Human Rights Update

Mai 2000

Inhalt
  1. Tibetische Kinder und ihre Rechte
  2. Mönche von Reting verhaftet
  3. Tod, Verhaftung und Ausschluß in Kloster Chamdo
  4. Geburtenkontrollpolitik in dem Dorf Terda
  5. Verhaftung von 7 Tibetern
  6. Schwere religiöse Restriktionen im Kreis Nyemo
  7. Zeugnis einer ehemaligen politischen Gefangenen
  8. Verhaftung von Kandze Mönchen
  9. Restriktionen im Kloster Tsang
  10. Arbeitsteam im Kloster Gyaltri
  11. Nonne verlor den Verstand nach Folterung im Gefängnis
Teil 1

Tibetische Kinder und ihre Rechte

Zuverlässigen Informationen zufolge wurde eine Gruppe von tibetischen Schülern zwischen Ende März und Mitte April in Dram an der Grenze von Nepal zu Tibet von der chinesischen Grenzschutzpolizei festgenommen. Diese Jugendlichen, die gerade tibetische Schulen in Indien abgeschlossen haben, waren auf ihrem Weg nach Tibet, wo sie in den Ferien ihre Eltern und Verwandten besuchen wollten. Etwa 50 Schüler wurden zu Vernehmungen festgehalten und befinden sich seitdem unter dem Verdacht von Dissidenten-Aktivität in Gewahrsam. Die Berichte deuten an, daß auch einige von ihnen in Lhasa festgenommen wurden. Aus Mangel an Information sind uns die Namen der Kinder nicht bekannt. Es gibt Hinweise aus Tibet, daß diese Schüler derzeit in der Nyari Haftanstalt in der Region Shigatse festgehalten werden. Einige von ihnen warten dort auf ihren Prozeß, während andere in ein Gefängnis nach Lhasa verlegt wurden. Alle sind noch unter 18 Jahren, also gemäß der Konvention für die Rechte des Kindes (CRC), die 1992 von China ratifiziert wurde, als Minderjährige noch zu jung für kriminelle oder politische Verfolgung. Die Unterzeichnerstaaten der CRC sind verpflichtet, die Rechte von Kindern und ihren Eltern, zur Pflege der familiären Beziehungen von einem Land ins andere reisen zu können, zu respektieren. Außerdem ist Festhaltung nur als ein letzter Ausweg vorgesehen, aber sie darf nicht willkürlicher oder ungesetzlicher Art sein.

Chime Yangzom ist ein 9-jähriges Mädchen von Gegend um den Barkhor, deren Eltern aus Kham nach Lhasa kamen, um ein kleines Geschäft zu betreiben. Yangzom wurde 1991 in Lhasa geboren, wo ihre Eltern zur Miete wohnen. Von 5-8 Jahren besuchte sie eine Privatschule. Diese war ziemlich teuer, aber wie hoch die Gebühren genau waren, kann sie nicht sagen. Dann kam sie in die Lobchung No. 2., eine staatliche Schule. Yangzom hatte 52 Mitschüler. Es wurde Rechnen, Chinesisch und Tibetisch gelehrt. Da Yangzoms Eltern nicht offiziell in Lhasa registriert waren, mußten sie höhere Gebühren als andere Eltern bezahlen. Jedes Semester, das 8 Monate umfaßte, kostete Yangzoms Eltern 660 Yuan, dazu noch 120 Yuan für die Schuluniform. Acht ihrer Mitschüler, die ebenfalls keine Wohnscheine besaßen, waren auch von diesem Problem betroffen. Schließlich konnten Yangzoms Eltern die hohen Schulgebühren nicht mehr aufbringen, aber weil sie sich bewußt waren, wie wichtig eine gute Schulbildung für ihre Tochter ist, beschlossen sie, nach Indien zu fliehen. Nach einem 17-tägigen Marsch über den Himalaya und die Grenze in Sharbhumbu erreichten sie Nepal und schließlich im Mai 2000 Dharamsala.

Der 21-jährige Chagda Bum ist aus der Ortschaft Magra in Kreis Kuiyan der Tsognon Provinz, Tsolho TAP (Tibetisch Autonome Präfektur). Als kleiner Junge ging er 3 Jahre lang in die Dorfschule von Luwar und danach mit 11 Jahren in die Gemeindeschule von Magra. Damals gab es dort 70 Schüler, die alle aus bäuerlichem Milieu stammten. In dieser Schule wurden nur 3 Fächer gelehrt: Rechnen, Chinesisch und Tibetisch. Die jährlichen Schulgebühren betragen hier 150 Yuan und zusätzlich 200 gyama an Getreide. Die meisten Schüler in dieser staatlich geführten Schule sind Tibeter. Daher wird großer Wert auf politische Themen wie chinesische Geschichte, Widerstand gegen die Spalter und die Wichtigkeit der "Einigung des Mutterlandes" gelegt. Sonntags werden Veteranen der Kulturrevolution eingeladen, um zu den Schülern über die Vorzüge des Kommunismus zu sprechen. Es werden nur die chinesischen Feiertage begangen, an denen schulfrei ist, während die tibetischen Feste ignoriert werden. 1996 wurde Chagdar in die Hauptmittelschule der Chabcha TAP aufgenommen. Damals gab es dort ungefähr 500 Schüler, von denen annähernd 200 Tibeter waren. In dieser Schule werden alle Fächer, außer dem Fach Tibetisch selbst auf Chinesisch unterrichtet. Außerdem sind fast alle Lehrer Chinesen außer dem Tibetisch-Sprachlehrer. An dieser Schule wurde noch mehr Wert auf politische Ideologie gelegt als an den anderen, die Chagdar bisher besucht hatte. Den Schülern wurde nahegelegt, dem Chinesischen Jugendbund beizutreten, der so etwas wie ein Sprungbrett ist, um ein echter chinesischer kommunistischer Funktionär zu werden. Keiner durfte seine Religion ausüben. So mußte etwa ein Schüler 1997 eine Seite aus seinem Notizheft herausreißen, auf das er ein Bild des 10. Panchen Lama geklebt hatte. Die Gebühren pro Schuljahr betrugen 1.200 Yuan. 1999 trat Chagdar in das Lehrerseminar der Provinz Tsognon ein, wo er eine jährliche Gebühr von 2.500 Yuan entrichten mußte. An dem Institut lernten etwa 1.000 Studenten, von denen 200 Tibeter waren. Auch Englisch stand auf dem Lehrplan. Chagdar fügte hinzu, daß die tibetischen Absolventen des Lehrerseminars es sehr schwierig haben, eine Anstellung zu finden, weil die Arbeitgeber chinesischen Anwärtern stets den Vorzug geben.

Teil 2

Mönche von Reting verhaftet

Ein von kurzem eingetroffener Flüchtling, der anonym bleiben möchte, berichtet, daß der Knabe Lodroe Gyatso (Laienname: Sonam Phuntsok) am 16. Januar von der chinesischen Regierung zum 6. Reting Rinpoche erklärt wurde. Am 21. Januar wurde im Kloster Reting die Inthronisierungszeremonie des aus Kreis Lhari stammenden Kindes vorgenommen. Daraufhin protestierten die Mönche dieses Klosters am 17. Mai gegen die unrechtmäßige Auswahl der Reinkarnation. Noch am selben Tag wurden acht von ihnen unter der Beschuldigung festgenommen, daß sie einen Plan zur Ermordung des reinkarnierten Knaben geschmiedet hätten. Unbestätigten Berichten zufolge werden diese Mönche in Kreis Taktse oder in der Gutsa Haftanstalt festgehalten. Ihre Namen und andere Einzelheiten sind nicht bekannt. Seit diesem Vorfall dürfen keine Touristen oder gewöhnlichen Leute mehr das Reting Kloster betreten. Schwer bewaffnete Sicherheitsposten wurden in dem Kloster und in Taktse Samchen (Taktse Brücke) stationiert. Es heißt auch, daß um diese Zeit zwei deutsche Touristen im Kloster Reting festgehalten wurden, die man später wieder freiließ. Der 5. Reting Rinpoche war der Regent (tib. gyaltsab = Stellvertreter des Königs) von Tibet. Der Reting Rinpoche, der traditionell vom Dalai Lama ernannt wird, hat die Aufgabe, die Verantwortung für die Staatsgeschäfte zu führen, solange der Dalai Lama noch ein Kind oder abwesend ist. Der 5. Reting Rinpoche spielte bei der Identifizierung des 14. Dalai Lama eine wesentliche Rolle. Gegenwärtig wohnen etwa 130 Mönche, die mit dem notwendigen Ausweis versehen wurden, in Kloster Reting. 1997 wurden 17 Mönche auf den patriotischen Umerziehungs-Feldzug hin hinausgeworfen, und im Mai 1998 waren es noch einmal 32.

Teil 3

Tod, Verhaftung und Ausschluß in Kloster Chamdo

Der 25-jährige Lobsang aus der Ortschaft Sagang in Kreis Chamdo der Chamdo TAP erreichte Dharamsala im Mai 2000. Lobsang trat mit 17 Jahren in Kloster Chamdo ein, wo annähernd 1.200 Mönche (von denen 850 registriert waren) lebten. Das erste Arbeitsteam suchte 1996 Chamdo auf. Im Zusammenhang damit wurden zwei Mönche, deren Identität nicht bekannt ist, verhaftet, weil sie angeblich Unabhängigkeitsposter in dem Kloster Chamdo angeklebt hatten. Sie kamen in das Haftzentrum von Chamdo, wo sie schwer mißhandelt und dann an einen anderen Ort verlegt wurden. 1999 hieß es, daß beide Mönche infolge der grausamen Mißhandlungen gestorben seien. Nichts weiter ist über sie bekannt geworden. Seit 1997 ist Sicherheitspolizei in dem Kloster Chamdo stationiert, um jegliche Unabhängigkeitsregung sofort zu unterdrücken. Fünf Polizisten befinden sich dort, die regelmäßig Besucher wie etwa die Eltern, Verwandten und Freunde der Mönche kontrollieren und registrieren. Allen Besuchern wird 1 Yuan als Eintrittsgeld abverlangt. Ende Herbst 1999 kamen 15 Kader eines Arbeitsteams für einen Monat in das Kloster, um die Umerziehung durchzuführen. Sie riefen regelmäßige Meetings ein und forderten die Mönche immer wieder auf, den Dalai Lama zu denunzieren und den "Spaltern" Widerstand zu leisten, und indoktrinierten sie in jeder Hinsicht. Viele weigerten sich jedoch, den Dalai Lama zu beschimpfen. Die 850 Mönche, die sich fügten, wurden mit den üblichen Personalausweisen ausgestattet, während den Restlichen geboten wurde, das Kloster zu verlassen. Die 350 nicht registrierten Mönche befinden sich zwar immer noch im Kloster, dürfen aber keine religiösen Zusammenkünfte mehr besuchen oder an der Klosteraktivität teilnehmen. Im Herbst 1999 wollten 700 junge Mönche aus Klöstern der Kreise Tengchen, Palbar, Pakshoe, Zogang und Drayab das Kloster Chamdo zum Studium religiöser Texte besuchen. Die Kader wiesen alle zu Besuch gekommenen Mönche ab und befahlen ihnen, sofort in ihr jeweiliges Kloster zurückzukehren. Die Kreisbehörden verboten damit die Fortführung der Tradition, daß Novizen aus anderen Klöstern in Chamdo unterrichtet werden.

Der Mönch Bhuga aus der Ortschaft Chakha, Kreis Chamdo, wurde 1999 unter der Beschuldigung festgenommen, er hätte Free Tibet Poster in Chamdo angebracht. Er soll sich angeblich in einem Gefängnis in Lhasa befinden, sonst ist nichts über ihn bekannt. Im Zuge der Intensivierung der Repressionen in den Klöstern wurden viele Mönche entweder ausgewiesen oder sie verließen ihr Kloster freiwillig. Die meisten der ehemaligen Mönche arbeiten als Bauern oder Nomaden in Kreis Chamdo. Lobsang ist auch einer von ihnen, der dem Kloster entfloh, weil er seine religiösen Studien in Indien fortsetzen möchte. Er erreichte Nepal über die Grenze in Solokhumbu am 27. April.

Teil 4

Geburtenkontrollpolitik in dem Dorf Terda

Die 20-jährige Yangchen stammt aus dem Dorf Terda der Gemeinde Lochu in Kreis Derge, Kandze TAP, Provinz Sichuan. Sie berichtet, daß die von der chinesischen Regierung eingeleitete Familienplanungspolitik auch in ihrer Region intensiv betrieben wird. Gesundheitsbeamte auf Kreis- und auf Gemeindeebene würden regelmäßige Inspektionen in den Dörfern durchführen. Tibetische Frauen, die schon die Anzahl der erlaubten Kinder haben, werden zur Sterilisierung in das nächst gelegene Spital zitiert.

Die lokalen Gesundheitsbeamten setzten ein Limit von 2 Kindern für staatliche Angestellte fest, während Nomaden und Bauern drei Kindern haben dürfen. Die Geldstrafen für die Überschreitung des Limits reichen von 2000 bis 3000 Yuan. Wegen dieser schweren finanziellen Belastung haben nur drei Frauen in dem Dorf mehr als 2 oder 3 Kinder. Wenn die Frauen die Geldstrafen nicht zahlen können, konfiszieren die Beamten all ihre Habe. Um die Sterilisierung zu vermeiden, versuchen viele Frauen es mit anderen Verhütungsmethoden. Die gebräuchlichste Methode ist die des Einsetzens einer intrauterinen Spirale (Intra Uterine Device), die für drei Jahre Schutz vor ungewollter Schwangerschaft bietet. Danach muß diese Spirale ersetzt werden, wobei die Frauen die Kosten selbst tragen müssen. Einige Mädchen aus wohlhabenden Familien können es sich leisten, Spiralen von besserer Qualität, die 200 Yuan kosten, zu kaufen, aber die armen Frauen zahlen nur 30 Yuan.

Eine Frau ihres Dorfes starb wegen dieser Form der Kontrazeption und zwei andere klagten über gesundheitliche Probleme. Wenn eine Hausfrau mehr als 3 Kinder bekommt, muß sie 3.000 bis 4.000 Yuan zahlen. Viele Frauen lassen sich auch sterilisieren, weil sie wissen, wie riskant die Sache mit den intrauterinen Spiralen ist. Die 33-jährige Bhukyi aus dem Dorf Terda bekam ihr viertes Kind, worauf ihr jede Beihilfe entzogen wurde und sie 2000 Yuan Strafe zahlen mußte. Etwa 4 Kader von der Kreisverwaltung kamen jedes Jahr, um die Anzahl der Geburten zu kontrollieren. Der Dorfvorsteher muß jede neue Geburt registrieren und der Kreisbehörde berichten. Diese Ämter setzen sich meistens aus Chinesen zusammen, die von einem Tibeter assistiert werden. In ihrem 300 Einwohner zählenden Dorf gibt es etwa 14 junge Frauen im gebärfähigen Alter.

Teil 5

Verhaftung von 7 Tibetern

Der 21-jährige Takla ist ein Bauer aus der Ortschaft Karang, Kreis Yazae der Tsoshar TAP in der Provinz Qinghai. Er floh aus Tibet und erreichte Dharamsala im März. Von 7 bis 12 Jahren ging Takla zur Grundschule und verbrachte danach 6 Jahre in der Tibetischen Mittelschule von Yundhu, die Ende der achtziger Jahre von dem 10. Panchen Lama gegründet wurde. Alle Fächer außer Tibetisch wurden in chinesischer Sprache unterrichtet. Jedes Semester kostete seine Familie annähernd 700 Yuan. "Selbst nach Abschluß der Schule ist es schwierig, eine Anstellung zu finden, wenn man kein Chinese ist. Das kommt daher, daß die chinesischen Studenten bessere Beziehungen zu hochgestellten chinesischen Funktionären haben", fügte Takla hinzu. Er brach seine Studien nach der Mittelschule ab und ging nach Lhasa, um seiner Schwester in ihrem Geschäft zu helfen. In Lhasa traf er einige Leute aus Qinghai, über deren Verhaftung unten berichtet wird. Takla zufolge wurden seit Januar 1999 insgesamt 7 Personen unter dem Straftatbestand des "Geleitens tibetischer Deserteure" und angeblicher "Unabhängigkeitsaktivitäten in Kollaboration mit der tibetischen Exilregierung" von den Chinesen festgenommen.

Takla berichtet, daß der 30-jährige Choephel, ein früherer Mönch von Kloster Rong Gongchen, im Januar 1999 in der Nähe des Barkhor in Lhasa verhaftet wurde, weil er tibetische Flüchtlinge nach Indien geführt hätte. Zuerst wurde er zwei Monate in Lhasa festgehalten, ehe er den Provinzbehörden von Qinghai ausgeliefert wurde. Während er in Lhasa inhaftiert war, wurde er mehrere Male vernommen und gleichzeitig geschlagen. Danach war er zwei Monate lang in der Haftanstalt von Xining in Qinghai eingesperrt. Choephel wurde später unter der Anklage, Flüchtlinge ins Exil gebracht zu haben, zu 7 Jahren Gefangenschaft mit einem Jahr zusätzlich wegen "schlechten Benehmens" bei der Gerichtsverhandlung vor dem Höheren Volksgericht von Qinghai verurteilt. Später wurde er in das Gefängnis Drai-Drang in der Stadt Ziling verlegt. Takla beschreibt, wie groß dieses Gefängnis ist: "Wenn ein Mensch am Gefängnistor steht, kann er eine Person am anderen Ende nicht erkennen." Mehrere tausend, sowohl politische als auch kriminelle Gefangene können dort untergebracht werden. Choephels Familie lebt von der Landwirtschaft. Im Alter von 11 Jahren wurde er Mönch in dem Rong Gongchen Kloster, wo er wohnte, bis er mit 25 Jahren nach Lhasa aufbrach.

Der 22-jährige Tsewang aus der Ortschaft Karang des Kreises Shunghai, Tsoshar TAP, wurde im Juni 1999 festgenommen. Er stand unter dem Verdacht, tibetische Flüchtlinge ins Exil zu geleiten, und wurde festgenommen, als er mit einigen Freunden ein Restaurant in Lhasa aufsuchte. Sechs Milizen der PAP (People's Armed Police) durchsuchten sein Zimmer und fanden Bilder des Dalai Lama, politische Flugblätter und einige Tonkassetten mit politischen Reden. Tsewang befindet sich immer noch in Haft.

Yang Bhu Gyal, 32, aus Kreis Rebkong, Magashang, in der Provinz Qinghai, wurde im Januar 1999 in Lhasa von 7 Sicherheitspolizisten wegen angeblicher Fluchthilfe festgenommen. 5 Monate lang wurde er bis zum Juni 1999 in der Nachen Polizeistation in Lhasa festgehalten. Dann wurde Yang Bhu Gyal von dem Höheren Volksgericht der TAR zu 8 Jahren Haft verurteilt. Bei dem Prozeß durfte er keinen Anwalt zu Rate ziehen. Niemand weiß etwas über seinen derzeitigen Aufenthaltsort oder seinen physischen Zustand.

Der 27-jährige Dukar aus Kreis Hualong in der Tsoshar TAP wurde im Dezember 1999 aus demselben Grund der Fluchthilfe verhaftet. Mindestens 6 Monate lang war er in Untersuchungshaft, wo er von Mitarbeitern des PSB (Public Security Bureau) und der Prokuratur vernommen wurde. Im Februar 2000 gelang ihm die Flucht nach Indien, wo er seine Studien fortsetzen möchte.

Teil 6

Schwere religiöse Restriktionen im Kreis Nyemo

Die 17-jährige Tsetan Lhamo ist eine Nonne aus dem Kloster Nyemo Terdhak in dem Dorf Retso der Gemeinde Nyemo, Distrikt Nyemo. Sie erreichte Dharamsala im Mai 2000. Der Distrikt Nyemo wurde 1999 durch Eingemeindung von vier anderen Gemeinden Dhadril, Chuling, Dhongkar und Ritso gebildet. In der Gemeinde Nyemo gibt es in fast allen Ortschaften sowohl mangtsuk (öffentlich verwaltete) als auch shungtsuk (von der Regierung verwaltete) Schulen, und für alle Kinder besteht Schulpflicht. Die Eltern müssen hohe Strafen zahlen, wenn sie ihre Kinder unter der Mittelschulebene nicht zur Schule schicken. Für weitere Studien oder gar Stipendien benötigen sie jedoch Beziehungen (chin. guanxi) zu Regierungskreisen, aber meistens werden nur die Kinder von Kadern begünstigt, während gewöhnliche tibetische Kinder leer ausgehen. Sogar die offiziellen Posten in den Gemeinde- und Distriktbüros sind für die Kinder der Höhergestellten reserviert. Angesichts dieser Lage arbeitet die Mehrheit der tibetischen Kinder nach Abschluß der Schule zu Hause in der Landwirtschaft oder Viehzucht.

Seit Anfang 1999 setzten die Chinesen die Zweikind-Politik in der Gemeinde Nyemo durch und forderten von jenen, die mehr als zwei Kinder bekamen, schwere Geldstrafen. Umgekehrt stellten sie jenen Belohnungen in Aussicht, die sich an die offizielle Politik und Regeln hielten. Die Kreisbehörden verboten den tibetischen Familien ebenfalls, in ihren Wohnungen religiöse Altäre aufzustellen. Den tibetischen Kadern wurden traditionelle religiöse Riten wie das Umwandeln der choerten (Stupa) oder die Darbringung von Butterlampen auf dem Altar verboten, ja sogar die religiösen Zeremonien für Verstorbene wurden geächtet. Dieses Verbot wurde Anfang 2000 erlassen und betrifft alle Tibeter in den Dörfern von Kreis Nyemo. Allen tibetischen Bauern und Nomaden wurde verboten, Altäre in ihren Häusern zu haben und Butterlampen zu brennen. Die Gemeinde- und Kreisbehörden entfernten Altäre aus den Häusern von Ärzten und Lehrern im Staatsdienst und Pensionären. Es gab auch Anordnungen, die Gebetsfahnen entweder zu entfernen oder durch chinesische Flaggen zu ersetzen. Die Staatsdiener kamen häufig zur Inspektion in die Häuser und verboten den Leuten, Dalai Lama Bilder zu Hause aufzustellen. Im Februar notierten die Behörden die Namen aller Mönche und Nonnen, die Verwandte in der Distriktverwaltung von Nyemo haben. Diese sollten dann den Mönchen und Nonnen nahe legen, ihre religiösen Institutionen zu verlassen. Wenn irgendein tibetischer Kader sich diesem Befehl widersetzte, dann verlor er seine Stelle, egal was seine Position in dem betreffenden Amt war. Die Behörden behaupten, daß diese Maßnahme "das Ansehen der tibetischen Kader und ihren Ruf in den Regierungsbüros der PRC (People's Republic of China) stärken würde."

Tsetans Eltern sind Bauern in der Gemeinde Nyemo. Im Alter von 7 Jahren ging sie zur lobchung (Grundschule), wo sie Tibetisch lernte. Mit 13 wurde sie Nonne in dem Kloster Nyemo Terdhak, wo sie 3 ½ Jahre blieb. Sie studierte religiöse Schriften und half anderen Nonnen bei dem Wiederaufbau des Klosters. Als Tsetan dem Kloster beitrat, wohnten dort 10 Nonnen, jetzt sind es nur noch 7. Im Sommer 1998 wurden annähernd 23 Nonnen aus drei verschiedenen Klöstern, nämlich Drowa Choeling, Neyon und Terdhak, von den Kreisbehörden in die Gemeinde Nyemo gerufen und gezwungen, an die "patriotische Umerziehung" mitzumachen. Etwa 4 Monate lang hielten 10 Kader von der Gemeinde- und Kreisverwaltung immer wieder Meetings in der Ortschaft Nyemo ab, um die Nonnen zu indoktrinierten. Die Umerziehung wurde morgens und nachmittags durchgeführt, wobei die Nonnen einzeln von den Kadern geprüft wurden. Ihnen wurde ständig eingebleut, den Dalai Lama als "Haupt der Spalter" und die Tibeter im Exil als "Separatisten" zu verabscheuen, Tibet als einen Teil Chinas zu akzeptieren und zuzugeben, daß es niemals unabhängig von China gewesen sei. Die Nonnen wurden einzeln aufgefordert, jeden Punkt der offiziellen Instruktion zu akzeptieren und sich mit allem einverstanden zu erklären.

Bei den Umerziehungssitzungen warfen die Offiziellen zwei Nonnen, Choenyi Dolma und Yeshi Saldon aus dem Kloster Terdhak, hinaus. Sie wurden gescholten, daß sie sich vor der Umerziehung drücken wollten und einen schlechten Eindruck bei den Kadern gemacht hätten. Beide Nonnen leben nun bei ihren Eltern in Nyemo und können keinem anderen Kloster beitreten. Im Juli 1999 nahmen die Funktionäre von Kreis und Gemeinde eine Bewertung ihrer Umerziehungsmaßnahmen in den Klöstern von Kreis Nyemo vor. In dem Kloster Terdhak hielten sich die Kader drei Tage lang auf und unterzogen alle Nonnen erneut einer Gehirnwäsche, bei der jede einzeln nach ihrer Meinung gefragt wurde. Alle Nonnen aus dem Kloster Terdhak mußten dann für eine Woche in das Gemeindezentrum Nyemo kommen, wo sie in der Gegenwart von Bediensteten des Public Security Bureau (PSB) wieder umerzogen und beurteilt wurden. Auch Beamte des Kreis-Sicherheitsbüros waren anwesend. Im selben Monat kamen die Dorfvorsteher zu dem Kloster und registrierten alles Vermögen der Nonnen außer den persönlichen Gegenständen. Dann warfen sie noch zwei Nonnen, Tsetan Lhamo und Tendon, hinaus, weil sie den Anordnungen nicht gehorcht und schlechtes Benehmen an den Tag gelegt hätten. Beide wurden nach Hause geschickt, und es wurde ihnen verboten, in Zukunft das religiöse Gewand zu tragen. Ebenso wurde ihnen erklärt, daß sie nirgendwo mehr religiöse Zeremonien durchführen dürfen. Alle ihre Bewegungen wurden von nun an überwacht. 3 Jahre lang stehen sie nun unter politischer Aufsicht und müssen sich zweimal monatlich bei dem PSB ihrer Gemeinde melden. Die Kader ermahnten die Nonnen, einem Geschäft nachzugehen oder im Hotel zu arbeiten, aber diesen war mehr daran gelegen, wie sie ihre religiösen Studien fortsetzen könnten. Tsetan Lhamo verließ insgeheim ihr Heim am 18. Februar und ging nach Lhasa. Dann floh sie bei Dram über die Grenze nach Nepal. Tendon wohnt bei ihren Eltern in Nyemo, denen sie in der Landwirtschaft hilft.

Teil 7

Zeugnis einer ehemaligen politischen Gefangenen

Die 22-jährige Lobsang Choezin (Laienname Seldron) ist eine Nonne aus dem Kloster Phenpo Shar in der Gemeinde Jangkha in Kreis Phenpo Lhundup. Choezin stammt aus einer Bauernfamilie von 8 Personen. 1991 wurde sie im Alter von 14 Jahren in dem Kloster Phenpo Shar Nonne, wo sie drei Jahre mit dem Studium heiliger Schriften verbrachte. Am 14. Juni 1994 veranstaltete Lobsang Choezin mit ihrer Gefährtin Choenyi Gyaltsen und drei weiteren Nonnen von Kloster Phenpo Shar eine Unabhängigkeitsdemonstration in Lhasa. Die Nonnen riefen Parolen wie "Free Tibet" und "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Innerhalb von 15 Minuten kamen Sicherheitskräfte von der Barkhor Polizeistation und verhafteten die Nonnen. Sie wurden gestoßen, getreten und einige Zeit lang heftig mit Stöcken geschlagen. Auf der Fahrt zu der Gutsa Haftanstalt wurden sie erneut brutal zusammengeschlagen. Choekyi Wangmo, eine der Nonnen, wurde ernsthaft verwundet, als sie von einem Sicherheitspolizisten mit einem Stock auf den Kopf geschlagen wurde, so daß sie, als sie Gutsa erreichte, nicht mehr fähig war, zu sprechen. Die fünf verhafteten Nonnen waren Choekyi Wangmo, Tsultrim Sangmo, Lobsang Choezin, Gyaltsen Sherab und Choenyi Gyaltsen. Choenyi Gyaltsen und Choekyi Wangmo wurden acht Monate lang ohne gerichtliches Verfahren in der Gutsa Haftanstalt festgehalten und viele Male vernommen. Choenyi sagte, daß "jede Vernehmung, wenn sie nicht zur Zufriedenheit der Peiniger antwortete, mit schweren Schlägen und Folterung verbunden war".

Im November 1994 wurden die Nonnen vor das Mittlere Volksgericht von Lhasa gestellt. Lobsang Choezin wurde zu vier Jahren Gefängnis und einem Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Tsultrim Sangmo, 23, (Laienname: Choekyi Kyemo), ursprünglich aus der Gemeinde Gachoy in Kreis Phenpo Lhundrup, wurde zu 5 Jahren Gefängnis im Drapchi Gefängnis und zwei Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Choenyi Gyaltsen, 26, (Laienname: Chemi Yangchen) wurde zu 5 Jahren Gefängnis und zwei Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Lobsang Choekyi (Laienname: Choekyi Wangmo) und Gyaltsen Sherab, beide 24-jährig, aus der Gemeinde Phenpo Gachoy, wurden zu 4 Jahren Gefängnis in Drapchi und Entzug der politischen Rechte für zwei bzw. ein Jahr verurteilt. Während Choenyi Gyaltsen und Tsultrim Sangmo im Dezember 1994 nach Drapchi verlegt wurden, wurden Lobsang Choezin, Tsultrim Sangmo und Gyaltsen Sherab ein Jahr und vier Monate in Gutsa festgehalten und schließlich im August 1995 nach Drapchi verlegt. Damals wurde gerade die neue dritte Einheit in Drapchi gebaut, weshalb dort nicht mehr Gefangene aufgenommen werden konnten. Lobsang Choezin, Tsultrim Sangmo und Gyaltsen Sherab waren in der neuen 3. Einheit von Drapchi eingesperrt. Zusätzlich zu dem regulären Militärdrill wurden den Nonnen Arbeiten wie das Spinnen von Wolle zu Garn zugewiesen. Lobsang Choezin und Gyaltsen Sherab wurden im Juni 1998 entlassen, wonach Lobsang Choezin dem PSB von Kreis Lhundrup übergeben wurde. Die Sicherheitspolizisten nahmen den Eltern beider Nonnen ein schriftliches Versprechen ab, daß "diese in Zukunft keiner politischen Tätigkeit mehr nachgehen werden und in jeder Sache oder Bewegung die Erlaubnis der Gemeinde oder Kreisbehörde einholen werden." Der Brief hinderte die Nonnen daran, einem anderen Kloster beizutreten oder irgendeine religiöse Aktivität auszuführen. Lobsang Choezin beschloß daher am 26. Februar 2000, zusammen mit anderen Nonnen nach Indien zu fliehen. Sie zahlten je 900 Yuan an einen Wegführer, der sie in Solukhumbhu über die Grenze nach Nepal brachte, wo sie am 11. April ankamen. Am 24. April erreichten sie schließlich Dharamsala.

Teil 8

Verhaftung von Kandze Mönchen

Der 21-jährige Sangye Gyatso aus der Ortschaft Karak in Kreis Kandze der Provinz Sichuan ist ehemaliger Mönch des Klosters Kandze. Drei Jahre lang besuchte er die lobchung Schule (Grundschule) in seiner Gegend und half dann seinen Eltern in der Landwirtschaft. 1996 trat er in Kloster Kandze ein. Damals waren dort ungefähr 500 Mönche, die meisten davon Novizen. Vor seinem Eintritt war schon einmal ein "Arbeitsteam" dort aufgetaucht. Im Juni 1998 kam erneut ein aus 10 Personen bestehendes in das Kloster Kandze, wo es drei Tage für die Umerziehung sorgte. Den Mönchen wurde verboten, Bilder des Dalai Lama zu besitzen oder zur Schau zu stellen und sie wurden gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, daß sie sich mit den Anweisungen der Umerziehung einverstanden erklären. Viele der Mönche widerstanden damals, weshalb die Eltern gerufen wurden, um ihre Söhne zu ermahnen, daß sie "die Prinzipien des Mutterlandes heilig zu halten haben". 60 Kindermönchen unter 18 Jahren wurden die Aufenthaltsscheine in dem Kloster verweigert. Am Ende kündigten die Kader an, daß sie die Umerziehung in vier Jahren zu Ende führen würden. 1998 kamen sie viermal, und auch 1999 erschienen sie wieder. Gyatso sagte, daß die Kader diesmal strenger und die Anweisungen noch deutlicher gewesen seien.

Am 15. April 1999 brachten Gyatso und Gyalpo aus eben diesem Kloster an einigen Mauern und an der Stadthalle von Kandze Unabhängigkeitsposter an. Am Haupttor der Distriktverwaltung durchkreuzten die zwei Mönche die chinesische Flagge, wonach sie in ihr Kloster zurückkehrten. Nach etwa einem Monat kamen die Milizen vom PSB und ließen die Mönche eine Schriftprobe ausführen, um ihre Handschrift zu vergleichen. Aus Furcht vor Verhaftung verließ Gyatso das Kloster. Am nächsten Tag durchsuchten die Polizisten sein Zimmer und entdeckten belastende Literatur bei ihm. Auch andere Zimmer wurden durchsucht, und bei Gonpo wurde die verbotene tibetische Flagge gefunden. Der 28-jährige Gonpo und Gyatsos Freund Gyalpo wurden noch am selben Tag verhaftet und sofort in das Haftzentrum Kandze gebracht, wo sie drei Monate eingesperrt waren. In der Haft wurde Gyalpo ernstlich verletzt, auch einen Rippenbruch erlitt er. Einige Mönche von Kloster Kandze sahen, wie er ins Hospital gebracht wurde. Seinen Verwandten wurde verboten, ihn zu besuchen. Es heißt, daß die zwei Mönche nach drei Monaten in der Haftanstalt Kandze irgendwo anders hin verlegt wurden, aber man weiß nicht wohin. Sangye Gyatso hielt sich ein Jahr lang verborgen, wonach ihm im Februar die Flucht nach Indien gelang.

Teil 9

Restriktionen im Kloster Tsang

Insgesamt 24 Mönche dieses Klosters flohen dieses Jahr nach Indien, weil sie die von den Chinesen geforderte politische Verpflichtung nicht akzeptieren konnten. Der 27-jährige Jigdal Gyatso aus dem Kloster Tsang in der Ortschaft Hoiba der Chabcha TAP machte im Januar zusammen mit 17 weiteren Mönchen den ersten Fluchtversuch. Die Gruppe wurde jedoch in Lhatse verhaftet und 7 Tage in Shigatse festgehalten. Später wurden die Flüchtigen nach Lhasa zurückgeschickt. Dort verbrachten sie einen Monat und im Februar versuchten sie dann wieder - es waren nun 24 Personen des Klosters Tsang - nach Indien zu entkommen. Nach 22 Tagen Fußmarsch erreichten sie schließlich am 24. März Nepal.

Gyatso kommt aus nomadischem Hintergrund. Er ging fünf Jahre lang zur Schule und wurde mit 16 Mönch in Kloster Tsang, wo damals 500 Mönche lebten. Im Juni 1996 kam das erste Arbeitsteam von 12 Kadern in das Kloster und unterrichtete die Mönche 7 Tage lang. Sie mußten sich über das politische System der PRC (People's Republic of China) informieren und lernen, wie man die Gesetze einhält und sich nach dem Prinzip "Liebe die Nation und die Religion" verhält. Zu dieser Zeit wurde noch keiner verhaftet oder ausgestoßen. 1996 gab es insgesamt 700 Mönche in dem Kloster. Das zweite Arbeitsteam suchte 1997 dreimal das Kloster heim und jedes Mal führte es eine Woche lang die patriotische Umerziehung durch, wobei den Mönchen Broschüren zum Studium ausgehändigt wurden. Das dritte Arbeitsteam von 15 Kadern kam viermal: im Januar, Mai, Juni und August 1998. Jedesmal blieb es 6 Wochen lang. 1998 warnte es mit strengen Worten, daß alle, die im Kloster bleiben möchten, das politische Gelöbnis ablegen müßten. Daraufhin verließen 12 Mönche freiwillig das Kloster und flohen nach Indien. Auch 1999 kamen wieder 12 Kader, die im Januar, April, Juni und August je zwei Wochen lang blieben. Dieses Mal wurden die Mönche gezwungen, den von der chinesischen Regierung ausgewählten Panchen Lama zu akzeptieren und sich vom Dalai Lama und dem "Spaltertum" zu distanzieren. Falls sie die betreffende Verpflichtung nicht unterschrieben, wurde ihnen mit der Ausweisung gedroht. Sie wurden ständig von den Kadern bedrängt, diese Bedingungen anzunehmen, wenn sie im Kloster bleiben wollten. Die Kader kamen so lange in das Kloster, bis die Mönche nachgaben. Keiner von ihnen wagte, sich zu widersetzen, weil ihnen mit der Vertreibung ihres Abtes und der Schließung des Klosters gedroht wurden.

Gyatso klagte über den Mangel an religiöser Freiheit. Er und seine Freunde erklärten einmütig, daß es keinen Sinn für sie gehabt hätte, im Kloster zu bleiben, wenn sie den Dalai Lama hätten verleugnen müssen. Auch hätten sie keine Erlaubnis bekommen, auf Pilgerfahrt nach Indien zu gehen, wenn sie die politischen Verpflichtungen nicht abgeben. 1996 erhielten etwa 300 Mönche die zum Bleiben im Kloster notwendigen Ausweise, während die Novizen unter 18 Jahren gehen mußten. Derzeit gibt es dort etwa 400 Mönche. Jigdral verließ das Kloster im Januar 2000 mit 24 seiner Gefährten. 1999 flohen insgesamt 34 Mönche nach Indien und 2000 bisher 24. Andere kehrten in ihre Dörfer zurück und helfen nun ihren Verwandten in der Landwirtschaft oder leben als Nomaden.

Teil 10

Arbeitsteam im Kloster Gyaltri

Tsewang Rinchen, 20, und Norbu Gyaltsen, 22, aus dem Dorf Methang in der Gemeinde Rushu, Kreis Markham, TAR, erreichten Dharamsala am 15. April 2000. Mit 15 Jahren war Rinchen 1995 in das der Sakya Tradition angehörende Kloster Gyaltri eingetreten. Damals waren etwa 50 Mönche dort. Als die Umerzieher kamen, riefen sie am ersten Tag die Mönche zusammen, um sich vorzustellen, später verteilten sie jedoch Schriften mit Schmähungen gegen den Dalai Lama, Mahnungen, die Einheit des Mutterlandes zu wahren und dem Verbot, über Unabhängigkeit zu reden. Jeden Abend mußten die Mönche wiederholen, was sie gelernt hatten. Wenn sie sich nicht äußern wollten, durften sie sich nicht entfernen und wurden geschlagen. Diejenigen Mönche, die bei Ankunft des Arbeitsteams gerade auf Pilgerfahrt oder im Retreat waren, wurden bei ihrer Rückkehr des Klosters verwiesen, ebenso die unter 18 Jährigen.

Die zwei Genannten reisten in einer Gruppe von 18 Mönchen, zu der auch 8 Novizen gehörten, die aus den Klöstern der Gegend ausgestoßen wurden, weil sie sich den Auflagen nicht fügten. Nach der Ausweisung aus dem Kloster mußten sie ihre Roben ablegen und es wurde ihnen verboten, weiterhin religiös aktiv zu sein. Die übrig gebliebenen 32 Mönche bekamen die Erlaubnisscheine, für die sie 5 Yuan zahlen mußten. Wer zu spät zu dem Unterricht kam, mußte Strafen von 10 bis 100 Yuan zahlen. Im Oktober 1999 kam ein zweites Arbeitsteam von der Distrikt- und Gemeindebehörde zusammen mit zwei Dorfvorstehern in das Kloster. Die Mönche wurden gezwungen, ihren Daumenabdruck auf Erklärungen der Loyalität zum Mutterland zu setzen und aufzusagen, was sie aus den politischen Schriften behalten hatten. Die Kader warnten sie davor, nach Indien zu fliehen. Am dritten Tag ihrer Anwesenheit stellten sie ein 5-köpfiges Verwaltungskomitee für das Kloster auf. Es wacht nun darüber, ob die Mönche Kontakt mit Leuten in Indien haben und sorgt dafür, daß sie den Anweisungen des Arbeitsteams gehorchen.

Teil 11

Nonne verlor den Verstand nach Folterung im Gefängnis

Die 35-jährige Namdrol Lhamo (Laienname Nyidron) stammt aus Rinpung in der Region Shigatse. Als Kind verlor sie ihre Eltern und wurde von ihrer einzigen Schwester aufgezogen, die das Haus der Familie in Shigatse verpfändete, um überleben zu können. Lhamo trat 1984 in das Kloster Tashi Choeling im nördlichen Lhasa ein. Dort widmete sie sich eifrig dem Studium der heiligen Schriften. Dies war eine aktive Zeit der Demonstrationen und Proteste in Tibet, an denen auch einige Nonnen ihres Klosters teilnahmen. Von der Unabhängigkeitsbewegung, die damals auf ihrem Höhepunkt war, inspiriert, begaben sich Lhamo und zwei Mönche aus einem Kloster in der Nähe von Tashi Choeling 1990 nach Lhasa und demonstrierten am Barkhor. Sie riefen lautstark Parolen wie "Tibet ist unabhängig", "Chinesen verlaßt Tibet", "Tibet gehört den Tibetern", und "Lange lebe der Dalai Lama". Augenblicklich erschienen mit Maschinengewehren und Schlagstöcken bewaffnete Milizen des PSB, um die Protestierenden zu zerstreuen und zu verhaften. Die drei Nonnen wurden in die Gutsa Haftanstalt im östlichen Lhasa gebracht, wo sie brutal geschlagen wurden. Lange Verhörsitzungen einhergehend mit unmenschlicher Mißhandlung folgten auf die Festnahme. Etwa im November 1990 sprach das Mittlere Volksgericht Lhasa das Urteil über die Verhafteten. Lhamo wurde damals zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Nonnen legten keine Berufung ein, noch fochten sie das Gerichtsurteil an, weil sie genau wußten, wie nutzlos so ein Akt ist. Lhamo wurde am Ende des Jahres in das Drapchi Gefängnis verlegt. Wie alle anderen Gefangenen wurde auch sie gezwungen, in der ersten Zeit Garn zu spinnen. Sie mußte ein bestimmtes Quantum an Wolle innerhalb einer festgesetzten Zeit fertigbringen, sonst wurde sie geschlagen oder mißhandelt. Die Gefängniswachen betrachteten Lhamo immer als einen schwierigen Fall und hatten keine gute Meinung von ihr, weshalb sie noch mehr als die anderen geschlagen wurde. Zuweilen wurde sie aus keinem ersichtlichen Grund mißhandelt. Im Oktober 1993 zeichneten Lhamo und 13 andere Nonnen Unabhängigkeitslieder und Gedichte auf einem Kassettenredorder auf, was von den Chinesen als ein illegaler Akt des Ungehorsams angesehen wurde. Ihre Haftstrafen wurden verlängert, und Lhamo bekam 6 Jahre dazu, was ihr Urteil auf insgesamt 11 Jahre erhöhte.

Wegen der brutalen Schläge, denen sie ständig ausgesetzt ist, geht es mit ihrer Gesundheit Tag um Tag bergab. Außerdem verlor sie ihr mentales Gleichgewicht. Nach den berüchtigten Drapchi Protesten vom 1. und 4. Mai 1998 wurde Lhamo erneut schwer mißhandelt und in Isolierhaft gesteckt. Sie weigerte sich, Nahrung zu sich zu nehmen, was den Gefängniswärtern ein Ärgernis war. So holten sie sie nach drei Tagen heraus, weil sie fürchteten, sie könnte Selbstmord begehen. Danach wurde sie wieder in Einzelhaft gesetzt. Es wird berichtet, daß Lhamo auf dem Boden zu sitzen pflegte, während andere Insassen auf ihren Betten lagen und schliefen. Wenn die anderen mit ihren Drillübungen und ihrer Gefängnisarbeit beschäftigt sind, sitzt Lhamo aufrecht auf ihrem Bett, flucht und redet ständig vor sich hin, was ihr noch mehr Schläge einbringt. Infolge der Mißhandlungen ist sie nun geistesgestört geworden und braucht unbedingt medizinische Hilfe, die ihr jedoch versagt wird.

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