Human Rights Update

August 2002

Inhalt
  1. Chinesische Behörden schließen tibetische Privatschule
  2. Wohlhabender Geschäftsmann flieht aus Tibet
  3. Zugang zu Informationen gesperrt
  4. Der Mentor des Karmapa und zwei seiner Assistenten verhaftet
  5. Ein tibetischer Mönch und vier andere seit 1994 im Gefängnis
  6. Festgenommene Mutter mit ihrem Baby aus dem Gefängnis in Nepal freigelassen
  7. Kalachakra Initiation in Tibet verboten
  8. Erziehung in Malho
  9. Arbeitsteam im Kloster Yoetri
  10. Neuer Bericht über Grund- und Wohnrechte
Teil 1

Chinesische Behörden schließen tibetische Privatschule

Einer zuverlässigen Information aus Tibet zufolge wurde die Tsa-Sur Schule (tsha zur), eine tibetische Privatschule in Lhasa, die unter dem Volk auch als Tsang-Sul Schule bekannt ist, Ende Juli 2002 von der chinesischen Regierung geschlossen.

Die Schule entstand 1988 durch die Bemühungen dreier Tibeter, die sich für die Förderung und Erhaltung der tibetischen Sprache einsetzten. In den Anfangsjahren wurde sie mit freiwilligen Beiträgen der Schüler betrieben, später erhielt sie auch Unterstützung aus dem Ausland.

Bei der Mehrheit der Lehrer handelte es sich um ehemalige politische Gefangene oder Leute mit einer politisch aktiven Vergangenheit. Der erste Rektor der Schule, Lobsang Yonten, alias Tsang-Sul Shangla, wurde im Mai 1993 acht Monate lang eingesperrt, weil er versucht hatte, einer in Lhasa zu Besuch weilenden Europäischen Delegation Dokumente zu übergeben. Er starb am 30. Oktober 1994. Nach Lobsang Yontens Tod trat Topgyal an seine Stelle und leitete die Schule, bis sie geschlossen wurde.

Die Tsangsul Schule war wegen ihrer geringen Schulgebühren und dem hohen Unterrichtsstandard sehr populär. Bis zur Mittelschule-Ebene wurde ein ähnlicher Lehrplan wie in anderen Schulen eingehalten; dabei war Tibetisch das Hauptfach, gefolgt von Chinesisch, Mathematik und Englisch. Ein Flüchtling, der 1995 in Indien eintraf, erzählte, die Schule habe damals 120 Schüler umfaßt, denen keinerlei Einschränkungen oder Bedingungen auferlegt wurden.

2002 zählte die Schule 500 Schüler, wobei die 60 Vollwaisen Schulgeldfreiheit genossen, während die übrigen Schüler, die im allgemeinen nicht in der Lage waren, die in anderen Schulen geforderten überhöhten Gebühren aufzubringen, einen Nominalbetrag von 20 Yuan pro Semester entrichteten. Es gab 12 Lehrer an der Schule mit Topgyal als Rektor, Administrator und wichtigstem Lehrer.

Wie ehemalige Schüler, die mit dem TCHRD sprachen, erzählten, lief die Schule ausgezeichnet. 2001 machte die dortige Regierungsschule Yuethong Schule No. 1 jedoch Schwierigkeiten. Viele Eltern hatten nämlich ihre Kinder von der Regierungsschule genommen und sie statt dessen in die Tsangsul Schule geschickt, weshalb die Leiter der Regierungsschule die Tsangsul Schule für den Rückgang ihrer Schülerzahl verantwortlich machten.

Bewohner dieses Stadtteils meinen, daß die wachsende Popularität der Schule, ebenso wie ihre Weigerung, der Forderung der Regierung nachzukommen und höhere Schulgebühren zu kassieren, Anlaß zu ihrer Schließung gewesen sein könnte. Die Behörden warfen der Schule offenbar vor, sie stehe mit der "Dalai Clique" in Verbindung. Das Schulgelände und die Klassenräume waren von einer ortsansässigen Familie angemietet worden. Nach der kürzlich von der Regierung erfolgten Order darf der Grundbesitzer die Räumlichkeiten nun nicht mehr für Unterrichtszwecke vermieten. Alle Lehrer sind jetzt arbeitslos, ebenso ist das Schicksal der Kinder unbekannt.

Teil 2

Wohlhabender Geschäftsmann flieht aus Tibet

Nyima Tsering ist ein 32 Jahre alter Thangka Maler aus Labrang, der aus Tibet floh und im August 2002 in Indien eintraf. Nyima diente kurzzeitig in der chinesischen Armee, wonach er seinem Onkel in dessen Laden in Lhasa half. Da das Geschäft jedoch nicht gut lief, beschloß Nyima, es selbst mit einem Unternehmen zu versuchen und machte 2000 einen Laden in Shigatse auf.

"Die Prozedur war langwierig, da Leuten von außerhalb der TAR gewöhnlich keine Lizenzen erteilt werden und die Beamten gewaltig geschmiert werden müssen. Außerdem ist die monatlich zu entrichtende Steuer exorbitant. An das zuständige Amt (Kunshang) sollten monatlich 70 Yuan abgeführt werden. Außerdem muß man jeden Monat 120 Yuan an die Steuerbehörde abliefern. Dazu kommt noch die "Sauberkeitssteuer" von 80 Yuan, weitere 300 Yuan an die Feuerwehr und 12 Yuan für die Wasserversorgung."

Nyima widmete sich anfangs der Bemalung von Möbeln und Schneiderarbeiten. "Zuerst hatte ich drei Lehrlinge aus der armen Landbevölkerung. Allmählich vergrößerte ich mein Geschäft, so daß ich ein Restaurant aufmachen konnte. Ich hatte annähernd 86 Angestellte und machte gute Gewinne. Sogar das Fernsehen von Shigatse brachte einen Beitrag über meinen Aufstieg im Geschäftsleben als Beispiel für einen erfolgreichen Privatunternehmer. Meine Gesellschaft trug den Namen "Amdo Schneiderei". Auf der Höhe meines geschäftlichen Erfolgs hatte ich ein Vermögen im Wert von 600.000 Yuan.

Um den 6. August 2001 kamen bei einer der berüchtigten plötzlichen Kontrollvisiten Polizisten und konfiszierten 20 Paar Teppiche (Anm. Teppichbrücken werden paarweise verkauft) im Wert von etwa 4.000 Yuan pro Paar, sowie 12 Thangkas. Solche Inspektionen werden eigentlich durchgeführt, um nach unregistrierten Gästen zu fahnden. Es waren Thangkas von Chenrezig und sie kosteten etwa 20.000 Yuan pro Stück. Am nächsten Tag verbrannten sie alle konfiszierten Thangkas direkt vor meinen Augen. Und sie verlangten außerdem eine Strafe von 6.000 Yuan von mir, obwohl ich sagte, daß ich nicht so viel Geld hätte, um das zu zahlen. Als ich meine Unschuld beteuerte, erwiderten sie, ich hätte diese Dinge absichtlich hergestellt. Wenn ich Schneelöwen und Schneeberge male oder aufnähe, so sei das ein politisches Vergehen, warfen sie mir vor.

Ich wurde festgenommen, vor Gericht gestellt und zu drei Jahren Haft im Ngamring Gefängnis, Shigatse, verurteilt. Nach zwei Monaten Haft beauftragte die Gefängnisleitung mich, den Potala Palast zu malen, um der Anstalt Einkommen zu verschaffen. Diese Arbeit nahm etwa einen Monat in Anspruch. Nach seiner Fertigstellung verkauften sie das Werk für 14.000 Yuan an den Shigatse Gagchen Laden. In Anerkennung meines Beitrags wurde ich lange vor Ende meiner Haftstrafe entlassen. Ich war im ganzen 3 Monate im Ngamring Gefängnis. Dort waren etwa 300 Gefangene mit Haftstrafen bis zu drei Jahren. Häftlinge mit längerem Strafmaß wurden nach Drapchi verlegt.

Nach meiner Entlassung kehrte ich nach Shigatse zurück, doch mein Restaurant war dicht gemacht und alle Gegenstände konfisziert worden. Am Ende war ich völlig bankrott. Alle meine Angestellten hatten mich verlassen, und mir wurde untersagt, mein Geschäft fortzusetzen."

Teil 3

Zugang zu Informationen gesperrt

Wie Anfang August aus Tibet verlautete, schränkt der örtliche und regionale Verwaltungsapparat den Gebrauch des Internets immer mehr ein und greift zu den verschiedensten Mitteln, um ausländische Radiosendungen zu blockieren. Die Tibeter sind daher sehr eingeschüchtert und haben Angst, solche Sender zu hören. Berichten zufolge arbeitet die Regierung mit High Tech Geräten, welche Störungen erzeugen und die Sender blockieren.

Wie ein Tibeter aus der TAP Ngaba berichtet: "In Ngaba wurde unter dem Vorwand, eine alte mobile Sendestation zu ersetzen, ein neues Gerät installiert. Seitdem ist der Empfang verschwommen und die Sendungen sind kaum hörbar. Dieser neu installierte Apparat beeinträchtigt die Qualität der Übertragung, die jetzt von weit entfernt klingt und von lauten Geräuschen gestört wird.

Teil 4

Der Mentor des Karmapa und zwei seiner Assistenten verhaftet

Innerhalb von sechs Monaten nahmen die Chinesen dieses Jahr Yongzin Nyima, den Lehrer von Karmapa Ugyen Trinley Dorjee, und zwei weitere Mönche, Thupten und Namla, fest.

Wie aus zuverlässiger anonymer Quelle verlautet, wurden der Mönch Thupten im Januar, als er aus Tibet zu fliehen versuchte, Namla im März in Osttibet und der Lehrer Nyima im Juni in Kongpo festgenommen. Einem unbestätigten neuen Bericht aus Tibet zufolge ging der Lehrer Nyima in der Haft zum Zeichen seines Protestes in den Hungerstreik. Das TCHRD konnte noch nicht in Erfahrung bringen, wo sie derzeit festgehalten werden und wie es um ihre Gesundheit steht.

Unterdessen bekundete der Karmapa seine ernste Besorgnis um das Wohlergehen der drei Mönche. In einer kürzlich erfolgten Presseerklärung appellierte er an die chinesischen Behörden, die drei inhaftierten Mönche nicht zu foltern und sie unverzüglich freizulassen.

Teil 5

Ein tibetischer Mönch und vier andere seit 1994 im Gefängnis

Lobsang Palden, ein 27 Jahre alter Mönch aus dem Kloster Serwa, wurde am 29. März 1994 von den Sicherheitskräften des Distrikts Pashoe (45 km südwestlich der Stadt Chamdo) festgenommen. Mit ihm wurden vier weitere Mönche aus demselben Kloster verhaftet, nämlich Chime Dorje, Lobsang Jinpa (Laienname Pema Tsering), Jampa Tashi und Lobsang Tsegyal (Laienname Lobsang Tendon).

Einer Sendung von Tibet TV vom 26. Juli zufolge, die von BBC aufgefangen wurde, wurden alle fünf der "konterrevolutionären Propaganda" überführt. In der offiziellen chinesischen Verlautbarung hieß es, daß die Festgenommenen aus der Gemeinde Rizhi stammten. Dies ist wohl die chinesische Version von Ritri (ri-khid), einer entlegenen, auch Doser genannten Gemeinde im nördlichen Teil des Distrikts Pashoe (chin. Baxoi).

Die Verhafteten wurden wegen der "Verbrechen", die sie am 29. März 1994 begangen hatten, vom Präfekturgericht in Chamdo verurteilt. Bei einem öffentlichen Meeting wurden sie der Menge vorgeführt und ihre Urteile verkündet.

Einer chinesischsprachigen Fernsehsendung zufolge "kamen am 29. März um etwa 20 Uhr die fünf Angeklagten mit ihren reaktionären Parolen und dem zuvor zubereiteten Leim bewaffnet in die Nähe des Gebäudes der Volksregierung der Gemeinde Ritri, worauf Jigme Dorje (Chime Dorje) und Lobsang Tsegye sich daran machten, ein Plakat mit reaktionären Sprüchen an einer Tür links des Gebäudes der Volksregierung anzubringen".

Ein anonymer Vertreter der Gemeindeverwaltung fügte hinzu: "Sie hatten das Namensschild des Regierungsgebäudes umgedreht, und das Schild des Parteibüros der Gemeinde hatten sie abgenommen und zu einer Straße etwa 90 m weiter weg geschleppt, wo sie es mit einem Stein zerschmetterten und die Bruchstücke zum Zeichen, daß sie die Volksregierung der Gemeinde stürzen wollten, mit der Schrift nach oben auf die Straße gelegt."

Zusätzlich hängten die Mönche Plakate auf, in denen sie zur Unabhängigkeit aufriefen. Darunter stand mit ihrer Unterschrift versehen "Wir sind Mönche aus dem Kloster Serwa". Angeblich hätten sie sich dann eines offiziellen Fahrzeugs bemächtigt, mit dem sie zu der Distriktverwaltung von Pashoe gefahren seien, wo sie noch mehr Plakate angebracht hätten, ehe sie festgenommen wurden.

Berichten zufolge wurden die fünf direkt nach ihrer Verhaftung am Tor des PSB-Büros des Distrikts an ihren Armen in der Luft aufgehängt. Lobsang Palden und Jampa Tashi wurden zu 12 Jahren und Chime Dorje, Lobsang Tsegyal und Pema Tsering zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Teil 6

Festgenommene Mutter mit ihrem Baby aus dem Gefängnis in Nepal freigelassen

Wie das TCHRD aus zuverlässiger Quelle erfuhr, kamen Tenzin Yangzom und ihr Baby am 23. August aus dem Dili Bazaar Gefängnis in Kathmandu frei. Ein deutscher Arzt hatte Tenzin Yangzom untersucht und bei ihr, die bereits in angegriffenem Zustand war, Typhus diagnostiziert. In Anbetracht des Ernstes ihres Zustandes sorgte der Arzt für die Zahlung der restlichen Strafe von NC (Nepali Currency) 121.897 nach Abzug von NC 25 für jeden im Gefängnis zugebrachten Tag, womit er Tenzins Freilassung erwirkte.

Mutter und Kind befinden sich nun in der Obhut der Klinik des Tibetan Reception Centre, wo das Baby, ein Junge, sich bereits von einem kleineren Magenproblem erholt hat. Tenzin Yangzom war zur Zeit ihrer Entlassung äußerst schwach und erholt sich nun langsam unter der Fürsorge des freundlichen Arztes und des Klinikpersonals. Sobald ihr Gesundheitszustand es zuläßt, will Tenzin nach Dharamsala zurückkehren.

Tenzin Yangzom wollte zusammen mit acht Studenten aus Amdo nach Tibet zurückkehren, als sie am 22. August 2001 von nepalesischem Sicherheitspersonal in Thangkot, dem wichtigsten Kontrollpunkt an der Grenze von Nepal zu Indien, festgenommen wurde. Die Nepalis forderten von den acht Studenten eine unmäßig hohe Summe von 1.365 US$ pro Person und eine zusätzliche Strafe von 20.000 NC für illegales Überschreiten der Grenze, also insgesamt 121.897 NC pro Person. Bei nichterfolgender Zahlung drohten sie ihnen mit einem Versäumnisurteil von 10 Jahren Haft.

Die Studenten, die nicht in der Lage waren, diese riesige Summe zu zahlen, verharren nun seit August letzten Jahres im Gefängnis. Die 19-jährige Tenzin Yangzom gebar in der Gefangenschaft Tenzin Dhondup. Nach der Niederkunft wurde ihr Gesundheitszustand immer kritischer. Alle bisherigen Bemühungen, die kranke Mutter und das Baby aus medizinischen Gründen freizubekommen, scheiterten. Mehrere besorgte Menschenrechtsgruppen, darunter auch das TCHRD, sowie verschiedene Einzelpersonen, protestierten und brachten Nahrung für Mutter und Kind ins Gefängnis. Anstrengungen werden auch für die Entlassung der übrigen inhaftierten Tibeter gemacht, von denen einer, Sonam Gyaltsen Lama, ernstlich erkrankt sein soll.

Teil 7

Kalachakra Initiation in Tibet verboten

Tenzin Palsang ist ein 19-jähriger Mönch aus dem Kloster Rabten im Kreis Sog. Ihm und drei anderen Mönchen aus diesem Kloster gelang die Flucht, und sie erreichten im Juli Nepal.

Tenzin berichtet: "Im März 2001 sollte Geshe Gyaltsen Rabsel in Kreis Sog eine Kalachakra Initiation geben. Gyaltsen Rabsel trägt den Titel eines Geshe Lharampa des Klosters Sera und ist derzeit Abt des Klosters Rabten. Beamte des Kreises Sog hatten bereits ihre Erlaubnis erteilt, doch zwei Tage vor Beginn der Zeremonie kamen plötzlich Kader von der Kreisverwaltung und forderten ihre sofortige Einstellung. Dies war am 14. Tag des zweiten tibetischen Monats (nach dem Mondkalender). Große Vorbereitungen waren schon gemacht und viel Geld ausgegeben worden. Alles war fertig, aber nun erwiesen sich alle Anstrengungen als vergebens. Die Kader sagten, die Order käme von der Zentralregierung, mit der Begründung, das Kalachakra sei eine Lehre des Dalai Lama. Ein Mönch aus dem Kloster Rabten ging zu der Behörde und zeigte den Beamten ein Exemplar der Heiligen Schrift, um sie zu überzeugen, daß diese Lehre nicht vom Dalai Lama ist, sondern von Buddha selbst stammt. Einen Monat später wurde er zur Kreisverwaltung zitiert und fünf Tage lang zu Verhören in Gewahrsam gehalten. Zur Strafe dafür, daß er das Verbot der Initiation hinterfragt hatte, mußte er 200 Yuan zahlen. Ein Laie namens Gatsa Aryang wandte sich ebenfalls an die Verwaltung und bat, daß ihm erlaubt würde, das Kalachakra abzuhalten, denn er wolle persönlich die Verantwortung für etwaige politische Zwischenfälle übernehmen. Die Offiziellen schenkten jedoch niemand Gehör. Ältere Menschen wehklagten und warfen sich vor die Fahrzeuge der Beamten. Mehrere tausend Menschen, die gerne an der Initiation teilgenommen hätten und die von weit her gekommen waren, warteten etwa 10 Tage in der Hoffnung, daß es doch noch eine Erlaubnis geben würde.

Hunderte von Zelten waren aufgerichtet worden. Das Kloster hoffte, die ganze Zeremonie mit finanzieller Unterstützung einzelner Gönner durchführen zu können. Auch von anderen Distrikten waren Leute gekommen, etwa von Chamdo und Penpa, um die Belehrungen des verehrten Lamas zu hören. Aber bedauerlicherweise wurden diese untersagt. Die Zeremonie zieht immer sehr viele Tibeter an: Sponsoren, Mönche und allgemeines Publikum. Mit dem Verbot wollen die Chinesen eine derartige Ansammlung so vieler Leute verhindern."

Tenzin Palsang zufolge haben die Chinesen in seiner Gegend nun auch die Abhaltung der Prüfungen für den Geshe Lharampa Titel verboten, so daß niemand mehr diesen hohen geistlichen Grad des religiösen Studiums erreichen kann.

Teil 8

Erziehung in Malho

Palden Tashi ist ein 17-jähriger Student aus dem Distrikt Jentsa She, TAP Malho, Provinz Qinghai. Er kommt aus einer 8-köpfigen Bauernfamilie. Sein älterer Bruder Wangchuk Dorjee schloß sein Studium am Lehrerkolleg für ethnische Minderheiten in Henan im August ab. Palden berichtete über die Probleme an den Bildungseinrichtungen seiner Heimat.

"Für ein vierjähriges Universitätsstudium sind insgesamt 36.000 Yuan an Gebühren erforderlich, während das Schulgeld für die Oberschule 1.000 Yuan pro Jahr beträgt. Meine ältere Schwester Jalmo Kyab bleibt daher zu Hause und hilft den Eltern bei der Besorgung des Haushalts. Ich schloß die Mittelschule 1997 ab, aber da meine Eltern die Studiengebühren nicht aufbringen konnten, durfte ich nicht weiter lernen.

An meiner Schule waren etwa 1.100 Schüler, alles Tibeter. Jährlich mußten wir 400 gyama Getreide und fünf gyama Öl und obendrein noch 400-500 Yuan an die Schule abliefern. Dem Rektor, der für Tibeter überhaupt kein Verständnis hat, war das Wohlergehen der Schüler völlig egal. Das Essen, das sie uns gaben, war dürftig und unhygienisch. Obwohl es sich um eine staatliche von Chinesen geleitete Schule handelte, waren die Bedingungen erbärmlich. Von den 150 Lehrern waren 20 Chinesen. Die Schule verfügte weder über eine Bibliothek noch über Computer. Wir bekamen zwar die Schulbücher gestellt, doch Schreibmaterial mußten wir selbst kaufen. Es gab keine Sanitätsstation in der Schule, weshalb bei Erkrankung eines Schülers sofort dessen Eltern kontaktiert wurden.

Bilder Seiner Heiligkeit des Dalai Lama waren gänzlich verboten. Vorfälle mit "Free Tibet" gab es bisher an unserer Schule nicht. Doch insgeheim redeten die Schüler über derartige Fragen untereinander. Allgemein sind sie der Ansicht, daß Unabhängigkeit für Tibet mehr oder weniger unmöglich ist, weil andere Minderheiten dann dasselbe fordern würden und China sich auf keine Desintegration des Staates einlassen wird.

In letzter Zeit sind viele Muslime aus der Gemeinde Halong nach Jetsa gezogen und haben uns das Geschäft weggenommen. Ab1995 kamen sie immer wieder, wenn große Feste anstanden, etwa dem 1. Oktober, dem tibetischen Neujahr oder dem 1. Mai und dem 4. Mai, dem Tag des Sportes. An Orten, wo viele Menschen zusammenströmen, richten die Muslime Gaststätten, Verkaufsstände und andere Bruchbuden ein. Diese Leute haben gute Beziehungen zur Polizei von Jetsa, weshalb ihnen die Verkaufsplätze zugeteilt wurden und die Tibeter von ihren bisherigen Plätzen weichen mußten. Bei strittigen Fragen begünstigt die Polizei immer die Muslime, während die Tibeter stets den Kürzeren ziehen.

Nach Beratschlagung mit meiner Familie entschloß ich mich, nach Indien zu gehen. Ich startete mit 3.700 Yuan, aber als ich Nepal erreichte, hatte ich nur noch 200 Yuan. Zusammen mit 17 anderen Tibetern erreichte ich über Solokhumbu nach 18 Tagen Fußmarsch Kodari. Dort wurden wir von der nepalesischen Polizei festgenommen, die uns zur Immigrationsbehörde nach Kathmandu brachte.

Die vier Studenten, die Indien erreichten, sind Yanchen Lhamo, Samten, Tashi Dolma und Palden. Sie absolvierten die höhere Schule, aber konnten die Gebühren, die für ein Universitätsstudium nötig gewesen wären, nicht aufbringen. Die meisten der Tibeter, die sich von Jetsa aus auf die Flucht nach Indien machen, sind jedoch Mönche".

Teil 9

Arbeitsteam im Kloster Yoetri

Kunga Tenzin, ein 30-jähriger Mönch aus dem Dorf Arwade, Distrikt Markham, Präfektur Chamdo, traf am 28. August in Indien ein. Er erzählte:

"Ich bin ein Mönch aus dem Kloster Yoetri, das im Dorf Arwade liegt, und in dem 21 Familien wohnen. Wir leben sowohl vom Ackerbau als auch von der Viehzucht. Das Kloster Yoetri beherbergt 40 Mönche. 1997 kam erstmals ein Arbeitsteam der Distriktverwaltung, von dem Amt für Religion ins Kloster. Die Kader blieben 3 Monate und 20 Tage da. Ihre Hauptaufgabe war, Meetings mit uns abzuhalten, wo wir den Dalai Lama beschimpfen sollten. Sie griffen in das Recht der Mönche auf Freizügigkeit ein, indem sie ihnen verboten, Indien oder Lhasa zu besuchen. Wir wurden auch davor gewarnt, von einer Sekte zur anderen überzuwechseln und zum Einhalten der eigenen religiösen Traditionslinie gemahnt.

Von den 40 Mönchen besaßen nur 30 eine Erlaubnis, im Kloster zu wohnen, und der Rest wurde nicht hereingelassen. Als die Kader uns zu den Sitzungen riefen, waren viele Mönche nicht gewillt hinzugehen. Einige jüngere Mönche benützten Ausflüchte, um den Meetings fern zu bleiben, und nur einige ältere gingen hin. Diese erklärten den Kadern immer wieder, sie hätten andere Dinge zu tun und könnten die Indoktrinierungsklassen nicht besuchen. Das Arbeitsteam gab uns Lehrbücher aus, aber wir interessierten uns nicht für deren Inhalt. Wir sollten diese studieren und dann Prüfungen ablegen. Aber viele Mönche scherten sich nicht darum. Sie fühlten sich durch die Anwesenheit der Kader in ihren Studien und Meditationen gestört. Nicht einmal Mönche, die gerade im Retreat waren, wurden in Ruhe gelassen, auch sie hatten zum Unterricht zu erscheinen. In letzter Zeit kamen die Arbeitsteams dreimal im Jahr und blieben jedes Mal etwa eine Woche.

Es gab niemals Vorfälle mit "Free Tibet" Wandplakaten in unserem Kloster, doch die Mönche sprachen untereinander über die Unabhängigkeit für Tibet. Sie hoffen immer noch auf Freiheit für Tibet, denn sie meinen die Tibeter seien stärker als die chinesischen Zuwanderer. Die Mönche sind in ihrem eigenen Kloster sehr frustriert, und sie würden so gerne nach Indien gehen, um ihre religiösen Studien dort fortzusetzen. Ich bin im Augenblick der einzige Mönch unseres Klosters, der ins Exil geflohen ist, aber ich bin sicher, daß die anderen später nachkommen werden. Die Mönche unseres Klosters wollen nicht von den Chinesen eingeschränkt sein. Sie sehnen sich danach, vom Dalai Lama empfangen zu werden.

Ich nahm mir vor, ein guter Dharma-Praktizierender zu werden, aber unter der chinesischen Besetzung konnte ich meinen Wunsch nicht erfüllen. Auch der Besitz von Bildern S.H. des Dalai Lama war in unserem Kloster eingeschränkt. Unsere religiösen Studien wurden ständig durch die Übergriffe der chinesischen Arbeitsteams beeinträchtigt und wir hatten keinen inneren Frieden mehr. Daher beschloß ich, Tibet zu verlassen."

Teil 10

Neuer Bericht über Grund- und Wohnrechte

Das TCHRD veröffentlichte einen neuen Bericht über Grundeigentums- und Wohnrechte, der den Titel "Die Enteigneten" trägt. Viele Jahre lang berichteten Menschenrechtsgruppen hauptsächlich über die Verweigerung der politischen und bürgerlichen Freiheitsrechte durch die Chinesen, sie ließen wirtschaftliche Aspekte jedoch außer acht. China verteidigte seinen Standpunkt in politischen und bürgerrechtlichen Fragen oft damit, daß seine Bürger mehr Wert auf wirtschaftliche Sicherheit als auf persönliche Freiheit legten. Nachdem China 2001 nun den Internationalen Vertrag über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ratifiziert hat, ist die Zeit für eine genauere Analyse seines Umgang mit spezifischen wirtschaftlichen Rechten gekommen.

Das TCHRD hat deshalb diesen Report über Grundeigentums- und Wohnrechte zur Vorlage bei zwei verschiedenen Foren ausgearbeitet, nämlich dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (World Summit for Sustainable Development) (WSSD) in Südafrika im September 2002, und dem UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, das Chinas ersten, im Juni 2003 fällig werdenden Rechenschaftsbericht über seine Einhaltung des ICESCR, begutachten wird.

Die Rechte auf Grundeigentum, Wohnung und nachhaltige Wohnräume sind wirtschaftliche Fragen, die nicht nur die persönlichen Rechte des einzelnen, sondern die Zukunft eines ganzen Landes betreffen. Es muß zwischen dem Anspruch des Einzelnen auf den gerechten Zugang zu qualitativ gutem Grund und Boden bzw. Wohnraum und der Forderung, daß die Siedlungen, in denen sich die Wohnungen befinden oder die Nutzung von Grund und Boden nachhaltig zu sein haben, ein Ausgleich gefunden werden. Dieser Bericht prüft daher Fragen der Wohnungsbeschaffung und der Landnutzung anhand eines Rahmenwerks, welches das Recht der Menschen auf nachhaltige Entwicklung berücksichtigt.

1996 legte sich die PRC offiziell auf die volle und progressive Realisierung des Rechts auf angemessene Wohnung fest. Und durch die Ratifizierung des ICESCR 2001 hat sie sich von Gesetzes wegen zur Anerkennung dieses Rechtes verpflichtet. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat China auch regelmäßig Eingaben an das UN Komitee für Nachhaltige Entwicklung gemacht, in denen es seine Einhaltung der Auflagen für nachhaltige Entwicklung einschließlich des Rechtes auf Grund und Boden beteuert. Diesem Versuch, das Gesicht zu wahren, zum Trotz gibt es in Tibet zahlreiche ernsthafte Verstöße gegen internationale Rechtsgrundsätze.

Durch eine Untersuchung der Grundeigentums- und Wohnrechte in Tibet im Rahmen der Menschenrechte als auch der nachhaltigen Entwicklung hofft das TCHRD, einen Beitrag zur der gegenwärtig geführten Debatte über die Beziehungen der zwei Probleme miteinander zu leisten. Viele NGOs, die an dem Vorbereitungstreffen für den WSSD teilnahmen, waren darüber entsetzt, daß bei dem Gipfeltreffen nicht über Menschenrechte diskutiert werden sollte. Tatsache ist, daß kein Land einen Anspruch auf Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung erheben kann, wenn es seinem Volk die politischen, bürgerlichen, religiösen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Grundrechte verweigert. Nachhaltigkeit ist bedeutungslos, wenn die Bevölkerung nicht an ihrer Schaffung beteiligt wird und keinen Nutzen aus ihr zieht.

Es sollte betont werden, daß dieser Bericht auf keiner Feldstudie basiert. Obwohl China zunehmend NGOs und Wissenschaftlern aus dem Ausland gestattet, in verschiedenen Regionen des Landes zu forschen, sieht sich das TCHRD in Anbetracht seiner Betonung der Menschenrechtsarbeit in seinem Bestreben, eine umfassende Studie über Land- und Wohnungsverhältnisse in Tibet durchzuführen, vor unüberwindlichen Hindernissen. Es hofft, daß Wissenschaftler oder internationale NGOs bald in der Lage sein werden, sowohl in der TAR als auch dem übrigen ethnographischen Tibet Basisforschung durchzuführen.

Da es diese Zugangsmöglichkeit nicht besitzt, entnahm das TCHRD die Daten über die chinesische Politik in Tibet den akademischen Veröffentlichungen und den Weißbüchern Pekings. Es machte auch Gebrauch von Informationen, die ihm von westlichen Touristen geliefert wurden. Unsere größte Informationsquelle bleiben jedoch die Zeugnisse von den neu im Exil eingetroffenen Tibetern, die wir seit dem Beginn unserer Arbeit vor 6 Jahren regelmäßig in Indien und Nepal interviewen. Das TCHRD ist davon überzeugt, daß man Menschenrechtsfragen und nachhaltige Entwicklung immer im Hinblick auf die Erhaltung des Friedens angehen sollte. Die Tibeter wissen am besten, was in ihrem Land vor sich geht, weshalb die von ihnen gelieferten Auskünfte für das Verständnis der Lage vor Ort entscheidend sind.

Dieser Bericht trägt den Titel "Die Enteigneten", weil heutzutage das Hauptgewicht bei der Landnutzung und der Wohnungsvergabe in Tibet auf der Enteignung tibetischen Bodens und Wohnraums durch die chinesische Regierung liegt. Sogar die unlängst durchgeführten Reformen, die doch eigentlich bezwecken sollten, den Haushalten mehr Rechte für die Nutzung von Grund und Boden und Wohnraum zu geben, wirken sich dahingehend aus, daß dem tibetischen Volk immer mehr die Kontrolle über die Nutzung der Ressourcen in seinem eigenen Land entzogen wird.

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