Human Rights Update

November 2002

Inhalt
  1. Kloster Rabgya: Ein Tibeter stirbt im Gefängnis, andere zu langen Haftstrafen verurteilt
    Kurzer Background von Lobsang Dhargyal
    Andere Festnahmen
  2. Bauern wegen friedlicher Unabhängigkeitsbekundung eingesperrt
  3. China vereitelt den Indienbesuch eines buddhistischen Lamas
  4. Politischer Zwischenfall bei der "patriotischen Umerziehung"
  5. Karma Dawa, der Initiator des Drapchi-Protestes vom Mai 1998, floh aus dem Drapchi Gefängnisspital
  6. Exiltibeter wegen Einreise nach Tibet festgenommen
  7. Erlebnisse eines Flüchtlings an der Grenze
Teil 1

Kloster Rabgya: Ein Tibeter stirbt im Gefängnis, andere zu langen Haftstrafen verurteilt

Wie aus zuverlässigen Quellen aus Tibet verlautet, starb der ehemalige Mönch Lobsang Dhargyal plötzlich am Morgen des 19. Novembers in der Arbeitsbrigade, die sein Lager zur "Reform durch Arbeit" im Dorf Siling, Distrikt Machen (chin. Maqin xian), TAP Golog, Provinz Qinghai, für das Wasserkraftwerk aufgestellt hatte. Er verbrachte einschließlich einer früheren Haftstrafe von zweieinhalb Jahren fast 19 im Jahre Gefängnis.

Obwohl das TCHRD noch auf detailliertere Informationen wartet, ist es so gut wie sicher, daß Lobsang Dhargyals plötzlicher Tod auf Folterung und Mißhandlung in dem Zwangsarbeitslager zurückzuführen ist. Man nimmt an, daß er an einer Gehirnblutung starb.

Der Einsatz der Folter als Bestrafung für politische Aktivitäten ist Anlaß zu großer Sorge, besonders angesichts der von der VR China (PRC) im Rahmen der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung und Bestrafung (CAT) eingegangenen Verpflichtungen. Obwohl die PRC diese Übereinkunft 1988 ratifizierte, sind dem TCHRD seit 1986 insgesamt 79 Todesfälle (in der Haft oder kurz nach der Freilassung) als direkte Folge von Folterungen bekannt geworden.

Daß Tibeter in von Chinesen verwalteten Gefängnissen und Haftzentren ständig mißhandelt und gefoltert werden, scheint darauf hinzuweisen, daß die chinesische Regierung unbedingt das Nationalgefühl des tibetischen Volkes unterdrücken will. Individuelle Rechte und Rechtsstaatlichkeit scheint es nur innerhalb dieser politischen Vorgaben zu geben.

Das chinesische Strafrechtssystem legt traditionell große Betonung auf laogai – Reform-durch-Arbeit. 1994 erließ der Nationale Volkskongreß der PRC zwar eine neue Gefängnisverordnung, mit der das laogai System offiziell abgeschafft wurde. Doch unter dem Begriff "Gefängnis" wurde es weiter fortgeführt. Der dem laogai System zugrunde liegende Zweck war nicht nur Bestrafung, sondern auch "Umkehr und Wandel zum Besseren". Die Insassen sowohl der Gefängnisse als auch der Arbeitslager (die nun beide als "Gefängnisse" klassifiziert wurden) werden intensiver Zwangsarbeit und ideologischer Indoktrinierung unterworfen, die als wirksame Mittel gelten, um den politischen Eifer gewisser Leute zu dämpfen und gleichzeitig wirtschaftlich Gewinn zu erzielen.

Kurzer Background von Lobsang Dhargyal

Lobsang Dhargyal war ehemals Mönch des Klosters Rabgya im Distrikt Machen in der TAP Golog. Er wurde 1962 geboren, seine Eltern Shergyam und Tsodon sind Nomaden. In jungen Jahren half er bei der Viehhaltung und erlernte außerdem die tibetische Sprache. Sein Vater setzte sich nach der Annexion Tibets durch das kommunistische China 1959 für die Freiheit seines Landes ein und beteiligte sich an vielen "reaktionären Aktivitäten". 1970 beging er Selbstmord, um der Verhaftung zu entgehen.

In der von Unabhängigkeitsbestrebungen geprägten Periode nach 1987 druckte Dhargyal zusammen mit Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen annähernd 40.000 Flugblätter. Am 15. November 1992 war im Kloster Rabgya eine große Inthronisierungszeremonie für den damals 13-jährigen Shingsang Tenzin Choekyi Gyaltsen Rinpoche anberaumt. Shingsang Rinpoche, der Oberlama des Klosters Rabgya und die 20. Reinkarnation der Mutter des Jetsongkhapa (dem Gründer der Gelugpa Schule des tibetischen Buddhismus) gilt als einer der führenden Lamas in der Provinz Qinghai.

Am Vorabend der Zeremonie brachten Dhargyal und seine Begleiter an strategisch günstigen Punkten wie Fernstraßen und geschäftigen Straßenmärkten Aufrufe an den Mauern an, die sie außerdem auf dem Umrundungsweg um das Kloster Rabgya verteilten. Auf dem Dach der Versammlungshalle des Klosters hißten sie zudem eine tibetische Nationalflagge und in einer Ecke brachten sie eine kleinere Papierfahne an.

Am folgenden Abend stellten Beamte des PSB vom Distrikt Machen und der TAP Golog alle Mönche zur Rede. Nachdem sie in Lobsang Dhargyals Zimmer hölzerne Druckstöcke zum Drucken der Flugblätter sichergestellt hatten, nahmen sie ihn am 25. November 1992 fest. Seine Freunde konnten jedoch entkommen.

Nach einem Jahr Haft im Golog-Gefängnis wurde Dhargyal vom Mittleren Volksgericht Golog zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren und zusätzlichen zwei Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Während der ganzen Zeit seiner Gefangenschaft waren seine Hände in Handschellen gelegt und seine Füße gefesselt. Durch die schweren Schläge verlor er zwei seiner Vorderzähne. Am 25. Mai 1995 wurde Lobsang Dhargyal aus medizinischen Gründen entlassen.

Anfang 1997 wurden dem Kloster Rabgya schwere Beschränkungen auferlegt und es wurde permanent überwacht. Im April 1997 begleitete Dhargyal daher Shingsang Rinpoche auf dessen Flucht aus Tibet zum Kloster Sera nach Südindien. Als Lobsang Dhargyal im Mai 2001 nach Tibet zurückkehrte, um seine kranke Mutter zu besuchen, wurde er in der Nähe von Shigatse in der TAR festgenommen und daraufhin den Behörden der TAP Golog überstellt. Im Oktober desselben Jahres verurteilte das Mittlere Volksgericht von Golog Lobsang Dhargyal wegen Verdachts auf Spionage und "spalterischen Aktivitäten" zu 16 Jahren Gefängnis.

Der 29-jährige Lobsang Tsultrim, ein vor kurzem aus Tibet eingetroffener Flüchtling, berichtet: "Als ich im April 2001 mit Lobsang Dhargyal und Tashi Gyatso auf dem Rückweg nach Tibet war, wurden wir in Solukhumbu an der Grenze von der chinesischen Grenzpolizei angehalten. Als diese handgreiflich wurde, schlugen wir zurück und es gelang uns zu entkommen. Nicht vertraut mit dem Gelände, rannten wir in verschiedene Richtungen davon. Dhargyal wurde in der Nähe von Tingri und Tashi Gyatso später in Golog verhaftet. Fünf Tage behielten sie Dhargyal in dem Haftzentrum Nyari, und dann brachten ihn drei Polizeioffiziere nach Amdo Golog. Es war das letzte Mal, daß ich ihn sah, und damals schaute er gesund aus".

Tenzin, ein anderer Flüchtling aus dem Kloster Rabgya, der Lobsang Dhargyal Anfang Juni 2002 besuchte, berichtete dem TCHRD: "Dhargyal ist mein Freund, weshalb ich ihn im Gefängnis besuchten wollte. Ich kannte zwar nicht den Namen des Haftzentrums und wußte nur, daß es zwischen Siling und Dharthong liegt. Durch einen Aufseher ließ ich 500 Yuan und einige Eßwaren an Dhargyal schicken, da ich ihn nicht persönlich sehen durfte. Später erhielt ich einen Zettel, auf dem Dhargyal den Erhalt der Dinge bestätigte. Ich nehme an, daß er erst kurz zuvor zur Arbeitsbrigade in das Elektrizitätswerk Siling geschickt worden war."

Lobsang Tsultrim zweifelt an der offiziell für Dhargyals Tod genannten Ursache: "Ich bin überzeugt, daß Dhargyal keines natürlichen Todes starb. Ich glaube auch, daß seine Angehörigen ihn nach seiner Verhaftung überhaupt nicht zu sehen bekamen. Selbstverständlich wurde er im Gefängnis mißhandelt und gefoltert. Dhargyal war ein sehr guter Mensch, er war gesellig und kam mit allen gut aus. Außerdem war er sehr gebildet und hatte viel für sein Heimatland übrig. Als ich von seinem vorzeitigen Tod hörte, war ich entsetzt. Jeder Tibeter sollte sich ein Vorbild an ihm nehmen. Sein Bild ist mir auch heute noch im Geiste gegenwärtig".

Bereits früher war dem TCHRD mitgeteilt worden, daß vier Exil-Rückkehrer, nämlich Mathok Damchoe (27), Sonam Gyatso (34), Kunchok Dhargyal (32) und Tsultrim Dhargyal (26) – alle aus dem Kloster Rabgya - zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Dem jüngsten Bericht zufolge wurden die ersten drei Mönche zu 6 Jahren und Tsultrim Dhargyal zu 5 Jahren verurteilt. Die chinesische Regierung betrachtet allgemein Personen, die sich zur Pilgerfahrt oder zum Studium in Indien aufgehalten hatten, als "spalterische" Elemente. Es könnte auch sein, daß die genannten Mönche verdächtigt werden, mit Lobsang Dhargyal gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Andere Festnahmen

Nach seiner Inhaftierung im Distrikt Tingri im Mai 2001 war der 29 Jahre alte, aus Amdo Golog stammende Lobsang Tsultrim für fast zwei Monate in dem Nyari Haftzentrum in Shigatse eingesperrt. Tsultrim wurde festgenommen, weil er politisch heikles Material, wie Informationsheftchen der tibetischen Exilregierung, Bilder des Dalai Lama und Kopien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, nach China gebracht hatte.

Er wurde später in das Haftzentrum Golog verlegt und dort zwei Monate festgehalten. Über einen Monat lang trug er Fußschellen und oftmals wurde er während der Verhörssitzungen mit elektrischen Schlagstöcken gepeinigt. Etwa im September 2001 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Golog Tsultrim zu drei Jahren Gefängnis. Er kam jedoch 20 Tage später frei, weil seine Verwandten eine Kaution von 15.000 Yuan für ihn gezahlt hatten.

Tashi Gyatso, ein Laie aus der Gemeinde Dalang im Distrikt Machen, verbüßt gegenwärtig eine Haftstrafe von 12 Jahren im Gefängnis der Präfektur Golog. Bei dem Zusammenstoß mit der Polizei bei Rückkehr aus dem Exil hatte Gyatso eine tibetische Nationalflagge, eine Autobiographie des Dalai Lama und andere politisch wichtige Bücher bei sich. Wegen Besitzes "politischer Gegenstände" wurde er dann später in Golog festgenommen. Man nimmt an, daß es sich bei ihm um einen der politischen Gefangenen mit dem härtesten Urteil in ganz Qinghai handelt.

Teil 2

Bauern wegen friedlicher Unabhängigkeitsbekundung eingesperrt

Der 1968 geborene Lhundup Dorje ist ein Bauer aus dem Dorf Dasher im Kreis Meldrogungkar. Am 30. Juni 1992 unterbrach Dorjee zusammen mit seinen drei Freunden Sonam Dorjee, Sonam Rinchen und Konchok Lodroe, ebenfalls Bauern, ein politisches "Umerziehungs-Meeting" in dem Dorf Meldro Gyama Trikhang, Meldrogungkar.

Die chinesischen Behörden führen derartige Versammlungen durch, um die Dorfbewohner in kommunistischer Ideologie und der chinesischen Version der tibetischen Geschichte zu unterrichten. Die vier Bauern rannten auf die Bühne, schnappten das Mikrophon und legten sich mit den Kadern an. Sie riefen Unabhängigkeitsparolen und anti-chinesische Sätze und entrollten eine tibetische Flagge. Bald danach stürzte die bewaffnete Volkspolizei (PAP) zum Tatort und nahm die Ruhestörer fest. Nachdem die vier Demonstranten weggezerrt und von den PAP-Milizionären geschlagen wurden, fingen etwa 100 Dorfbewohner an, Freiheitsslogans zu skandieren.

Der Bauer Thupten Yeshi aus dem Distrikt Meldrogungkar wurde am 14. Juli 1992 offiziell verhaftet. Obwohl er an dem Protest vom 30. Juni nicht direkt beteiligt gewesen war, wurde er als dessen Anstifter verdächtigt; auch wurde er anderer politischer Aktivitäten wegen angeklagt. Am 20. Oktober 1992 wurden die fünf Bauern vor das Mittlere Volksgericht von Lhasa gestellt. Lhundrup Dorje, der bei dem Vorfall eine schwere Verletzung davongetragen hatte, wurde zu 15 Jahren Gefängnis mit 5 Jahren Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt, Thupten Yeshi erhielt das dasselbe Strafmaß. Kunchok, Sonam Dorjee und Sonam Rinchen wurden zu 13 Jahren Gefängnis und vier Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

Sonam Rinchen starb im Januar 2000 in der Haft, nachdem ihm, obwohl er schwer krank war, drei Jahre lang die medizinische Behandlung verweigert worden war. Kunchok Dorjee wurde 1996 aus gesundheitlichen Gründen auf Bewährung entlassen. Lhundrup Dorje, Thupten Yeshi und Sonam Dorjee verbüßen gegenwärtig ihre Haftstrafen im Drapchi Gefängnis.

Teil 3

China vereitelt den Indienbesuch eines buddhistischen Lamas

Der 24-jährige Tsewang Gyurmey stammt aus einer Nomadenfamilie im Kreis Nyarong (Xinlong Xian), TAP Karze, Provinz Sichuan. Er erzählte dem TCHRD: "Zwischen meinem 10. und 17. Lebensjahr unterrichtete mich mein Onkel in tibetischer Sprache. Drei Jahre später trat ich in die Tsurphu Einsiedelei in Nyarong ein. Drei Jahre studierte ich auch am Buddhistischen Institut Serthar."

Gyurmey berichtet, daß einem einflußreichen Rinpoche die Ausstellung eines Visums für eine Reise nach Indien aus alleine den Behörden bekannten Gründen verweigert wurde. Es wird jedoch angenommen, daß der Rinpoche wegen seines Bekenntnisses zum Dalai Lama den Chinesen als verdächtig galt. "Der 70-jährige Delong Rinpoche ist in der Gegend sehr bekannt und genießt als Oberlama vom Kloster Lhapo in Nyarong hohe Verehrung. Seine Eltern stammen aus Jasang Khang in China. Er begann sein religiöses Studium in dem der Nyingma Schule des tibetischen Buddhismus zugehörigen Kloster Kartop im Distrikt Derge (Dege xian) in Karze.

Ich hatte seinen Segen und weiß, daß er Khenpo Jigme Phuntsok, dem Großabt und Gründer des Buddhistischen Instituts Serthar, sehr nahe steht. Der Rinpoche wünschte schon immer, eine Audienz beim Dalai Lama und dessen Segen zu bekommen. Er brach daher im August 2001 mit einem chinesischen Paß versehen von seinem Kloster nach Lhasa auf. Außer ein paar vertrauten Mönchen wußte niemand von seiner Reise. Irgendwie sickerte die Nachricht trotzdem durch. Es scheint, daß die Polizei in Lhasa bereits über die Ankunft des Rinpoche informiert worden war - wahrscheinlich durch das Distrikt-PSB von Kardze.

In Lhasa stieg der Rinpoche mit ein paar seiner Schüler in einem Hotel ab. Eine Woche später erhielt er Bescheid, daß sein Antrag auf ein chinesisches Visum für Indien zwecks Pilgerfahrt ohne Nennung eines plausiblen Grundes abgelehnt worden war, sowie die Order, sofort in seinen Heimatbezirk zurückzukehren.

Die Leute in seiner Heimat waren sehr enttäuscht über den Lauf der Dinge und traurig, daß Rinpoches Wunsch, den Dalai Lama zu treffen, unerfüllt blieb. Trotz seiner chinesischen Herkunft verehrt er den Dalai Lama sehr. Die Behörden fürchten, er könne nicht zurückkehren, wenn er erst einmal Tibet verlassen hat. Sie sind prinzipiell dagegen, daß jemand den Dalai Lama aufsucht, den sie als Feind Chinas betrachten", fuhr Gyurmey fort.

Teil 4

Politischer Zwischenfall bei der "patriotischen Umerziehung"

Der 30-jährige Dorje, ein Bauer aus dem Stadtbezirk Gormo in Amdo Ngaba, erreichte am 15. September 2002 das Tibetan Refugee Reception Centre in Kathmandu. Er berichtete dem TCHRD: "Die Chinesen haben die patriotische Umerziehungskampagne nun auch auf die Laiengemeinde ausgeweitet. Während der jährlichen Meetings bleuen die Kader den Leuten in der Gegend ein, daß sie die kommunistische Ideologie anzunehmen und sich von allen "spalterischen" Ideen fernzuhalten haben.

Im Oktober 1999 waren über 100 chinesische Kader und der Chef des Stadtbezirks Golmud bei dem Meeting zugegen. Als zwischen den Versammlungen eine Pause eingelegt wurde, stand ich auf und ging nach vorne. Der Bezirkschef zeigte direkt auf mich und fragte, was ich wolle. Ich antwortete: "Ich wünsche Freiheit für Tibet". Das sprach ich laut und deutlich aus. Ein älterer Tibeter riet mir, sofort wegzulaufen, doch ich blieb stehen".

Innerhalb von Minuten rannte ein Dutzend bewaffneter Milizionäre in die Menge und direkt auf mich zu. Ich habe immer einen kleinen Brieföffner in der Tasche. Den zog ich heraus und zuerst zögerten sie, sich mir zu nähern. Da sie in der Überzahl waren, entrissen sie mir mein Messer und fesselten mir die Arme hinter dem Rücken. Blitzschnell wurde ich auf den Boden geworfen und getreten und geschlagen. Seitdem habe ich Probleme mit dem Hören.

Am Abend wurde ich in das lokale PSB-Haftzentrum gebracht. Dort gingen die Schläge weiter und schließlich erbrach ich Blut. Mir wurde so elend, daß ich weder essen noch mich bewegen konnte. Andere Häftlinge riefen Aufseher herbei und machten sie auf meinen prekären Zustand aufmerksam. Ein Arzt untersuchte mich daraufhin und sagte, ich benötigte sofortige medizinische Betreuung. Nach eineinhalb Monaten Krankenhausaufenthalt verordnete er mir immer noch völlige Bettruhe. Meine Angehörigen mußten die gesamten Behandlungskosten tragen. Deshalb erklärten sie, sie würden mich zu Hause pflegen, was schließlich unter der Bedingung, daß ich mich regelmäßig in der Polizeistation melde, akzeptiert wurde. Auf diese Weise durfte ich nach Hause zurückkehren.

2001 speiste ich einmal mit Freunden in einem Restaurant. Plötzlich stürzten mehrere PSB Milizionäre herein und winkten mich beiseite. Ich wurde zur Rede gestellt, was ich alles tue und wieder geschlagen. Dann wurde ich eines Tages mit einigen anderen Strafgefangenen durch die Straßen gefahren und dem Publikum zur Schau gestellt. Nach 15 Tagen Haft ließen sie mich frei, warnten mich jedoch, daß all meine Schritte genau überwacht würden. Wegen dieser Restriktionen bin ich nun mit meiner Frau und meinen vier Kindern nach Indien geflohen. Ich möchte auch, daß meine Kinder im Exil eine bessere Erziehung erhalten."

Teil 5

Karma Dawa, der Initiator des Drapchi-Protestes vom Mai 1998, floh aus dem Drapchi Gefängnisspital

Karma Dawa, alias Kadar, ist die Flucht aus einem Hospital in der Nähe des Drapchi Gefängnisses, wo er sich von einer größeren Operation erholte, gelungen.

Früher wegen mutmaßlicher krimineller Delikte wie Raub und Entwendung eines Gewehrs überführt, war Kadar vom Mittleren Volksgericht Lhasa zu 13 Jahren in Drapchi verurteilt worden. Kadar ist es gewesen, der zusammen mit seinem Mitgefangenen Karma Sonam im Mai 1998 die Proteste in Drapchi auslöste, als er Unabhängigkeitsparolen rief und Zettel in die Luft warf. Diese verwegene Tat auf dem Gelände des Gefängnisses brachte den beiden eine Urteilsverlängerung von acht bzw. neun Jahren ein.

Das TCHRD interviewte Kadar mehrere Male. Hier folgt die Übersetzung seines persönlichen auf Tibetisch geschriebenen Berichts:

"Ich stamme ursprünglich aus dem Kreis Sershul (chin. Shiqu xian), TAP Kandze. 1994 begab ich mich mit meinem Freund Tsering Norbu zur Pilgerfahrt und aus geschäftlichen Gründen nach Lhasa. Nach vier Tagen nahmen uns sieben Polizisten in der Nähe des Ramoche Klosters fest und sperrten uns in das Polizeihauptrevier ein. Sie beschuldigten uns, Passanten ausgeraubt und einem Polizeioffizier sein Gewehr gestohlen zu haben. Wir wurden beide fürchterlich geschlagen.

Nach einer Woche wurden wir in die Gutsa Haftanstalt verlegt, wo ich ein Jahr und acht Monate lang festgehalten wurde. Bei den Vernehmungssitzungen wurde ich mit elektrischen Viehstöcken traktiert und mit noch schlimmeren Foltermethoden bedroht, um mich zu einem Geständnis zu pressen. Aber während der ganzen Zeit, die ich dort einsaß, bekannte ich mich nicht zu den gegen mich erhobenen Beschuldigungen.

Schließlich wurde ich nach drei Gerichtsverhandlungen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Ich beteuerte immer wieder meine Unschuld und verlangte, daß das Gericht entweder Beweise oder Zeugen für meine vermeintlichen Verbrechen liefere. Nach dem Urteilsspruch wollte ich Berufung gegen das Urteil einlegen. Die Gerichtsbeamten erklärten mir jedoch, ich müsse meine Strafe absitzen, ehe ich ein Recht zur Berufung hätte.

1996 wurde ich in die Sektion 6 des Drapchi Gefängnisses verlegt. Ich erzählte einem tibetischen Gefängnisbeamten meine Geschichte, der mich darin bestärkte, Berufung einzulegen. Ich richtete daher zwei Appelle an das Mittlere Volksgericht von Lhasa. Darin beschrieb ich den Verlauf des Prozesses und erklärte, daß ich zu Unrecht beschuldigt wurde und unschuldig sei.

Drei Monate später kamen zwei Beamte des Mittleren Volksgerichts von Lhasa zu mir ins Drapchi Gefängnis. Eine tibetische Beamtin namens Dekyi fragte, warum ich das Berufungsschreiben verfaßt hätte und meinte, es sei ein nutzloser Akt gewesen. Sie riet mir dringend davon ab, die Berufung weiter zu verfolgen, weil mir dies möglicherweise eine Haftverlängerung einbringen könnte. Ich beteuerte den Beamten gegenüber erneut meine Unschuld und verlangte, daß sie einen Beweis für die mir angelasteten Verbrechen erbringen sollten. Sie notierten alle meine Bemerkungen, doch es geschah nichts daraufhin.

Drei Jahre lang arbeitete ich in der Schneiderei in Drapchi. Insgeheim hörte ich die tibetischen Radiosendungen von Voice of America und Radio Free Asia. So wurde mir allmählich die Lage der tibetischen politischen Gefangenen bewußt. Bei Besuchen ausländischer Delegationen bekamen wir auf einmal besseres Essen, sonst war die Ernährung so miserabel, daß wir gesundheitliche Schäden davontrugen. Während derartiger Besuche wurden die tibetischen politischen Gefangenen zumeist in ihre Zellen gesperrt, um den Anschein zu erwecken, daß es gar nicht so viele von ihnen gäbe.

Alleine in meiner Gefängniszelle dachte ich über die Tragödie Tibets und die traurige Situation der Tibeter nach. So fühlte ich mich immer mehr gedrängt, gegen das zu protestieren, was die Tibeter unter der kommunistischen Herrschaft allgemein erleiden, sowie gegen die entsetzlichen Bedingung der politischen Gefangenen im Besonderen. Ich sprach mit Karma Sonam, einem Leidensgefährten, über meine Gedanken und wir beschlossen zu protestieren, sobald sich eine günstige Gelegenheit bieten würde - entweder der Besuch einer ausländischen Delegation oder ein wichtiger Jahrestag oder ein großes öffentliches Meeting. So schrieben wir "Free Tibet" und "Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama" auf Zettelchen, von denen jeder von uns 15 Stück hatte.

Am 1. Mai 1998 plante die Gefängnisleitung den internationalen Tag der Arbeit zu begehen, was eine Flaggenzeremonie und eine Vorführung militärischer Drillübungen durch die Insassen bedeutete. Alle Gefangenen, sowohl kriminelle als auch politische, wurden in Reih und Glied aufgestellt. Kurz bevor die Flagge hochgezogen werden sollte, traten Sonam und ich aus der Reihe und riefen Free Tibet und verteilten unsere Zettelchen. Andere Gefangene fielen sofort ein und riefen mit uns Free Tibet. 20 Minuten lang herrschte völliges Chaos auf dem Gefängnishof. Dann stürzten sich jedoch von allen Seiten bewaffnete Volkspolizisten auf die Gefangenen. Viele wurden geschlagen und erlitten schwere Verletzungen. Infolge dieses Protestes starben acht politische Häftlinge und 27 wurden mit Urteilsverlängerungen bestraft.

Ich wurde auch entsetzlich geschlagen und drei Monate und 28 Tage lang in Isolationshaft gesperrt, wobei ich Fuß- und Handschellen trug. Jeden Monat wurde ich verhört; zwei Häftlinge wurden extra abgestellt, um mich zu beobachten und über all mein Tun Bericht zu erstatten. Danach wurde ich wieder vor Gericht gestellt und mit einer Haftverlängerung von acht Jahren bestraft, während Karma Sonam neun Jahre bekam. Bei diesem Anlaß erklärte ich wieder meine Unschuld und wandte mich gegen die Ungerechtigkeit des Gerichtsprozesses.

Diesmal stimmte das Gericht zu, eine Untersuchung des vorausgegangenen Verfahrens einzuleiten. Doch dabei kam nichts heraus, und ich hörte niemals etwas über das Ergebnis der Untersuchung. Bei beiden Prozessen wurde mir ein Rechtsbeistand verweigert, und außer Karma Sonam, mir und den Gerichtsbeamten war niemand anwesend. Wir kamen beide in die Abteilung eins des Drapchi Gefängnisses.

Allmählich stellten sich schwere gesundheitliche Probleme bei mir ein, doch die Gefängnisaufseher wollten mir nicht glauben, daß ich krank sei, weshalb mein Zustand immer schlimmer wurde. Nach wiederholten Bitten um eine medizinische Untersuchung brachten sie mich schließlich im Juli 1999 in das Militärhospital von Lhasa. Die ganze Zeit über waren sowohl meine Füße als auch meine Handgelenke mit Ketten gefesselt. Ein Arzt erklärte, daß ich operiert werden müßte.

Ich mußte ein Schriftstück unterschreiben, daß ich im Falle des Mißlingens der Operation selbst für meinen Tod verantwortlich sei. Ein Gefängnisaufseher fragte mich, ob ich vor der Operation noch irgendeinen Wunsch hätte. Ich bat darum, daß meine Mutter mich im Krankenhaus besuchen dürfe, doch sogar dieser Wunsch wurde mir verweigert. Selbst während der Operation war ich angekettet.

Nach einem Monat im Hospital besserte sich mein Zustand allmählich. Ich bat erneut darum, daß die Ketten entfernt würden, aber ohne Erfolg. Zwei Soldaten bewachten alle politischen Gefangenen aus Drapchi, die sich in dem Hospital befanden. Eines Tages beschlossen sie, daß alle Häftlinge gewaschen werden sollten, weshalb wir in den Hof geführt wurden. Ich weigerte mich zu gehen, weil mir das Laufen mit den Ketten schwerfiel. Da nahmen sie mir die Ketten endlich ab. Bald erfolgte eine Wachablösung und die neuen Wachen bestanden nicht mehr auf den Ketten. So versteckte ich sie unter dem Bett und konnte mich nun frei bewegen. Die neuen Wachen schienen nicht zu wissen, daß ich eigentlich hätte gefesselt werden müssen. So nahm diese schmerzhafte Erfahrung ein Ende.

Am 6. August 1999 sah ich eine Gelegenheit zur Flucht. Um etwa ein Uhr nachmittags sagte ich den Wachen, daß ich zur Toilette müsse. Unter meiner Gefangenenuniform trug ich gewöhnliche Kleider. Die Wachen schauten Fernsehen und kümmerten sich nicht weiter um mich. Als ich merkte, daß ihre ganze Aufmerksamkeit von dem TV Programm gefesselt war, stahl ich mich vorsichtig aus der Toilette und rannte weg.

Drei Tage lang rannte und rannte ich, ehe ich wagte, meinen Schritt etwas zu verlangsamen. Ich ging zum Haus meines Onkels, wo ich etwa einen Monat blieb. Es gelang mir, von dort zu entkommen, noch ehe die Polizei kam, um mich festzunehmen. Mein Onkel und seine Tochter wären von der Polizei drangsaliert worden, weil sie nicht sofort Anzeige erstattet hatten, daß ich mich bei ihnen aufhielte. Danach tauchte ich unter und versteckte mich viele viele Monate lang.

2002 gelang mir schließlich die Flucht aus Tibet und ich konnte den ganzen Weg bis zu dem Tibetan Reception Centre in Nepal ohne Hindernisse zurücklegen. Ich floh hauptsächlich, um einer Wiederverhaftung zu entgehen und um als Stimme für andere tibetische politische Häftlinge zu dienen, die weiterhin in den chinesischen Gefängnissen schmachten."

Teil 6

Exiltibeter wegen Einreise nach Tibet festgenommen

In einem eklatanten Widerspruch zu der Behauptung der Regierung, daß "Brüder aus dem tibetischen Exil" willkommen seien, wenn sie zurückkehren, wurden, wie das TCHRD erfuhr, mehrere Personen bei ihrem Versuch, nach Tibet einzureisen, festgenommen. Der in Indien geborene 28-jährige Tseten Dorje wurde neulich aus eben diesem Grunde festgehalten. Er berichtete dem TCHRD: "Ich stamme aus einer siebenköpfigen Familie in der tibetischen Niederlassung Kollegal in Südindien. An mehreren Orten in Indien arbeitete ich als Küchenchef. Von 1992 an diente ich sieben Jahren lang in der Indischen Armee. Im Februar 2002 begab ich mich nach Nepal.

Nach ein paar Tagen Aufenthalt schloß ich mich einer Gruppe von Tibetern an, die gerade von einer Reise nach Indien zurückgekehrt war. Unser Ziel war der Mount Kailash, und schließlich erreichten wir die Präfektur Ngari. Doch unterwegs wurden wir von sieben Polizisten angehalten, die uns 18 Tage in das Ngari Haftzentrum sperrten. Dann wurden wir in ein neues Haftzentrum direkt gegenüber dem Tashi Lhunpo Kloster verlegt, in dem sich über 200 tibetische Gefangene befanden, die alle beim Versuch, aus Tibet zu fliehen oder wieder nach Tibet einzureisen, festgenommen worden waren.

Ich wurde hauptsächlich gefragt, was der Zweck meiner Reise sei, sowie über die Exilregierung in Nordiniden. Sie wollten etwa wissen, worüber der neu gewählte Premierminister Samdhong Rinpoche in seinen Reden gesprochen habe, was die verschiedenen Abteilungen der Exilregierung seien, wie viele Personen beim Tibetan Reception Centre beschäftigt seien und was ihre Tätigkeit sei. Sie wollten auch wissen, wie viele tibetische Schulen es im Exil gäbe. Sie haben eine Menge Photos aus dem Exil, hauptsächlich von Schulen und Klöstern. Ich antwortete, ich sei zur Pilgerfahrt nach Tibet gekommen und um Verwandte aufzusuchen.

An diesem neuen Haftzentrum hängt ein großes Schild mit der Aufschrift "Empfangszentrum" (tib. Nyelenkhang). Einer Zeitungsnotiz zufolge wurde das Nyelenkhang hauptsächlich dazu konzipiert, um Tibetern, die aus dem Exil nach Tibet zurückkehren, Unterkunft zu bieten. Die Zimmer sind gut eingerichtet, sie sind mit hübschen und dicken Kissen ausgestattet und die Toiletten sind sauber. Aber den Insassen werden strenge Regeln auferlegt, wie etwa das Verbot zu singen, zu beten oder auszugehen. Wir bekamen nachmittags eine Tasse schwarzen Tees und ein wenig Tsampa und abends größtenteils ungekochte tibetische Nudeln. Da dieses "Empfangszentrum" ganz neu ist, macht es äußerlich einen ordentlichen Eindruck. Insofern als die Insassen keine Ausgangsfreiheit haben und nicht ihre Meinung sagen dürfen, unterscheidet es sich jedoch in nichts von einem normalen Gefängnis. Der Name ist nur eine Fassade.

Im Laufe meiner Inhaftierung dort kamen Besucher aus Taiwan und Singapore, um den Gefängnistrakt zu besichtigen. Solange sie da waren, bekamen wir gutes Essen, aber danach war es wieder so mies wie vorher. Wenn jemand in dem Haftzentrum krank wird, wird er nicht richtig behandelt. Die Arznei, die ich wegen eines Lungenleidens erhielt, verschlimmerte nur noch meine Krankheit. Schließlich mußten sie mich in das Volkshospital von Shigatse bringen. Im ganzen war ich 6 Monate und 20 Tage eingesperrt; während dieser Zeit wurde ich mit den anderen Insassen zum Straßenbau und anderen Bauarbeiten eingesetzt.

Da ich keine Reisedokumente habe, wurde ich über Shigatse und Dram (Tibet-Nepal-Grenze) nach Nepal abgeschoben. Nicht einmal meine geplante Pilgerfahrt konnte ich ausführen. In Dram ermöglichte mir die chinesische Polizei die Einreise nach Nepal.

Ich ging nach Tibet, um die wahre Lage innerhalb Tibets zu Gesicht zu bekommen. Bei unseren Ausfahrten zur Bauarbeit sah ich, daß die Menschen in den ländlichen Gegenden Tibets wie Tingri und Shigatse immer noch schwer unter der Armut leiden. Die sogenannte Entwicklung ist auf die paar größere Städte beschränkt. Ich fand, daß sogar die Straßen auf dem Lande im Vergleich zu den in Städten miserabel sind. Ich wurde sehr traurig, als ich eine solche Armut in Tibet sah. Es gibt auch sehr viele Bettler.

In Nepal angekommen, stellte ich mich verrückt, damit die Grenzpolizei mich nach Kathmandu ziehen lassen würde. Am 23. November 2002 erreichte ich das Tibetan Reception Centre."

Teil 7

Erlebnisse eines Flüchtlings an der Grenze

Der 22 Jahre alte Lobsang Sherab berichtete dem TCHRD: "Ehe ich mit 15 Jahren Mönch im Kloster Sogtsang wurde, hütete ich das Vieh. Ursprünglich stamme ich aus dem Distrikt Dzoge in der TAP Ngaba, Provinz Sichuan.

Im April 2000 schrieben Phegyal und Palden, zwei Mönche aus meinen Kloster, Free Tibet auf die Windschutzscheibe eines am Straßenrande geparkten Privatautos. Noch am selben Tag wurden sie von der Polizei des Ortes verhaftet. Später wurden sie von dem Distriktgericht von Dzoge zu 2 Jahren Haft verurteilt. Palden wurde noch vor Beendigung seiner Strafe entlassen, doch Phegyal starb nach seiner Entlassung Ende Februar. Es heißt, er sei im Gefängnis entsetzlich gefoltert worden. Ich kann mich zwar nicht an dessen Namen erinnern, doch die Mönche sind ursprünglich von meinem Heimatort.

Im Mai 2001 versuchte ich in einer Gruppe von fünf Personen, einschließlich des Guide, aus Tibet zu fliehen. Noch ehe wir Solukhumbhu erreichten, wurden wir von einer chinesischen Polizeistreife verhaftet. Es war um Mitternacht; sie banden unsere Schnürsenkel zusammen und stießen uns herum. Dann hauten sie uns mit ihren Stiefeln auf den Kopf und hänselten uns, das sei ein symbolischer Akt dafür, daß der Dalai Lama uns seinen Segen erteile. Sie taten dies alles, um sich über unseren tiefen Glauben an S.H. den Dalai Lama lustig zu machen. Durch ihr barbarisches Verhalten verletzten sie unsere religiösen Gefühle tief.

Dann kamen wir für eine Nacht in das Haftzentrum von Tingri. Später verlegten sie uns in das Nyari Gefängnis (oder das PSB Haftzentrum von Shigatse), wo wir vier Monate eingesperrt blieben. Dort gibt es fünf Trakte; unsere Gruppe war im Trakt vier, der von etwa 170 Personen belegt war, meistens Tibetern, die aus Indien zurückgekehrt waren. Ich sah dort auch Tenpa Dhargyal und Thinlay aus Amdo Golog. Sie waren eingesperrt worden, weil sie acht tibetische Nationalflaggen und andere politische Gegenstände aus Indien mitgebracht hatten. Unter grausamen Schlägen wurden die beiden 15 Tage lang verhört.

Im September 2001 wurden wir, insgesamt 69 Personen, alle aus dem Distrikt Dzoge, in einem LKW an unseren Heimatort verfrachtet. Dort wurden wir weitere 10 Tage in Haft gehalten. Nach Zahlung einer Geldstrafe von 3.500 Yuan an die Distriktpolizei kam ich frei.

Bald nachdem wir in Dzoge angekommen waren, klebten drei Mönche (Choephel, Wangden und Yibning) aus dem Kloster Sogtsang in der Gemeinde Thango Plakate an die Wände, auf denen "die Tibeter zur Einheit aufgerufen wurden, und sie gemahnt wurden, die tibetische Sprache zu verwenden und die tibetische Kultur zu bewahren". Die Polizei von Dzoge nahm die drei Mönche unverzüglich fest. Choephel, den sie als Anstifter zu der Tat verdächtigten, wurde zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, während die beiden anderen mit je 4.000 Yuan Geldstrafe davon kamen.

Mit meiner fünfköpfigen Gruppe ging ich im Februar 2002 wieder nach Lhasa. Wir wohnten in einem Hotel namens Mentzekham. Die Polizei verhaftete uns ohne jeden Anlaß. Sie sagten bloß, wir sähen wie Mörder aus und wir machten den Eindruck, als wollten wir ins Exil fliehen. Nach fünf Tagen ließen sie uns frei. Meine Begleiter wurden nach Dzoge zurückgebracht, doch ich blieb einige Zeit im Kloster Drepung. Im September 2002 gelang mir dann zusammen mit 28 anderen Personen die Flucht, und wir erreichten am 30. September das TRC in Kathmandu.

nach oben