teil 7

Aussage eines ehemaligen politischen Gefangenen

Am 14. November 2005 traf der ehemalige politische Gefangene Tsering Gyurmey, der drei Jahre Gefängnis hinter sich hat, im Empfangszentrum für tibetische Flüchtlinge in Kathmandu ein.

Tsering Gyurmey, 32, kommt aus dem Dorf Nga-shed, Gemeinde Kha-go, Distrikt Kardze, TAP Kardze. Nach seiner Ankunft in Nepal berichtete er dem TCHRD: "Anfang 1990 gingen mein Onkel und ich auf Pilgerfahrt nach Indien. Mein Onkel kehrte nach Tibet zurück, aber ich blieb in Indien und trat ins südindische Kloster Sera ein. Nach einigen Jahren dort beschloß auch ich, nach Tibet zurückkehren. Als ich mich im Juli 1999 auf den Weg machte, nahm ich einige Musikkassetten von tibetischen, im indischen Exil lebenden Künstlern mit.

Als ich am 14. November 2001 in Lhasa weilte, besuchte ich dort eine Nangma-Bar namens Tashi Lukar Nangma (in den Nangma-Bars, die in Lhasa sehr populär sind, wird traditionelle tibetische Musik gespielt). Ich übergab dem Besitzer eine Kassette, die auch ein Lied enthielt, das Pawo Thupten Ngodup, dem tibetischen Märtyrer im Exil gewidmet ist. Der Besitzer spielte die Kassette ab, ohne ihren Inhalt zu kennen. Zusammen mit meinen drei Freunden Jampa Dorjee, 23, Jampa Wangchen, 24, und Rinchen, 29, aus Kardze, ging ich am nächsten Tag wieder in die Nangma-Bar. Gegen 2.00 h morgens kamen drei Fahrzeuge des PSB, und wir vier wurden auf der Stelle verhaftet. Vier Tage lang hielten sie uns in der örtlichen Polizeistation fest und verhörten uns sehr intensiv und lange. Sie wollten wissen, woher wir die Kassette hätten usw. Weil meine Freunde nichts mit dieser Sache zu tun hatten, wurden sie bald freigelassen.

Am 19. Februar kam ich ins Gutsa-Haftzentrum, wo ich während der folgenden Monate immer wieder verhört wurde. Am 24. August 2001 verurteilte mich der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa zu drei Jahren Haft. Am 21. September 2001 wurde ich nach Drapchi verlegt, um dort meine Strafe zu verbüßen. Anfangs war ich in der Einheit Nr. 8 inhaftiert, später kam ich in die Einheit Nr. 7. Während meiner gesamten Haftzeit war ich bis auf die paar Minuten Toilettenpause morgens und abends ständig in meiner Zelle eingesperrt.

Am 18. Februar 2004 wurde ich aus Drapchi entlassen. Dem Urteil gemäß wurden mir danach meine politischen Rechte für einen Zeitraum von einem Jahr entzogen, der am 17. Februar 2005 endete."

Tsering Gyurmey floh aus Tibet, weil er die ständige Überwachung und die wiederholten Schikanen der Polizei nicht mehr ertragen konnte.