Human Rights Update

März 2002

Inhalt
  1. Geshe Sonam Phuntsoks Gesundheitszustand besorgniserregend
  2. Rückkehrer aus dem Exil zahlen hohen Preis
  3. Erhöhte Sicherheit in Lhasa am 10. März
  4. Keine Linderung für in Nepal einsitzende Tibeter
  5. Ehemaliger politischer Gefangener erneut verhaftet und zu 15 Jahren verurteilt
  6. Zwei Jahre Gefängnis wegen Unabhängigkeitsaktivitäten
  7. Drapchi Insassen vereiteln Aufnahme eines chinesischen Propagandafilmes
  8. Ein Arbeitsteam sucht das Shubseb Kloster heim
Teil 1

Geshe Sonam Phuntsoks Gesundheitszustand besorgniserregend

Einer zuverlässigen aus Tibet erhaltenen Information zufolge leidet Geshe Sonam Phuntsok an ernsthaften gesundheitlichen Störungen. Geshe Sonam Phuntsok, ein weit bekannter buddhistischer Praktizierender und Lehrer aus Distrikt Karze, Provinz Sichuan, wurde 1999 verhaftet und verbüßt wegen angeblicher "illegaler religiöser Aktivitäten" eine 5-jährige Gefängnisstrafe. Geshes Anhänger und seine Angehörigen in Distrikt Karze sind äußerst besorgt wegen seines schlimmen gesundheitlichen Zustandes und fürchten, daß die Behörden ihm nicht die notwendige ärztliche Fürsorge zukommen lassen.

Berichten zufolge suchten am 21. November 2001 Kader des Public Security Bureau (PSB) vom Distrikt Karze Geshe Sonams Vater Agya Phuntsok in seinem Heimatort in Distrikt Rongbachen auf. Sie informierten Agya Phuntsok, daß Geshe "derzeit mit hohem Fieber im Hospital in Tsangtung Chayul liegt". Sie erklärten, daß er wegen der heißen Witterung am Ort seiner Inhaftierung - angeblich Chuandung Gefängnis # 3 in der Ortschaft Tsangtung, Distrikt Dartsedo, Karze TAP, Provinz Sichuan, dieselbe Anstalt, in der Chadrel Rinpoche bis zu seiner kürzlichen Versetzung in den Hausarrest eingesperrt war - Fieber bekommen habe. Agya Phuntsok machte sich auf die Nachricht von Geshes Krankheit sofort auf den Weg nach Tsangtung, wo er am 4. Dezember 2001 eintraf. Es konnte 40 Minuten lang mit Geshe sprechen, allerdings nur per Telephon, weil er durch eine dicke Glaswand von ihm getrennt war. Gefängnisbeamte verfolgten das Gespräch in allen Einzelheiten.

Einer Quelle zufolge war Agya Phuntsok erschüttert, als er Geshes erbärmlichen Zustand bemerkte. Dieser war sehr abgemagert und konnte sich nicht mehr richtig bewegen, so daß er beim Gehen von anderen gestützt werden mußte. Geshe berichtete seinem Vater: "Zuerst litt ich unter Appetitmangel und konnte kaum mehr essen. Mir war schwindelig und ich fühlte mich lethargisch. Ich hatte auch einige Zeit lang Durchfall und wurde oft bewußtlos. Dieser Zustand hielt ziemliche lange an, bis ich dann richtig krank wurde. Das Gefängnispersonal brachte mich zu einer Blutuntersuchung in ein Militärhospital in der Nähe. Aber gleich wurde ich wieder zurückgebracht. Als ich am folgenden Tag wieder hingebracht wurde, behielten sie mich sieben Stunden lang und gaben mir Infusionen. Aber diese Tests und Einspritzungen brachten nicht viel Besserung. Jeden zweiten Tag wird mir schlecht und mein Gedächtnis setzt aus." Das TCHRD richtete einen Eilappell an die UN Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung, mit der Bitte um Intervention und Forderung an die PR China, Geshe unverzüglich aus medizinischen Gründen freizulassen.

Wie wir unlängst von der Dui Hua Stiftung in San Francisco erfuhren, gibt es im chinesischen Strafrecht eine Verfügung von 1990, der zufolge Gefangene aus gesundheitlichen Gründen entlassen werden können, wenn sie in der Gefangenschaft krank wurden und mindestens ein Drittel ihrer Strafe verbüßt haben. Geshe hat nun von seinem auf 5 Jahre lautenden Urteil zweieinhalb Jahre hinter sich und ist eindeutig krank. Er erfüllt daher die Voraussetzungen, um vorzeitig entlassen zu werden.

Geshe Sonam Phuntsok wurde am 25. Oktober 1999 verhaftet. Gewaltsam wurde er aus einem religiösen Retreat in Distrikt Karze geholt und in das Gefängnis von Dartsedo in Distrikt Dartsedo, Karze TAP abtransportiert. Auf Geshes Verhaftung hin kam es zu einer spontanen Massendemonstration in Karze mit dem Ergebnis, daß viele seiner Anhänger festgenommen und inhaftiert wurden.

Nach einem Jahr und vier Monaten Untersuchungshaft sprach das Gericht im März 2001 das Urteil über ihn. Er wurde "erstens der Aufhetzung zu spalterischen Aktivitäten unter den Volksmassen, zweitens der Reise mit einem illegalen in Lhasa verschafften Papier nach Indien, mit dem Zweck einer Audienz beim Dalai Lama und sich mit ihm fotografieren zu lassen, drittens der widerrechtlichen Durchführung religiöser Zeremonien in Distrikt Karze und viertens der Abhaltung einer Langlebens-Gebetszeremonie für den Dalai Lama in Rongbatsang" für schuldig befunden.

Geshe wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Während einer fünfminütigen Rede nach der Urteilsverkündigung in dem Gerichtssaal erklärte er: "Meine Festnahme und der Gerichtsprozeß strafen die hochfliegenden Ansprüche Chinas auf religiöse Freiheit in Tibet Lüge, und diese Tatsache sollte der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden".

Geshe Sonam Phuntsok ist eine populäre Gestalt in der Region Karze. Tibeter verehren ihn als Gelehrten und großen Praktizierenden des Buddhismus. Er lehrte in den 80er Jahren Mönche aus 35 verschiedenen Klöstern tibetische Literatur und unterrichtete Mönche aus dem Kloster Dhargyeling in tibetischer Grammatik, Geschichte und Buddhismus. Er zeichnete auch die Geschichte von 13 Klöstern in der Karze TAP auf.

Teil 2

Rückkehrer aus dem Exil zahlen hohen Preis

Wie man kürzlich aus Tibet hörte, wurden vier Exil-Rückkehrer festgenommen und im Mai 2001 zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Es handelt sich um vier Mönche aus dem Kloster Rabgya im Distrikt Machen, Golog TAP, Provinz Qinghai, die zur Pilgerfahrt oder zum Studium in Indien gewesen waren. Es scheint, daß der bloße Besuch Indiens schon als ein Indiz für eine spalterische Haltung angesehen wird.

1. Mathok Damchoe, 27, (Vaters Name Tsering) war Mönch in dem Kloster Rabgya bis 1992, als er nach Indien reiste und im Kloster Sera in Südindien studierte. Zwei Jahre später kehrte er nach Tibet und in das Kloster Rabgya zurück, wo er 1997 sein Studium beendete. 1998 begab er sich wieder nach Indien, um an der Buddhistischen Dialektikschule zu studieren. Ende 1999 kehrte er nach Tibet zurück und betrieb nun Studien in tibetischer Medizin. Er wurde im Mai 2001 festgenommen und unter Anklage politischer Aktivitäten zu 6 Jahren verurteilt.

2. Sonam Gyatso, 34, (Vatersname ist Woeser) trat 1996 in das Kloster Rabgya ein. Am 25. November 1993 erreichte er Nepal, von wo er zum Kloster Sera in Südindien weiterreiste. 1994 kehrte er nach Tibet zurück und setzte seine Studien in dem Kloster fort. Er soll im Mai 2001 festgenommen und wegen angeblicher politischer Betätigung zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt worden sein.

3. Kunchok Dhargay, 32 (Vatersname Jinpa) wurde 1987 Mönch im Kloster Rabgya. Er reiste ebenfalls im Februar 1993 nach Nepal und unternahm dann eine Pilgerfahrt zu den heiligen buddhistischen Stätten in Indien. Einzige Zeit danach kehrte er nach Tibet zurück und setzte seine Studien im Kloster Rabgya fort. Im Mai 2001 wurde er verhaftet und wegen angeblicher politischer Aktivitäten zu 6 Jahren verurteilt.

4. Phuntsok, 26, begab sich im Januar 1996 nach Nepal. Ende jenes Jahres unternahm er auch eine Tour zu den heiligen buddhistischen Stätten in Indien. Danach kehrte er zum Kloster Rabgya zurück. Im Mai 2001 wurde er wegen angeblicher politischer Verbrechen zu 6 Jahren verurteilt.

Das TCHRD erwartet noch Einzelheiten über die genauen Anklagepunkte, den Namen des Gerichtes, und die Namen der Haftzentren, wo die Mönche nun eingesperrt sind.

Teil 3

Erhöhte Sicherheit in Lhasa am 10. März

Zuverlässigen aus Tibet erhaltenen Informationen zufolge tauchten am 10. März 2002, dem Tag des tibetischen Volksaufstandes, an verschiedenen Stellen in Lhasa Unabhängigkeitszettel auf.

An diesem 10. März waren strenge Vorkehrungen in Lhasa getroffen worden. So sah man zahlreiches Sicherheitspersonal in Uniform wie in Zivil in den Straßen patrouillieren, um eventuelle politische Äußerungen sofort im Keim zu ersticken. Trotzdem fanden sich eine Reihe von Flugblättern mit Aufschriften "Tibet ist unabhängig" und "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama" am und um den Barkhor, dem Umrundungsweg um den Jokhang Tempel, angeklebt. Ähnliche mit Ölfarbe geschriebene Blätter erschienen an den rückwärtigen Mauern des Potala Palastes.

Eine Quelle kommentierte: "Dies ist ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit über die von China betriebene restriktive Politik. Tibeter in Tibet, die einer überwältigenden Übermacht zuwider den Geist der Freiheit lebendig erhalten, haben nicht aufgehört, ihren Ärger und ihre Frustration über die brutale Gewalt und die Grausamkeit der chinesischen Besatzer zum Ausdruck zu bringen. Der immer wiederkehrende und nie aufhörende Ruf nach Unabhängigkeit für Tibet ist ein klarer Beweis, daß Tibet ein besetztes Land ist".

Zu einer Zeit, in der China in alle Welt hinaustrompetet, es habe Tibet wirtschaftlichen Wohlstand gebracht, widersetzen sich Tibeter in ganz Tibet, wo immer sich die Gelegenheit bietet, durch verschiedenste Dissensäußerungen der chinesischen Regierung. Derartige Bezeugungen von Opposition führten zur Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen während der hauptsächlichen tibetischen Feste und Anlässe. Ein großer Einsatz an Sicherheitskräften und verschärfte Kontrolle in Lhasa, besonders entlang der großen Ausfallstraßen schränkten die Reisefreiheit nicht nur für Tibeter sondern auf für Touristen ein.

Teil 4

Keine Linderung für in Nepal einsitzende Tibeter

Die Zahl der wegen Nicht-Vorweisen-Könnens der erforderlichen Reisedokumente in nepalesischen Gefängnissen eingesperrten Tibeter hat nun 12 erreicht. Zuletzt wurde Tenpa Rabgyal, 16, (Mutters Name Tsering) aus Lhasa, vergangenen Monat am Durbar Platz im Zentrum Kathmandus, wo er von seinem Sherpa guide abgesetzt worden war, festgenommen. Die Polizei sah Tenpa am Durbar Square herumlaufen und nahm ihn fest, weil er die erforderlichen Einwanderungsdokumente nicht vorlegen konnte. Er wurde mit einer Strafe von 14.000 Nepalischen Rupien (1 Euro = 68 NRs.) belegt, und da er diese Summe nicht aufbringen kann, muß er im Gefängnis bleiben.

12 Tibeter sind nun wegen illegalen Aufenthaltes in Nepal im Dilli Bazaar Jail, Kathmandu, eingesperrt. Drei davon sind Mönche - einer wurde im Juni 2000 verhaftet und hat bald die Hälfte seiner fünfjährigen Strafe verbüßt - acht sind Studenten aus Amdo, die nach ihren Studien in Indien nach Tibet zurückkehrten, und der jüngste Fall ist Tenpa. Alle machten deutlich, daß sie tibetische Flüchtlinge sind, die aus Tibet flohen, weil sie die Verletzung ihrer bürgerlichen Rechte dort nicht mehr ertragen konnten.

In der ohnehin prekären Lage, in der sich diese gefangen genommenen Tibeter befinden, kam nun eine der Studentinnen, die Ende 2001 verhaftet wurde, Ende Februar im Gefängnis nieder. Die Frau konnte ihren schwangeren Zustand bis zu dem Zeitpunkt, als die Wehen einsetzten, verbergen. Appelle des UNHCR, die Frau für 2 Monate aus der Haft in das Tibetische Flüchtlingsaufnahmezentrum zu beurlauben, wurden von dem Justizministerium abgelehnt, und die Frau und ihr Baby bleiben daher im Gefängnis.

Die tibetischen Flüchtlinge werden relativ gut behandelt, obwohl die Haftbedingungen sehr schwer für sie zu ertragen sind. Sie klagten NGO Vertretern, die sie kürzlich im Gefängnis besuchten, daß Männer und Frauen nicht miteinander sprechen dürften und daß sie nicht genügend Gelegenheit zur Bewegung im Freien bekommen. Ihre Behandlung unterscheidet sich ziemlich von der anderer Häftlinge in diesem Gefängnis. Eine Frau erlitt einen Nervenzusammenbruch, als sie die Verkündung ihres Urteils hörte, und wurde zur medizinischen Fürsorge in das Tibetan Reception Centre gebracht.

Die acht tibetischen Studenten wurden nach dem Immigrationsgesetz zu einer Geldstrafe von NRs. 20.000 verurteilt. Eine Gesamtstrafe von NRs. 121.897 für Aufenthalt ohne Visum und Paß in Nepal wurde ebenfalls verhängt. Da keiner der acht diese Summe zahlen konnte, wurden sie zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei der anderen Mönche wurden zu US$2.000 plus 25.000 NRs., das heißt insgesamt NRs. 200.000, oder 10 Jahre Gefängnis verurteilt. Die Festnahme dieser tibetischen Flüchtlinge erfolgte, obwohl es ein Abkommen zwischen dem UNHCR (United Nations High Commission for Refugees) und der nepalesischen Regierung gibt, welches tibetischen Flüchtlingen gestattet, auf ihrem Weg in ein drittes Land durch Nepal zu reisen. Es handelt sich hierbei um eine informelle Vereinbarung, der zufolge das UNHCR die Garantie übernimmt, daß die betreffenden Tibeter echte Flüchtlinge sind und nicht in Nepal bleiben. Als Gegenleistung verpflichtet sich die nepalesische Regierung, die in Nepal eintreffenden Tibeter nicht nach Tibet zu deportieren. Nach diesem Abkommen müssen tibetische Asylsuchende, die auf nepalesischem Territorium festgenommen werden, zum Haftzentrum der Immigrationsbehörde in Kathmandu gebracht werden, von wo sie dem UNHCR zu überstellen sind.

Anläßlich des Demokratietages wurde für die inhaftierten Tibeter ein Gnadengesuch an den König gerichtet, das jedoch abgelehnt wurde. Nun soll erneut für sie am Geburtstag des Königs im Juli um Begnadigung gebeten werden. Sowohl das Tibet-Büro als auch Vertreter verschiedener ausländischer Botschaften in Kathmandu sprachen bei nepalesischen Regierungsstellen vor, es wurde ihnen jedoch bedeutet, daß die Sache von den Gerichten entschieden würde, weshalb ihre Einmischung unerwünscht sei. Der Ausnahmezustand in Nepal macht die Reise für tibetische Flüchtlinge durch Nepal noch heimtückischer als zuvor. Während im allgemeinen weder die nepalesischen Sicherheitskräfte noch die Maoisten die tibetischen Flüchtlinge besonders ins Visier nehmen, bringt die Flucht aus Tibet durch Nepal nach Indien nun neue Risiken mit sich.

Bei den für tibetische Flüchtlinge zuständigen Organisationen ist man allgemein der Ansicht, daß das Abkommen UNHCR/Nepalesische Regierung zwar noch eingehalten wird, aber immer wieder Verstöße durch der Grenzpolizei erfolgen, was zu Deportationen tibetischer Flüchtlinge über die Grenze führt. Besonders aus der Gegend von Kodari hört man immer öfter, daß tibetische Flüchtlinge nach Tibet zurückgeschickt werden.

Einige Quellen vermuten sogar, daß manche nepalesische Grenzschützer in geheimer Absprache mit chinesischen Behörden tibetische Flüchtlinge, die sie in einem Umkreis von 30 km auf nepalesischem Territorium aufgreifen, nach Tibet zurückschicken. Es ist schwierig, genaue Zahlen zu bestimmen, weil es kaum eine Möglichkeit zur Beobachtung der Lage gibt, seitdem die nepalesische Regierung die Besuche von UNCHR Mitarbeitern in die Grenzgebiete unterbunden hat.

Teil 5

Ehemaliger politischer Gefangener erneut verhaftet und zu 15 Jahren verurteilt

Lobsang Dhargyal stammt aus Distrikt Machen, Golog TAP, Provinz Tsongon (Qinghai). Er wurde 1962 geboren. Sein Vater Shergyam beging 1970 Selbstmord, um der Verhaftung durch die Chinesen wegen seiner vielen "reaktionären" Aktivitäten auf die chinesische Invasion Tibets hin zu entgehen. Dhargyal half seiner Mutter Tsodon bei der Nomadenarbeit und lernte gleichzeitig die tibetische Sprache. Mit 22 wurde er Mönch in dem Kloster Rabgya. Er war für den Sicherheitsdienst des Klosters verantwortlich und fungierte gleichzeitig als Verwalter des Klosters Tamding.

Ende der achtziger Jahre sah Lhasa ein Wiederaufleben der Demonstrationen. Als die Nachricht davon Golog erreichte, planten Lobsang Dhargyal und seine zwei Freunde Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen ebenfalls politische Aktivitäten in ihrer Gegend. Sie druckten etwa 40.000 Unabhängigkeitsflugblätter, die sie auf hölzernen Druckstöcken herstellten. Darauf standen Parolen wie "Free Tibet" und "Chinesen raus aus Tibet", auf der Rückseite war eine Skizze der tibetischen Nationalflagge aufgestempelt. Ebenso trugen sie tibetische Flaggen bei sich.

Für den 15. November 1992 war in dem Kloster Rabgya eine große Inthronisierungszeremonie für den damals 13-jährigen Shingsang Tenzin Choekyi Gyaltsen Rinpoche geplant. Shingsang Rinpoche, der Abt des Klosters Rabgya und die 20. Reinkarnation der Mutter von Jetsongkhapa, dem Gründer der Gelugpa Schule, gilt als einer der führenden Lamas in der Provinz Tsongon.

In der Nacht vor der Zeremonie klebten Dhargyal und seine Kameraden die Blätter an 20 wichtigen Plätzen an, wie Nationalstraßen, geschäftigen Ladenzentren und dem Umrundungsweg um die Klosterstupa. Sie hißten auch eine tibetische Nationalflagge auf dem Dach der Versammlungshalle des Klosters und brachten an einer Seite eine kleine Papierflagge an.

Kurz darauf trafen am Abend des 15. Novembers 1992 Beamte des PSB von Kreis Machen und der Golog TAP ein. Es folgte eine intensive Vernehmung aller Mönche. Am 25. November wurde Lobsang Dhargyal festgenommen, während seine Begleiter entwischen konnten. Die Beamten durchsuchten sein Zimmer nach politischem Beweismaterial und entdeckten die Holz-Druckstöcke.

Lobsang Dhargyal wurde fast ein Jahr in dem Golog Gefängnis festgehalten. 1994 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Golog Dhargyal zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und zusätzlichen zwei Jahren Verlust der politischen Rechte. Er wurde in Handschellen gelegt und seine Füße gefesselt. Durch die heftigen Schläge verlor er zwei Vorderzähne. Trotz aller Leiden blieb seine Geisteshaltung immer unerschrocken.

Am 25. Mai 1995 wurde Lobsang Dhargyal entlassen. Obwohl er nicht mehr in sein Kloster zurückkehren durfte, trug er für die Sache Tibets bei, was immer er nur konnte. Der Tibetische Jugendkongreß in Dharamsala zeichnete im August 1995 Lobsang Dhargyal, Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen in Anerkennung ihrer mutigen Taten und ihrer großen Opfer mit dem Märtyrerpreis aus.

Allmählich konnte Shingsang Tenzin Choekyi Gyaltsen Rinpoche die von den chinesischen Behörden auferlegten Restriktionen nicht mehr aushalten, weshalb er in der Nacht zum 2. April 1997 zusammen mit Lobsang Dhargyal insgeheim das Kloster verließ. Dhargyal geleitete Rinpoche auf der Flucht und sie erreichten Dharamsala am 27. April 1997. Danach gingen sie zum Sera Kloster in Südindien. Anfang 2001, als Lobsang Dhargyal nach Tibet zurückkehrte, um seine alte Mutter zu besuchen, wurde er von den PSB Beamten in der Nähe von Shigatse festgenommen und sofort den chinesischen Behörden der Golog TAP ausgehändigt. Wie man hörte, wurde Dhargyal in der Folge zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Noch nichts ist bekannt hinsichtlich des Gefängnisses, in dem er sich befindet, oder der Anklagepunkte, derentwegen er verurteilt wurde.

Teil 6

Zwei Jahre Gefängnis wegen Unabhängigkeitsaktivitäten

Damchoe, Laienname Wangchen Gyal, 30, entstammt einer Bauernfamilie des Dorfes Tsodruk, Distrikt Chentsa, Malho TAP, Provinz Qinghai. Er berichtete dem TCHRD: "Mit 7 Jahren kam ich in die Dorfschule und lernte dort Tibetisch, Chinesisch und Rechnen. Als ich 14 war, verließ ich die Schule und arbeitete ein Jahr lang von 1987-1988 auf den Feldern unserer Familie.

1989 wurde ich Mönch in Kloster Kehu Shedup Dhargya, das im 15. Jh. von Kehu Jangchub Shonnu gegründet wurde. Vor 1959 studierten dort etwa 500 Mönche. Während der Kulturrevolution wurde es völlig zerstört. 1980 sammelten einige engagierte Mönche Spenden zu seinem Wiederaufbau. Derzeit wohnen trotz des von der Regierung festgesetzten Limits von 80 wieder 130 Mönche im Kloster. Lama Lobsang Thupten Wangchuk, der in chinesischen Regierungskreisen gut bekannt ist, steht dem Kloster vor.

In den letzten paar Jahren bekundeten Mönche des Klosters ihren Dissens, indem sie Unabhängigkeitswandzettel in und um das Kloster anbrachten. Es wurde jedoch niemand verhaftet, weil die Behörden keine Anhaltspunkte hatten, wer für die Tat verantwortlich sein könnte.

Im Winter 1993 verließ ich das Kloster zusammen mit 19 Gefährten, um meine Studien in Indien fortzusetzen und vor allem, um eine Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama zu suchen. Wir begaben uns zuerst nach Lhasa und machten uns von dort aus auf den Weg. Wir überquerten die Grenze zu Nepal bei Tarapani und gelangten schließlich nach Indien. Dort wurde ich in die Tibetan Transit School, Dharamsala, eingeschult, wo ich ein Jahr und 10 Monate lernte. Danach beschloß ich, nach Tibet zurückzukehren. Ich hatte einige politisch brisante Bücher dabei, darunter auch die Autobiographie des Dalai Lama, "A Political History of Tibet" von W.D. Shakapa und "Richtlinien für eine zukünftige Tibetpolitik und Grundverfassung", sowie Kassetten mit Reden des Dalai Lama.

Ende 1995, als ich alleine den Weg nach Hause antrat, folgte ich meiner früheren Route im Schutze der Nacht und ließ mich dann später am Tag von einem grasbeladenen Lastwagen mitnehmen. Ich versteckte mich unter dem Gras und gelangte schließlich nach Lhasa. Dort blieb ich 3 Tage und ging dann direkt in mein Dorf, wo ich um das Tibetische Neujahr 1996 ankam. Im Sommer 1996 begann ich zusammen mit vertrauten Freunden das Material, das ich aus Indien mitgebracht hatte, an die Schüler einer Minderheitenschule in Distrikt Chentsa, Malho TAP, sowie in Distrikt Kangtsa, Tsochang TAP, und in Distrikt Tsigorthang, Tsolho TAP, zu verteilen. Fast alles gaben wir an Leute, die uns bekannt waren. Sie wußten überhaupt nichts über die politischen Verhältnisse, weil sie so viele Jahre lang im Dunkeln gehalten wurden.

Während des Losarfestes 1997 reiste ich nach Lhasa, wo ich einige Monate lang etwas Handel trieb und andere Gelegenheitsjobs ausführte. Im Mai 1997 während des heiligen Monats Saga Dawa (der Begehung von Buddhas Geburt, Erleuchtung und Tod) brachte ich bei Nacht ein Plakat vor dem Jokhang Tempel an. Auf diesem wurde die Unabhängigkeit Tibets, ein Ende der Zwangssterilisierung tibetischer Frauen, das Einstellen des Raubbaus der Bodenschätze Tibets und die Beendigung anderer Menschenrechtsverletzungen gefordert.

Später zeichnete ich in meinem Zimmer eine tibetische Nationalflagge, mit der ich am 1. Juli 1997, dem Tag der Übergabe Hongkongs, protestierten wollte. Am 13. Juni um etwa 19 Uhr, als meine Frau, zwei Freunde und ich gerade beisammen saßen, platzten 4 bewaffnete Polizisten der ersten Einheit des Lhasaer PSB in unser Zimmer. Sie stöberten herum und fanden die handgemalte tibetische Flagge. Danach wurden sie noch aggressiver und fahndeten nach weiterem Beweismaterial gegen mich.

Wir wurden in Handschellen gelegt und in das PSB Haftzentrum der Stadt Lhasa zur Vernehmung abgeführt. Später wurden wir vier Tage lang in dem Büro der PAP (People's Armed Police) vernommen. Die ganze Zeit über bekamen wir nichts zu essen. Einer meiner Freunde wurde freigelassen, aber meine Frau, der andere Freund und ich kamen in das Gutsa Haftzentrum. Nach zwei Monaten ließen sie meine Frau laufen. Meinen Freund und mich hielten sie weitere 5 Monate fest, also im ganzen 7 Monate.

In der Haft wendeten die Chinesen alle bekannten Methoden an, um Informationen aus uns herauszuholen. Wir wurden separat vernommen. Einmal warf der Vernehmungsbeamte ein großes Geldbündel (etwa 50.000 Yuan) auf den Tisch und versprach, ich würde entlassen, bekäme Arbeit und dürfte auch all dieses Geld an mich nehmen, falls ich ihm die ganze Wahrheit sagte. Ich antwortete, ich verstünde nichts von Politik, wofür ich geschlagen und schwer gefoltert wurde, so daß ich das Bewußtsein verlor. Diese Peinigung ging vier Monate lang weiter. Denn zeigten sie mir eines Tages mein Verurteilungsdokument, dem zufolge ich zu zwei Jahren verurteilt worden war.

Mein Freund und ich wurden in das Trisam Gefängnis, Distrikt Toelung Dechen, Bezirk Lhasa, gebracht. In diesem Gefängnis gab es drei Einheiten. Die erste war für politische Häftlinge, die zweite für kriminelle und die dritte für Frauen. Zu meiner Zeit waren dort etwa 20-30 politische Häftlinge.

Am 16. Juni 1999 wurden Sonam und ich nach Ablauf der zweijährigen Haftfrist entlassen. Die Zeit in Gutsa wurde angerechnet, weshalb wir noch 1 Jahr und 5 Monate in Trisam einsaßen. Nach meiner Entlassung blieb ich einen Monat in Lhasa. Ich wurde ständig vom PSB beobachtet, weshalb ich in mein Dorf zurückkehren mußte. Sogar dort kamen die PSB Polizisten häufig in unser Haus und fragten nach meinen Aktivitäten. Wegen dieser ständigen Belästigung begab ich mich nach Distrikt Gade, Golog TAP, wo ich über zwei Jahre blieb und verschiedenerlei Geschäfte betrieb.

Was den Schulunterricht in meiner Gegend betrifft, so gibt es dort zwei Mittelschulen an dem Ort, an dem ich wohnte. In der einen sind die meisten Schüler Chinesen nebst ein paar Kindern tibetischer Kader. Ihr Wissensstand ist gut und sie sind meist kluge Schüler. Die andere Schule enthält nur Nomadenkinder, etwa 700 an der Zahl. Diese werden von etwa 40 Lehrern unterrichtet, die zumeist Tibeter sind. Aber Chinesen haben die höheren Posten in der Schulverwaltung inne. Die Schüler dieser Schule müssen etwa 50 yartsa gunbhu (cordyceps sinensis) Pilze abliefern, um aufgenommen zu werden, und jedes Jahr werden 50 Stück mehr von ihnen gefordert. Die Disziplin an der Schule ist sehr schlecht, und die Schüler können tun, was ihnen beliebt. Sie treiben Glücksspiele, schauen Videos an und spielen snooker auf dem Markt.

Hinsichtlich gesundheitlicher Einrichtungen in Distrikt Gade gibt es ein Krankenhaus mit Namen "Gade County People's Hospital". Die Ärzte sind zumeist Chinesen, aber es gibt ein paar tibetische Krankenschwestern. Den tibetischen Patienten wird nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt, trotzdem müssen sie mehr bezahlen als andere. Es kam schon einige Male zu Todesfällen wegen dieser Vernachlässigung durch die Ärzte. Schließlich suchten die Leute dieses Krankenhaus nicht mehr auf, weshalb es schließen mußte. Die Kranken konsultieren nun private Ärzte.

Es gibt sechs Privatkliniken in dem Landkreis. Wegen ihrer steigenden Beliebtheit stellte das Volkshospital einen Antrag bei den Kreisbehörden, daß die Privatkliniken verboten werden sollten. Sofort befahlen die Behörden allen Privatkliniken, ihre Türen zu schließen. Trotz dieses offiziellen Verbotes gehen die Lokalbewohner immer noch insgeheim zu den früheren Ärzten in deren Privathäuser. Bei ernsten Fällen werden die Patienten zur Untersuchung nach Pema, Distrikt Xining, gebracht.

Einige Leute meines Dorfes kamen zu Geschäftszwecken nach Distrikt Gade. Da sie meinen Aufenthaltsort kannten, brach ich im Dezember 1999 nach Lhasa auf, denn ich fürchtete, sie könnten in meinem Dorf verbreiten, daß sie mich gesehen hätten und ich würde dann wieder inhaftiert und vernommen. In Lhasa traf ich Phakmo Dhundup, und wir beschlossen nach Indien zu gehen. Anfang 2002 überschritten wir die Grenze nach Nepal und erreichten am 20. Februar das Tibetan Recepetion Centre in Kathmandu. Zwei Wochen später wurde ich auf den Weg nach Dharamsala geschickt, wo ich am 11. März 2002 eintraf."

Teil 7

Drapchi Insassen vereiteln Aufnahme eines chinesischen Propagandafilmes

Dem TCHRD ging eine Information zu über einen Zwischenfall im Drapchi Gefängnis in der Zeit vor Losar, dem tibetischen Neujahr. Am 9. Februar 2002 wollten die Behörden im Drapchi einen Dokumentarfilm aufnehmen, der gut ernährte und gut behandelte Häftlinge zeigen sollte, die in einem wohl unterhaltenen Gefängnis leben. Einige politische Insassen machten jedoch am Tag der Filmaufnahme deutlich, daß sie den Bedingungen der Behörden nicht zustimmten. Es heißt, einige Gefangene seien geschlagen worden, während andere als Strafe für ihren Unwillen in Einzelhaft gesperrt wurden.

Es gab auch Berichte über plötzliche Verlegungen politischer Gefangener von Drapchi. In manchen Fällen wurden ihre Angehörigen überhaupt nicht benachrichtigt. Das TCHRD erwartet noch genauere Informationen über beide Vorfälle.

Teil 8

Ein Arbeitsteam sucht das Shubseb Kloster heim

Kunsang Tenzin ist ehemaliger Abt (Khenpo) des Klosters Shugseb, Kreis Chushul, Bezirk Lhasa. Mit 15 Jahren begann er seine religiösen Studien unter der Anleitung von Khendron Norbu Thupten. Mit 21 trat Kunsang Tenzin dem Serthar Kloster in Distrikt Karze, Provinz Sichuan, bei, wo er die nächsten 8 Jahre lang seine religiösen Studien betrieb. 1994 wurde er Abt des Frauenklosters Shugseb. Der Khenpo kam 2001 in Indien an und berichtete dem TCHRD über die Beeinträchtigung der religiösen Praktiken im Kloster Shugseb:

"Ende 1994 verlangten die Behörden die Einsetzung eines Khenpo (Abtes) für das Frauenkloster. Bis zu meiner Abreise nach Indien bekleidete ich diese Funktion. Den offiziellen chinesischen Statistiken zufolge gab es dort 208 Nonnen, obwohl es tatsächlich 270 waren. Von den 208 waren 130 permanent ansässige, während etwa 80 das Kloster zeitweise besuchten. Es gab zusätzlich etwa 20-30 nicht registrierte Nonnen, die zum Teil aus anderen Klöstern vertrieben worden waren. Sie machten sich schnell aus dem Staub, sobald ein Arbeitsteam erschien.

Aus Furcht, sie könnten politisch aktiv werden, wurden die Nonnen auf das Klostergelände beschränkt. Sie durften nicht einmal zu so wichtigen offiziellen Ereignissen wie dem 50. Jahrestag der 'chinesischen Befreiung Tibets' nach Lhasa reisen. Arbeitsteams mit einer Stärke von 4-20 Kadern, hauptsächlich von der Religionsbehörde, pflegten das Kloster alle drei bis vier Monate für ein oder zwei Monate aufzusuchen. Während wichtiger offizieller Ereignisse war ein Arbeitsteam während der gesamten Dauer in dem Kloster einquartiert.

Bei ihren Besuchen zwangen die Kader die Nonnen, die politische Geschichte Tibets zu studieren. Sie erklärten, die Nonnen verfügten schon über ein sehr gutes Wissen in buddhistischen Dingen und sollten sich nun mehr dem politischen Studium widmen. Ich weigerte mich, ihren Befehlen zu willfahren und antwortete, ich könnte keine Wahl für die Nonnen treffen, was sie lernen sollten. Es gab andere Lamas im Kloster, die mir rieten, die Nonnen von politischer Betätigung abzuhalten. Während meiner sechsjährigen Anwesenheit gab es keine politischen Äußerungen im Kloster Shugseb.

Einmal wurde ich einer intensiven Befragung unterzogen, die etwa eine Stunde dauerte. Die Arbeitsteam-Kader durchsuchten mein Zimmer nach den verbotenen Bildern Seiner Heiligkeit des Dalai Lama. Ich glaube nicht, daß der Khenpo Posten in dem Kloster Shugseb nach meinem Weggang wieder besetzt wird.

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