Human Rights Update

Dezember 2002

Inhalt
  1. Drei weitere Tibeter in Nepal verhaftet
  2. Informationen über die anderen derzeit in Nepal inhaftierten Tibeter
  3. Appellbrief eines Gefangenen aus dem Bhadra Gefängnis in Nepal
  4. Streit über Wiederaufbau im Serthar Institut
  5. Neun Jahre Haft wegen Auslösung eines Gefängnis-Protestes
  6. Ein Folteropfer entkommt nach fünf Jahren Gefängnis ins Exil
  7. Mönch entgeht der Festnahme wegen Vorführung eines Dalai Lama Videos

Teil 1

Drei weitere Tibeter in Nepal verhaftet

Zuverlässigen Informationen aus Kathmandu zufolge nahm die nepalesische Grenzpolizei drei Tibeter - einen Erwachsenen und zwei Jugendliche - aus Amdo Labrang in der Provinz Gansu fest: Tashi (30), Samdup (15) und das Mädchen Yanglha Tso (15).

Die drei waren mit Hilfe eines tong xin zhang Reisedokuments zu der südlichen Grenze Tibets nach Dram gereist. In der ersten Dezemberwoche heuerten sie für 2.000 Yuan pro Person einen nepalesischen guide an und brachen in Richtung Nepal auf. An der Grenze ließ sie der guide, nachdem er sich all ihrer Habe bemächtigt hatte, jedoch im Stich.

Als sie ihren Weg alleine fortsetzten, wurden sie am 13. Dezember von der nepalesischen Grenzpolizei an dem Checkpoint Barabise angehalten. Nach zwei Stunden gelang es ihnen auszureißen und mit einem Bus nach Kathmandu zu fahren. Dort mieteten sie ein Taxi nach Boudhanath, aber als sie ausstiegen, wurden sie von zwei Leuten in Zivil angehalten. Diese sagten etwas, was sie nicht verstanden. Da sie kein Wort Nepali sprachen, wurden sie zu der Polizeistation in Boudhanath gebracht.

Als die Mitarbeiter des Tibetan Reception Centre (TRC) von dem Vorfall erfuhren, baten sie sofort das UNHCR (United Nations High Commission for Refugees) um Intervention. Da Wochenende war, konnte drei Tage lang nichts geschehen. Am 16. Dezember überstellte die Polizei von Boudhanath die drei der nepalesischen Einwanderungsbehörde. Der Fall wurde wieder dem UNHCR vorgetragen, das die Freilassung der Tibeter erwirken sollte, noch ehe Anklage gegen sie erhoben würde. Normalerweise werden neu eingetroffene Flüchtlinge, die vom Immigration Department in Gewahrsam genommen wurden, auf Intervention des UNHCR hin schnell freigelassen. Das war diesmal jedoch nicht der Fall.

Am 17. Dezember machte das Immigration Department eine gerichtliche Anordnung, in der verfügt wurde, daß die drei inhaftiert bleiben, bis die Ermittlungen abgeschlossen seien: "Gemäß Artikel 2049 des Einwanderungsgesetzes, Absatz 8(2) wurde am 17. Dezember 2002 ihre Haft nach Art. 2059/9/2 und den Bestimmungen über die Haftzeit, wie es nach Art. 121 der Rule of Judicial Proceeding (der Zivilprozessordnung) das Gesetz vorsieht, verlängert." Am selben Tag wurden Tashi und Samdup in das Dilli Bazaar Jail und Yanglha Tso in das Zentralgefängnis von Kathmandu verlegt.

Teil 2

Informationen über die anderen derzeit in Nepal inhaftierten Tibeter

Im August 2001 wurden 12 Tibeter in Nepal festgenommen, weil sie nicht die notwendigen Dokumente besaßen, um in dieses Land einzureisen oder sich darin aufzuhalten. Sie können nun für die horrende Summe von 1.600 und 2.700 USD ihre Freiheit erkaufen. Bisher kamen drei Frauen, die ernstlich erkrankt waren, frei, nachdem eine Gruppe aus dem Westen das Lösegeld für sie bezahlt hatte.

Gegenwärtig befinden sich im Dilli Bazaar Jail in Kathmandu:

  • Sonam Lama - 26 Jahre
  • Sechya Lama - 24 Jahre
  • Choeney Dorjee - 34 Jahre
  • Palden Gyatso - 32 Jahre

Sonam und Seycha Lama wurden wegen fehlender Aufenthaltsgenehmigungen am 20. August, Choeney Dorjee und Palden Gyatso ein paar Tage später verhaftet.

  • Sangye Dhondup - 19 Jahre
  • Lobsang Dorjee - 19 Jahre
  • Dorjee Tashi - 21 Jahre
  • Drukar - 26 Jahre
  • Tsephel - 25 Jahre (weiblich)

Alle diese fünf Studenten wurden am 22. August 2001 auf ihrer Rückreise nach Tibet festgenommen. Die 23-jährige Sheri Tso wurde auf Zahlung von 109.000 NRs. hin freigelassen und befindet sich jetzt in der Krankenstation des TRC. Am 30. November mußte sie sich einer Kolostomie-Operation unterziehen, aber noch ehe sie voll genesen war, wurde ihr befohlen ins Gefängnis zurückzukehren. Eine Tibet-Unterstützungsgruppe sammelte Geld um sie freizubekommen.

  • Gendun Samten - 31 Jahre

Der Mönch Gendun Samten, alias Heruka, wurde, als er im Juni 1999 nach Tibet zurückzukehren versuchte, kurz vor der Grenze festgenommen. Mit einer Geldstrafe von USD 675 belegt, verbüßt er gegenwärtig eine Haftstrafe von 10 Jahren im Bhadra Central Jail von Kathmandu.

Zwei an den König von Nepal gerichtete Gesuche um Begnadigung waren erfolglos. Danach wurde gerichtlich vorgegangen, doch am 10. Dezember lehnte das Gericht die Berufung gegen die Urteile wegen "verspäteter Einreichung des Antrags" ab. Daraufhin wurde der Oberste Gerichtshof Nepals eingeschaltet, wobei jedoch damit zu rechnen ist, daß das Verfahren dort noch einmal 12 Monate dauern wird. Es ist auch möglich, ein Gesuch direkt an das Innenministerium zu richten, obwohl die Aussichten auf Begnadigung sehr düster sind. Die einzige Antwort, die bisher erging, lautet, es gebe keine ausreichende Begründung, um diesen Fall einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen. Das Kabinett hätte auch die Vollmacht, die Urteile aufzuheben, falls es dies wünscht, aber der Antrag muß vom Innenministerium ergehen, und wurden keine diesbezüglichen Schritte unternommen.

Das TCHRD möchte betonen: Während es sich der Notlage der inhaftierten Tibeter voll bewußt ist, fürchtet es, daß die Zahlung von Geldstrafen, um die Gefangenen auszulösen, eine gefährliche Entwicklung in Gang setzen und das Los all der Flüchtlinge, die jedes Jahr durch Nepal ziehen, eher erschweren könnte.

Teil 3

Appellbrief eines Gefangenen aus dem Bhadra Gefängnis in Nepal

Das TCHRD bringt nachstehend die übersetzte Version eines Appells von Gendun Samten oder Heruka, der 10 Jahre im Zentralgefängnis Bhadra in Nepal verbüßt. Zweieinhalb Jahre hat er seit seiner Festnahme 1999 bereits abgesessen. Dieser am 5. Dezember 2002 geschriebene Brief ist an "alle Verteidiger der Menschenrechte in der ganzen Welt gerichtet".

"Ich heiße Gendun Samten oder Heruka, bin 31 Jahre alt und stamme aus dem Kreis Rebkong in Amdo. Im November 1993 floh ich ins Exil und trat in das Kloster Drepung in Südindien ein. Vier Jahre lang widmete ich mich dem Studium des Buddhismus, bis ich krank wurde. Dann ging ich nach Nepal und betätigte mich im Kloster Khunpo als Tibetisch-Lehrer.

Als ich nach Tibet zurückkehren wollte, wurde ich am 19. Juni 1999 in Jiri festgenommen und einen Monat lang im Dilli Bazaar Gefängnis festgehalten. Seit zweieinhalb Jahren befinde ich mich nun im Bhadra Gefängnis, wo ich eine längere Haftstrafe absitzen muß. Die nepalesischen Behörden verhängten eine Geldstrafe von 700.000 NC über mich, weil mir die notwendigen Reisedokumente fehlten.

Aus meiner verzweifelten Lage heraus ersuche ich Sie nun alle um Ihren Beistand. Ich möchte hier zwei Punkte klären: Erstens, erkennt die Regierung Nepals Tibeter als Flüchtlinge an? Nepal ist nämlich das erste Transitland für Menschen, die aus Tibet fliehen. Wenn wir als Flüchtlinge anerkannt werden, warum sperren sie uns dann ein, wenn wir keine entsprechenden Papiere besitzen? Zweitens, dürfen wir in Nepal bleiben, wenn wir ein Indisches Registrierungszertifikat (Registration Certificate) besitzen? Wenn dem so ist, warum wurde ich dann, obwohl ich ein solches Zertifikat habe, mit einer so hohen Geldstrafe belegt und ins Gefängnis geworfen? Um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen müssen die internationalen Medien auf die Notlage der Tibeter in den nepalesischen Gefängnissen aufmerksam gemacht werden.

Wir richten einen dringenden Appell an alle mit uns fühlenden Einzelpersonen, an alle internationalen Organisationen und die Vereinten Nationen, sie möchten sich um unsere Freilassung bemühen. Es ist ein hartes Los, so viele Jahre hinter Gittern verbringen zu müssen. Ich möchte auch all denjenigen meine Anerkennung aussprechen, die sich dafür einsetzten, daß sich unsere Ernährungslage verbesserte, und ich bitte sie, daß sie uns weiterhin helfen. Es wäre mir auch eine große Hilfe, wenn ich Bücher und Studienmaterial bekommen könnte, um Englisch zu lernen, weil ich meine Zeit im Gefängnis nicht unnütz verbringen will.

Ich bin entschieden gegen die Zahlung von hohen Geldstrafen an die nepalesische Regierung. Ich würde Ihre direkte Hilfeleistung vorziehen, um uns das Gefängnisleben zu erleichtern. Wenn Sie die Strafen zahlen, um unsere Befreiung zu erwirken, dann ist dies ein Eingeständnis unserer Schuld, aber wir haben keine. Was noch wichtiger ist, ich fürchte, daß es dann noch mehr Festnahmen vieler unschuldiger Tibeter geben wird, die dann in Haft gehalten werden. Ich schlage daher vor, daß Sie den Fall weiterhin gerichtlich verfolgen, um Gerechtigkeit für uns zu bekommen.

Wir setzen große Hoffnung auf die Menschenrechtsgruppen und die zuständigen Gremien der Vereinten Nationen, daß sie sich für uns einsetzen und erreichen, daß uns Gerechtigkeit widerfährt – unser einziger Fehler war, daß wir kein gültiges Reisedokument bei uns hatten."

Das TCHRD erhielt eine Abschrift der am 11. Juni 2001 von einem Beamten der Nepalesischen Immigrationsbehörde unterzeichneten Anklageschrift gegen Heruka, auf Grund derer er ins Gefängnis geworfen wurde. Darin heißt es: "Was Ihren illegalen Aufenthalt in Nepal ohne Visum oder Paß vom Zeitpunkt ihres Betretens nepalesischen Bodens am 22. Juni 1996 an betrifft, sowie Ihre Inhaftierung zu Untersuchungszwecken vom 22. Juni 2000 an, so wurde gemäß einer von dieser Abteilung am 25. Mai 2001 getroffenen Entscheidung die Entrichtung der Visumsgebühr von 94.000 USD (699.360 NC) zuzüglich einer Strafe von 30.000 NC, insgesamt also 729.360 NC, von Ihnen verlangt; auf Ihre schriftliche Weigerung hin, diesen Betrag zu entrichten, weil Sie nach Ihrer Aussage dazu nicht in der Lage sind, wird Ihnen gemäß der Vorschrift 121 der Strafprozeßordnung hiermit diese Anklageschrift für die Haft von 10 Jahren, vom 22. Juni 2000 bis zum 21. Juni 2010, in Übereinstimmung mit dem Art. 38 (4) des Zivilkodex über Geld und andere Strafen, übergeben."

Teil 4

Streit über Wiederaufbau im Serthar Institut

Dem TCHRD zugegangenen bestätigten Berichten zufolge kam es am 25. Dezember 2002 zu einem Handgemenge zwischen Nonnen des Buddhistischen Instituts Serthar und PSB Kräften aus der TAP Karze. Die PSB Milizen versuchten Aufbauarbeiten auf dem Gelände des zerstörten Instituts aufzuhalten. Ein Polizist soll von einem Stein getroffen und am Kopf verletzt worden sein.

Am folgenden Tag trafen weitere Polizeikräfte ein, um mit den Abbrucharbeiten fortzufahren. Über 200 Mönche und Nonnen sollen versucht haben, sie daran zu hindern. Es heißt, die Polizisten hätten daraufhin einige Schüsse abgegeben. Ob es dabei zu Verletzungen kam, ist noch nicht bekannt.

Khenpo Jigme Phuntsok, der Abt des Serthar Instituts, befindet sich erneut zur ärztlichen Behandlung in einem Krankenhaus im Distrikt Barkham der Provinz Sichuan. Mitglieder des Verwaltungskomitees von Serthar versuchen, den Konflikt auf friedlichem Wege zu lösen.

Khenpo Jigme Phuntsok kehrte im November, nachdem er über ein Jahr lang ohne Verbindung zur Außenwelt in Chengdu festgehalten wurde, in das Institut zurück. Daraufhin wurden die religiösen Vorträge unter starker Überwachung wieder aufgenommen. Die religiöse Belehrung und Praxis wurden jedoch beträchtlich eingeschränkt. Die Belegschaft des einst blühenden Instituts wurde drastisch reduziert, und Zäune wurden um die abgerissenen Hütten errichtet, um neue Bauten zu verhindern. Sobald weitere Informationen zur Verfügung stehen, wird das TCHRD Näheres berichten.

Teil 5

Neun Jahre Haft wegen Auslösung eines Gefängnis-Protestes

Karma Sonam wurde in Kreis Lithang, TAP Karze, Provinz Sichuan, geboren. Er war anfänglich ein nicht-politischer Häftling, der später wegen "politischer Betätigung" mit Haftverlängerung bestraft wurde. 1993 wegen angeblicher krimineller Delikte verhaftet, wurde Sonam zu 14 Jahren verurteilt. Er kam in die rukhag (Einheit) 4 des Drapchi Gefängnisses, wo er zum Teppichweben eingesetzt wurde.

Wie Karma Dawa, ein ehemaliger Insasse des Drapchi Gefängnisses, der 2002 nach Indien entkam, berichtet, war "Karma Sonam von großer Liebe zu Tibet erfüllt. Viele politische Häftlinge erleiden unsägliche Qualen durch die Gefängniswachen. Es gab Fälle, wo die Gefangenen aus Verzweiflung Selbstmord begingen. Wir waren zugleich sehr traurig und sehr wütend".

Karma Sonam schmiedete zusammen mit seinem Mitgefangenen Karma Dawa Pläne, um für die Unabhängigkeit tätig zu werden, sobald sich eine Chance dazu bieten würde. Sie beschrieben etwa 30 Handzettel mit Parolen und gelobten, ihren Plan durchzuführen, sollte sie es auch das Leben kosten.

Eine Gelegenheit dazu kam, als die Gefängnisleitung beschloß, am 1. Mai 1998 den Internationalen Tag der Arbeit mit einer Flaggenzeremonie und einer Vorführung von militärähnlichen Drillübungen durch die Insassen zu begehen. Um etwa 10 Uhr morgens mußten sich alle gewöhnlichen Strafgefangenen, sowie über 60 weibliche politische Gefangene aus der neuen rukhag 3 und 60 männliche politische Häftlinge aus der rukhag 5 auf dem zentralen Hof der Anstalt versammeln. Insassen der alten Abteilungen 3 und 5 waren von der Teilnahme ausgeschlossen, weil sie früher Tendenz zu politischer Unruhestiftung im Gefängnis gezeigt hatten. Bewaffnete Aufseher umringten die Gefangenen, außerdem war ein PSB-Sondertrupp zur Bewachung der weiblichen Insassen bereitgestellt worden. Die höchsten Funktionäre des chinesischen Gefängniswesens und des Drapchi Gefängnisses waren zugegen.

Als die chinesische Flagge gehißt und entrollt wurde, traten Karma Sonam und Karma Dawa aus der Reihe und fingen an, Unabhängigkeits-Parolen zu rufen und das Hissen der chinesischen Flagge auf tibetischem Boden zu kritisieren. Die anderen Häftlinge fielen sofort ein, während die zwei Initiatoren des Protestes Flugblätter in die Lust warfen. Kurzzeitig geriet die Szene außer Kontrolle, doch bald trafen die Milizen der PAP ein und schlugen auf die protestierenden Häftlinge ein. Auch wurden Warnschüsse in die Luft abgegeben. Karma Sonam und Karma Dawa wurden entsetzlich geschlagen und ebenso wie viele andere in Einzelhaft gesteckt. Die übrigen Häftlinge wurden in ihre jeweiligen Zellen zurückgebracht.

Am 4. Mai, drei Tage darauf wollten die Behörden eine fast identische Zeremonie zum Internationalen Jugendtag abhalten. Wieder riefen die Gefangenen Freiheits-Parolen, diesmal angeführt von Lobsang Gelek, einem Mönch des Klosters Khangmar. Viele wurden geschlagen und tagelang in Isolationszellen gesperrt. Alle wurden individuell verhört. Acht Häftlinge starben in der Folge dieses Vorfalls, und 27 wurde die Haftstrafe verlängert. Drei Monate später fällte das Mittlere Volksgericht das Urteil über Karma Sonam. Er wurde mit einer Haftverlängerung von 9 Jahren bestraft, so daß er gegenwärtig insgesamt 23 Jahre in Drapchi verbüßt.

Teil 6

Ein Folteropfer entkommt nach fünf Jahren Gefängnis ins Exil

Dhak Lobsang wurde 1960 in dem Dorf Jheney, Gemeinde Jompa, Distrikt Lithang, Präfektur Karze, geboren. Seine Eltern sind Bauern, sie heißen Wangdu und Kelsang Lhamo; Lobsang hat fünf Brüder und zwei Schwestern.

Er berichtet dem TCHRD: "Mütterlicherseits hatte ich einen Onkel namens Tashi Phuntsok, der als Verwalter des Klosters Lithang arbeitete. Er war in unserer Gegend sehr populär, weil er einst einer Widerstandsgruppe angehörte, die gegen die einfallenden chinesischen Truppen gekämpft hatte. 1962 wurde mein Onkel verhaftet und in der Folge im Gefängnis exekutiert. Wegen seiner Beteiligung an der Widerstandsbewegung wurde unsere Familie als eine "unterdrückerische Feudalherren-Familie" gebrandmarkt. Die chinesischen Behörden konfiszierten all unseren Besitz und unser Land, und wir durften nicht zur Schule gehen.

Mit 23 Jahren wurde ich Mönch im Kloster Lithang, wonach ich den achtjährigen Studiengang Dialektik absolvieren konnte. Ich pflegte auch das tantrische Studium – eines der zwei Themen der buddhistischen Ausbildung im Kloster, wobei das andere Sutra ist. Außerdem wurden mir wichtige Aufgaben im Kloster übertragen. 1992 machte ich bei Unabhängigkeitsaktivitäten mit. Ich schrieb Slogans auf Flugblätter, die ich im Distrikt Lithang verteilte und anklebte.

Mitten in der Nacht des 19. August 1993 tauchten sechs PSB Offiziere bei mir auf, um mich zu verhaften. Einer richtete seine Pistole auf meine Stirn und sagte, ich dürfe mich nicht vom Fleck bewegen, während die anderen mein Zimmer nach politischem Material durchwühlten. Dann wurden mir Handschellen angelegt und mußte ihnen folgen.

Nach etwa 500 m Weg kam ein Polizei-Jeep angefahren, in den ich gepackt wurde und in das PSB-Haftzentrum Lithang, das nur etwa 1 km vom Kloster entfernt ist, gefahren. Dort steckten sie mich in eine dunkle Kammer, die sich als ein Verhörraum entpuppte. Kurz darauf kamen sieben PSB Offiziere, um mich zu vernehmen. Zuerst fragte mich einer von ihnen, ob ich überhaupt wisse, warum ich hier in der Polizeiwache sei. Ich antwortete, ich wüßte es nicht. Dann sagten sie, ich solle nicht so schlau tun, ich wüßte den Grund doch ganz genau. Sie rieten mir, die Wahrheit zu sagen, so daß meine Strafe geringer ausfallen würde. Nun schwieg ich ganz. Nach der dritten Warnung erklärten sie mir, vor mir lägen nun zwei Wege, nämlich ein weißer und ein schwarzer, und es hinge von mir ab, welchen ich wählen würde. "Es liegt ganz in deiner Hand", sagten sie. Als ich mich weigerte, etwas auszusagen, warfen sie mir vor, ich würde lügen. Ich wurde geschlagen und getreten. Sie traktierten mich mit Stöcken, elektrischen Knüppeln und anderen Folterinstrumenten. Kein einziger Teil meines Körpers blieb verschont, und ich büßte zwei meiner Vorderzähne ein. Ich glaubte dem Tode nahe zu sein. Nachdem sie mich etwa eine Stunde so traktiert hatten, wurde ich ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, daß sie kaltes Wasser auf mich geschüttet hatten, um mich aufzuwecken und mich weiter schlagen zu können. Mehrere Male verlor ich das Bewußtsein und jedes Mal gossen sie kaltes Wasser über mich. Ich war nicht mehr in der Lage zu sprechen oder zu stehen oder mich zu bewegen, ich konnte kaum noch die Augen offenhalten.

Um etwa fünf Uhr morgens packten mich zwei Milizionäre an den Armen und zerrten mich in ein anderes Zimmer, wo Passang, der Kreischef von Lithang, und Chakdrup, der PSB-Chef von Lithang, mich erwarteten. Kaum war ich in das Zimmer getreten, da versetzte mir Chakdrup eine heftige Ohrfeige mit der Bemerkung "Dieser Kerl hier ist der Unruhestifter". Dann sagte Passang, ich solle doch nicht "meinen eigenen Tod herbeiführen" und ich hätte noch Gelegenheit, den weißen Pfad zu wählen, d.h. meine Taten zu gestehen. Als ich stumm blieb, warfen mich die Beamten in eine Haftzelle. Zwei Tage später schleppten sie mich wieder in die Folterkammer und fingen von neuem mit ihren von Schlägen begleiteten Fragen an. Sie drangen immer wieder in mich: "Hast du noch andere Freunde? Welche Beziehungen pflegst du außerhalb Tibets? Wer beauftragte dich, die Slogans zu schreiben?". Im Verlauf von drei Monaten wurde ich 13 Mal auf diese Weise vernommen.

Drei Monate lang war ich im PSB-Haftzentrum von Lithang in Gewahrsam. Die Handschellen wurden mir nur fünf Minuten für einen zweimaligen Kleiderwechsel abgenommen. Ich traf dort auch meine Freunde Jamyang Dhondup, Choephel und Lhadar, die alle vor mir festgenommen worden waren, und hörte, daß man auch sie gefoltert hatte. Bei einer Vernehmung zeigten sie mir Flugblätter mit meiner Handschrift, die sie wahrscheinlich in meinem Zimmer gefunden hatten. Letztendlich bekannte ich mich zu meinem Tun.

Eines Tages erfuhr ich, daß Lhadar, einer unserer Leidensgenossen, plötzlich im Gefängnis gestorben war - angeblich an einer Krankheit. Das war ein großer Schock für mich, wußten wir doch alle ganz genau, daß er der brutalen Folterung und den Folgen der grausamen Schläge erlegen war. Am 16. November 1993 verwies das PSB-Distrikt-Revier von Lithang meinen Fall an das Public Security Bureau der Präfektur Karze, und ich wurde erneut vernommen. Am 18. April 1994 wurde ich zusammen mit meinen Mitgefangenen Jamyang Dhondup und Choephel aus Lithang in das PSB-Haftzentrum Karze verlegt, zu welchem Zweck vorübergehend die Handschellen entfernt wurden. Dort wurde ich über vier Monate festgehalten.

Sie pferchten mich zusammen mit über 11 weiteren Personen in einen winzigen Raum. Dieser war so überfüllt, daß wir uns kaum darin bewegen konnten. Jeder hatte nur einen Fußbreit Platz zum Schlafen, so daß wir auf der Seite liegen mußten. Es gab zwei unbedeckte Eimer als Toilette in dem Raum. Der schreckliche Gestank dieser Eimer zusammen mit dem Gedränge war unerträglich, und man hatte das Gefühl zu ersticken. Aber wir hatten keine andere Wahl. Das Essen, das sie uns gaben, war kaum genießbar, es war so schlecht und so dürftig, daß viele meiner Mitgefangenen erkrankten. Nur Schweine hätte man damit füttern können.

Am 17. Juli 1994 wurde mir bei dem Mittleren Volksgericht von Karze zusammen mit Jamyang Dhondup und Choephel hinter verschlossenen Türen der Prozeß gemacht. Am 17. August 1994 wurde das Urteil wegen Beteiligung an "konterrevolutionären Aktivitäten, Volksaufhetzung und Propaganda", wie es in der Gerichtsakte heißt, über uns gefällt. Choephel wurde zu 10 Jahren Gefängnis mit fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte; Jamyang Dhondup zu fünf Jahren Gefängnis und drei Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, und ich zu fünf Jahren Gefängnis und drei Jahren Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

In der ersten Septemberwoche 1994 wurde ich in das in dem Distrikt Maowen, Sichuan, gelegene Gefängnis Ngaba verlegt. Während meiner Gefangenschaft dort wurde ich dreimal geschlagen, jedoch nicht so heftig wie zuvor. Mir wurde Arbeit in einer Fabrik zur Herstellung von Stromkabeln zugewiesen, wo ich aus alten Elektrodrähten Zink und Aluminium heraussortieren mußte. Einige Male verletzte ich mir ernstlich die Hände. Am 18. August 1998 wurde ich entlassen. Ich hielt mich noch beinahe zwei Jahre in Tibet auf, ehe ich im Juli 2002 die Flucht ins Exil antrat.

Teil 7

Mönch entgeht der Festnahme wegen Vorführung eines Dalai Lama Videos

Der 24-jährige Tashi Delek stammt ursprünglich aus dem Distrikt Dartsedo (chin. Kangding xian), TAP Karze, Provinz Sichuan. Er berichtet dem TCHRD:

"Unsere Familie umfaßt sechs Personen, und wir leben von der Viehhaltung. Mit 10 Jahren wurde ich im Kloster Gyephak Novize. Etwa 1997/98 wurde ich in dem von Khenpo Jigme Phuntsok gegründeten Buddhistischen Institut Serthar aufgenommen. Ende 2000 wurde ein neuer Kinosaal im Kreis Tawu (chin. Daofu xian) der TAP Karze gebaut, wo sehr viele Actionfilme gezeigt werden. Manchmal wurden dort auch heimlich Videos mit Direktreportagen, öffentlichen Belehrungen und religiösen Vorträgen Seiner Heiligkeit des Dalai Lama vor einem hauptsächlich aus älteren Leuten bestehenden Publikum gezeigt.

Anfang Mai 2002 fand ein Pferderennen an einem Ort namens Nyaktren in Menyak, Kreis Dartsedo, statt, zu dessen Eröffnung sich annähernd 500-600 Leute aus den Nachbarorten eingefunden hatten. Zusammen mit meinem Freund Tenzin wollte ich bei dieser Gelegenheit Videos vorführen. Am ersten und zweiten Tag zeigten wir ausländische Filme. Am dritten Tag gingen wir, um die Erlaubnis des Dorfchefs für ein bestimmtes Video einzuholen. Dieser lehnte es kategorisch ab, Ja oder Nein zu sagen und überließ uns die Entscheidung. Um etwa 10 Uhr abends zeigten wir zweimal das Video Seiner Heiligkeit vor schätzungsweise 250 Leuten.

Ich kenne einen Polizisten Tsering (Name geändert), der in der Abteilung 110 des Distriktpolizeireviers arbeitet. Einen Monat später teilte mir Tsering mit, sein Büro hätte von meiner Aktivität und dem Video erfahren, weshalb er mir zur Flucht rate, um nicht verhaftet zu werden. Wir nahmen seinen Ratschlag jedoch nicht ernst.

Etwa Mitte Juni desselben Jahres bestellte die Kreispolizei mich und meinen Freund zu der Polizeistation ein. Wir wurden beide gefragt, was für Videos wir gezeigt hätten, und welche weiteren wir in Zukunft zeigen wollten. Ich antwortete, unser Hauptzweck sei, mit diesem Geschäft unseren Lebensunterhalt zu bestreiten. Alle Fragen und Antworten wurden genau protokolliert. Nach Einbehaltung meines Bürgerausweises ließen sie mich laufen.

In jener Nacht sagte mein Großvater, daß er sich große Sorgen um meine Sicherheit machte, da er nichts über den Verbleib meines Freundes wisse. Er riet mir, wegzulaufen. Ich borgte mir 2.000 Yuan aus und brach nach Lhasa auf, wo ich mich einige Zeit bei meinem Cousin aufhielt. Er gab mir etwas Geld, damit ich meine Flucht gut planen konnte. So erreichte ich im September 2002 das TCR in Kathmandu.

Delek erzählte auch über einen anderen Vorfall in seiner Gegend: "In Menyak gibt es ein Kloster namens Rabgang. 1999 wurde in seiner Nähe die Gyutul-Stupa gebaut. Um dies zu feiern, wurde eine religiöse Zeremonie veranstaltet, zu der ungeheuer viele Leute kamen. Vorher hatte die Klosterverwaltung die Erlaubnis zur Durchführung der Zeremonie von der Kreisbehörde eingeholt.

Am festgesetzten Tag verbot die chinesische Polizei jedoch, daß sich Leute in großer Zahl zu den von mehren Lamas gebotenen Belehrungen versammelten. Der Zuchtmeister des Klosters Rabgang und andere leitende Mönche verlangten eine Begründung für diese Restriktion, da sie doch die behördliche Erlaubnis zu der Veranstaltung erhalten hatten. Bei einer kleineren Rauferei wurden zwei Personen leicht verletzt, weshalb die Belehrungen nicht stattfinden dürften, hieß es.

Am selben Abend umringten etwa 300 chinesische Polizisten das Kloster Rabgang und drohten mit seiner Zerstörung, wozu sie schon die notwendigen Geräte mitgebracht hatten. Sie durchkämmten alle Quartiere der Mönche und sagten, der ganze Klosterkomplex sei nichts als eine Räuberhöhle. Im Laufe der Zeit wurden 12 Laien festgenommen, darunter auch zwei Mädchen von 19 und 20 Jahren. Ein Jahr nach ihrer Verhaftung lösten ihre Angehörigen sie durch Zahlung von 3.500 Yuan pro Person aus. Mönche wurden damals keine festgenommen".

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