HUMAN RIGHTS UPDATE

Juli 1999

Inhalt
  1. Haftstrafe der Nonne Ngawang Sangdrol auf 21 Jahre verlängert
  2. Geburtstagsfeierlichkeiten für Seine Heiligkeit verboten
  3. Ausschließung aus dem Kloster Jha Khyung
  4. Schließung von Kloster Gonsar
  5. Vier tibetische Gefangene warten auf ihren Schuldspruch
  6. Sera Mönch flieht wegen Umerziehung
  7. Sera Mönche verhaftet
  8. Weitere Auszeichnung für Reebok Menschenrechtspreis-Empfängerin
  9. Ausweisungen aus dem Kloster Lamo Dechen
  10. Ein politischer Gefangener zu Tode gefoltert
  11. Tod eines unschuldigen Mannes
  12. Religiöse Institutionen in Kreis Lhatse von Umerziehungs-Kommission heimgesucht
  13. Weitere Verhaftungen
  14. Tibetisches Frauenorakel zu acht Jahren verurteilt

Teil 1

Haftstrafe der Nonne Ngawang Sangdrol auf 21 Jahre verlängert

Ngawang Sangdrol, die bisher eine Strafe von 17 Jahren in Drapchi abzubüßen hatte, wurde im Okt. 1998 zum dritten Mal von dem Mittleren Volksgericht in Lhasa mit einer Verlängerung belegt. Damit beträgt die Gesamtzeit der Inhaftierung nun 21 Jahre. Sie ist somit die politische Gefangene in Tibet mit der längsten Haftstrafe. Einer zuverlässigen Quelle aus Tibet zufolge wurde Ngawang Sangdrols Urteil wegen ihrer Beteiligung an den Gefangenenprotesten vom 1. und 4. Mai 1998 in Drapchi um 4 Jahre vermehrt. Frühere Berichte lassen schließen, daß Ngawang Sangdrol und eine weitere Nonne namens Ngawang Choezom aus dem Kloster Chubsang wegen dieser Proteste schwer mißhandelt und in Einzelhaft gesteckt wurden. Sangdrol wurde von den Behörden als Anführerin verdächtigt und deshalb besonders brutaler Behandlung unterworfen.

Ngawang Sangdrols Gefängnisurteile wurden schon einmal von dem Volksgericht Lhasa verlängert und zwar im Okt. 1993 und im Juli 1996. Die 1977 geborene Nonne Ngawang Sangdrol aus dem Kloster Garu ist nun 22 Jahre alt. Erstmals wurde sie als Mädchen von 10 Jahren verhaftet und damals 15 Tage festgehalten. Am 28. Aug. 1990 im Alter von 13 demonstrierte sie wieder zusammen mit anderen Nonnen um den Norbulingkha. Weil sie noch zu jung war, um vor Gericht gestellt zu werden, wurde sie nur 9 Monate ohne Anklage festgehalten.

Am 17. Juni 1992 im Alter von 15 wurde sie zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie mit den anderen Nonnen von Garu demonstrieren wollte. Im Drapchi Gefängnis wurde Sangdrols Urteil am 8. Okt. 1993 unter der Anklage der "Verbreitung von konterrevolutionärer Propaganda" um 6 Jahre vermehrt. Gleich wie die 13 anderen Nonnen stand sie unter Anklage, Unabhängigkeitslieder auf einem ins Gefängnis geschmuggelten Kassettenrecorder aufgenommen zu haben. Und im Juli 1996 wurde ihr Urteil nochmals um 8 Jahre verlängert, weil sie, während sie und andere Nonnen als Strafe für die mangelnde Ordnung in ihrer Gefängniszelle im Regen stehen mußten, "Free Tibet" gerufen hatte.

"Art. 69 des chinesischen Strafkodex stellt deutlich fest, daß das Höchstmaß für eine festgesetzte Gefängnisstrafe 20 Jahre nicht übersteigen darf. Durch die neuerliche Verlängerung von Sangdrols Haft auf 21 Jahre verletzte China zweifellos seine eigenen Gesetze", kommentierte Lobsang Nyandak, der Leiter des TCHRD. Nyandak rief die Chinesen auf, unverzüglich Sangdrol freizulassen. Ngawang Sangdrols fortgesetzte Einsperrung würde die Welt beständig daran erinnern, daß China seine eigenen Gesetze mißachtet. Er sagte auch, daß die Chinesen den Art. 17 des Strafgesetzes verletzen, wo es heißt, daß Minderjährige unter 16 für ihre Übertretungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Als Ngawang am 17. Juni 1992 wegen "konterrevolutionärer Akte" verhaftet und zu 3 Jahren verurteilt wurde, war sie erst 15 Jahre alt. Ihr jüngerer, in Indien wohnender Bruder Jamphel Tenzin bestätigte ihr Geburtsjahr mit 1977.

Sangdrols gesamte Familie litt unter der Grausamkeit der Chinesen. Ihr Vater Namgyal Tashi und ihr Bruder Tenzin Sherab wurden im Juni 1991 in Lhasa verhaftet, nachdem das PSB ihr Haus durchwühlte und Bilder des Dalai Lama und politische Flugblätter konfiszierte. Ihr Vater wurde wegen konterrevolutionärer Aktivität zu 8 Jahren verurteilt, die dieses Jahr zu Ende sein dürften, falls die Frist nicht verlängert wird. Sandrols Mutter Jampa Choezom starb nur 3 Tage, nachdem der Vater und Sohn verhaftet wurden. Ihr Bruder wurde 1 Jahr festgehalten und aus seinem Kloster ausgeschlossen.

Ngawang Sangdrol wird weiterhin brutal mißhandelt. Sie wurde zweimal in Einzelhaft gesetzt, im März 1996 ein halbes Jahr lang sowie nach dem Gefangenenprotest im Drapchi Gefängnis. Ihre Leidensgefährtin Lobsang Dolma, die 5 Jahre mit ihr in Drapchi war, berichtete, daß sie seit langem ein Nierenleiden hat, aber in der Gefängnisklinik ungenügend behandelt wird. Sie muß Wolle weben und darf auch zur Arbeit niemals aus dem Gefängnis gehen. Bei ihrer Entlassung, die im Jahr 2013 ansteht, wird sie 36 Jahre alt sein und 21 Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht haben.

Teil 2

Geburtstagsfeierlichkeiten für Seine Heiligkeit verboten

Seit Februar wurde die Überwachung in Tibet verstärkt, um jeden eventuellen Protest am 5. und 10. März, dem 10. Jahrestag der Demonstration von 1989 und dem 40. Jahrestag der Volkserhebung von 1959, im Keim zu ersticken. PSB und PAP sowie lokale Polizeireviere in Lhasa standen unter Notstandsorder. Den Einwohnern Lhasas wurde verboten, zu mehr als 2 Personen an öffentlichen Plätzen zu stehen. Allen Erziehungseinrichtungen und Regierungsämtern wurde eine besondere Verordnung zugestellt. Die Bediensteten wurden in dieser Zeit in ihre Büros verbannt. Wer sich irgendwohin begeben wollte, brauchte eine Genehmigung des Vorgesetzten.

Eine Woche vor dem 64. Geburtstag des Dalai Lama verteilten die Behörden Instruktionen, welche jede Art der Feier untersagten. Am 6. Juli, dem Geburtstag, war die freie Bewegung der Tibeter eingeschränkt und chinesische Polizei patrouillierte die Straße zum Vorort Ngachen, um die Tibeter daran zu hindern, zu dem "Geburtstagsdorf" zu gehen. An diesem Ort wird sonst am Geburtstag des Dalai Lama Räucherwerk verbrannt. Ein Mönch aus dem Kloster Gyutoe in Lhasa soll versucht haben, dorthin zu gehen, aber wurde unterwegs schwer geschlagen.

Ein anderer 60-jähriger Mann wurde in Ngachen angehalten und sein Beutel durchsucht. Weil Tsampa darin gefunden wurde, beschuldigten sie ihn, daß er den Anlaß feiern wollte und schlugen ihn heftig. In den amtlichen Verordnungen heißt es, daß "die Feier des Geburtstages gegen das Gesetz des Landes verstößt, weil der Dalai Lama vor 40 Jahren floh und nicht nur seine Clique anführt, sondern nie seine Spalteraktivität einstellte." Die Begehung des Geburtstages gilt als Propagierung von Separatismus und Aufstachelung des Volkes gegen die chinesische Regierung. Das Dokument warnt auch, daß in Zukunft jegliches Feiern verboten wird und Zuwiderhandlung als Verstoß gegen das Gesetz geahndet wird.

Teil 3

Ausschließung aus dem Kloster Jha Khyung

Jha Khyung ist das größte Kloster in Kreis Lha-Lung der Malho TAP. Eine Umerziehungskommission von 8 Personen überfiel dieses Kloster im Sommer 1998. Damals gab es rund 500 Mönche dort. Die Umerziehungskampagne dauerte etwa einen Monat. Den Mönchen wurden Broschüren und Studienmaterial ausgegeben. Die zweite Kommission, die im Herbst 1998 in das Jha Khyung Kloster kam, umfaßte 80 Personen, und blieb etwa 2 Wochen. Im ganzen wurden 200 Mönche ausgewiesen, von denen einige den Kadern widersprochen hatten und andere unter der Altersgrenze von 18 Jahren waren.

Teil 4

Schließung von Kloster Gonsar

Im Juli 1998 überfiel eine Kommission von 10 Personen das Kloster Gonsar in der Ortschaft Jhangkar, Kreis Lhundup, um die 20 Mönche des Klosters umzuerziehen. Sie wurden gezwungen, sich gegen Seine Heiligkeit den Dalai Lama zu stellen. Sie weigerten sich heftig, den Auflagen zu folgen, denn sie trügen das Gewand der Mönche und könnten nicht ihren Glauben verleugnen. Trotz einmütigen Widerstandes der Mönche fuhren die Offiziellen mit ihrer Kampagne fort. Die Mönche beharrten in ihrer Aversion. Schließlich kündigten die Kader an, daß sie das Kloster schließen würden und alle Mönche nach Hause zurückkehren müßten. Gegen Ende August 1998 wurden alle 20 weggeschickt und das Kloster geschlossen. Weiterhin wurde ihnen untersagt, in ein anderes Kloster einzutreten oder Rituale bei Familien durchzuführen. Das Kloster Gonsar wurde während der Kulturrevolution völlig zerstört, aber 1991 dank der Beiträge der lokalen Tibeter renoviert.

Teil 5

Vier tibetische Gefangene warten auf ihren Schuldspruch

Ama Lhundup Wangmo, Pa Tashi, Mo Tsephel und Sonam wurden am 20. August 1998 auf Verdacht von "politischer Aufhetzung" der älteren Bevölkerung verhaftet. Der Gerichtshof verurteilte sie nicht sofort, sondern stellte fest, daß ihr Fall weiterer Überprüfung bedarf. Ein Gewährsmann berichtete, daß sie sich alle seit ihrer Verhaftung im August 1998 in der Haftanstalt Seitru befinden. Seit Anfang 1998 versammelten sich ältere Tibeter gelegentlich um den Jokhang herum zum Gebet. Diesen Zusammenkünften wurden nun vom Staat politische Motive unterschoben und seit Mitte 1998 wurden sie streng überwacht. Ama Lhundup Wangmo aus Tsemonling, Stadt Lhasa, wurde am 20. Aug. 1998 verhaftet, als Beamte des PSB ihre Wohnung durchwühlten. Sie ist bekannt dafür, daß sie politische Gefangene zu besuchen pflegte. Bereits 1987 und 1993 wurde sie verhaftet, weil aber kein belastendes Material gegen sie gefunden wurde, bald wieder freigelassen. Pa Tashi, aus Lhasa Chingu, Ama Tsepak aus Lhasa Shol und Sonam wurden aus ähnlichen Gründen verhaftet.

Teil 6

Sera Mönch flieht wegen Umerziehung

Lobsang Tenpa, 24, ein früherer Mönch aus Sera, gebürtig aus der Ortschaft Jhema in Kreis Phenpo Lhundup, erreichte am 5. Juli 1999 Indien. Ein Fluchtversuch mißlang ihm bereits im Febr. 1997, weil er unterwegs in Dhingri erkrankte und zu seinen Verwandten nach Lhasa zurückkehren mußte. Nach seiner Genesung begab er in sein Dorf in Phenpo, weil seine Freunde ihn warnten, daß er von den Behörden verfolgt würde. Das "Democratic Management Committee" hatte bei einer Musterung im Kloster seine Abwesenheit entdeckt.

Im April 1997 kamen die Klosterpolizisten von Sera in sein Haus in Phenpo und quetschten ihn aus, wohin er in letzter Zeit gereist war. Sie hegten wegen seines Versuches nach Indien zu fliehen Verdacht und wollten herausbekommen, ob irgendwelche älteren Mönche des Klosters ihre Hand mit im Spiel hatten. Schließlich erklärten sie ihm, daß er aus dem Kloster ausgewiesen sei und befahlen ihm, seine Wohnrechtskarte für das Kloster abzugeben. Als Grund für seine Ausweisung wurde "die Weigerung, den Anweisungen der Umerzieher zu gehorchen" angegeben. Er darf auch in kein anderes Kloster mehr eintreten oder sich aus seinem Dorf hinausbewegen. Ein Mitglied seiner Familie mußte bürgen und beteuern, daß Lobsang nicht mehr politisch aktiv sein wird. Aber auch danach hörte die Kreispolizei nicht auf, ihn zu verdächtigen. Im Dez. 1998 kamen Kader von der Gemeindeverwaltung, um politisch unter Verdacht Stehende zu überprüfen. Sie drangen auch in Lobsangs Haus ein und fragten, womit er sich derzeit beschäftige. Diese fortwährenden Restriktionen und Überwachungen veranlaßten ihn, Pläne zur Flucht um jeden Preis zu schmieden.

Lobsang Tenpa wurde wegen seiner Teilnahme an der Demonstration vom 5. März 1988 einen Monat in Gutsa und Sangyip festgehalten. Damals war er erst 15 Jahre alt und wurde schwer mißhandelt. Er sah auch, wie ältere Mönche allerorten nach der Verhaftung gnadenlos und brutal mit Eisenstangen auf ihre Köpfe geschlagen wurden. Nach seiner Entlassung konnte er jedoch wieder in Sera eintreten und sein religiöses Leben fortsetzen.

Im Mai 1996 überfiel eine "Arbeitskommission" für die patriotische Umerziehung das Kloster. Die Mönche mußten Dinge tun und sagen, die völlig gegen ihren Willen waren. Ende 1996 bekam Lobsang den Ausweis für das Bleiberecht im Kloster. Ihm war jedoch nicht wohl dort und im April 1997 plante er zusammen mit einem Gefährten aus demselben Kloster die Flucht. Da erkrankte er und mußte nach Hause zurückkehren.

Teil 7

Sera Mönche verhaftet

Im Jan. und Feb. 1999 verhaftete das Management Komitee und die Polizei des Klosters Sera vier Mönche unter dem Verdacht politischer Aktivität. Alle vier wurden an verschiedenen Tagen verhaftet. Sonam am 18. Jan. und Lhakpa am 11. Febr. Zwei Tage später Pasang am 13. Febr. gefolgt von Norbu am 14. Febr. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Teil 8

Weitere Auszeichnung für Reebok Menschenrechtspreis-Empfängerin

Im Jan. und Feb. 1999 verhaftete das Management Komitee und die Polizei des Klosters Sera vier Mönche unter dem Verdacht politischer Aktivität. Alle vier wurden an verschiedenen Tagen verhaftet. Sonam am 18. Jan. und Lhakpa am 11. Febr. Zwei Tage später Pasang am 13. Febr. gefolgt von Norbu am 14. Febr. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Phuntsok Nyidron wurde für ihr mutiges Opfertum für die Menschenrechte von dem Komitee zum Gedenken des 4. Juni und China Peace geehrt. Am 3. Juni 1999 erhielt Phuntsok Nyidron, die derzeit in dem Drapchi Gefängnis gefangengehalten wird, eine Auszeichnung für ihren selbstlosen Kampf zur Wahrung der Menschenrechte in Tibet. Darin wird ihre fortgesetzte Motivation und Entschlossenheit gelobt. Ursprünglich aus dem Kreis Phenpo Gyalchoe westlich von Lhasa stammend, trat Phuntsok dem Nonnenkloster Michungri mit 18 Jahren bei. Am 14. Okt. 1989 führte sie eine friedliche Demonstration am Barkhor. Später wurde sie als Anführerin erfunden und zu 9 Jahren verurteilt. Im Drapchi Gefängnis machten Phuntsok und 13 andere Nonnen eine Tonbandaufzeichnung von Liedern, die irgendwie hinausgeschmuggelt wurde und in Tibet die Runde machte. Phuntsoks Urteil wurde deswegen um weitere 8 Jahre vermehrt, womit sie nun eine Haftstrafe von 17 Jahren hat. Phuntsok ist bereits Empfängerin des Reebok Menschenrechtspreises 1995, der Personen in der ganzen Welt ehrt, die einen bedeutsamen Beitrag zu der Sache der Menschenrechte inmitten unsäglicher Schwierigkeiten leisteten.

Teil 9

Ausweisungen aus dem Kloster Lamo Dechen

Thupten Monlam verließ sein Heim am 29. Mai 1999 und fuhr nach Lhasa, um von dort ins Exil zu fliehen. Er ist ein 21-jähriger Mönch aus dem Kloster Lamo Dechen in Chentsa, Malho TAP, Provinz Tsongon, und möchte in Indien sein monastisches Leben fortsetzen.

Er verließ das Kloster wegen der ständigen Belästigungen durch das "Workteam". Im Sommer 1998, als sie zum ersten Mal kamen, waren es etwa 30 Kader. Sie verteilten Broschüren gegen Seine Heiligkeit den Dalai Lama und die "Spalter" und riefen zur Einheit des "Mutterlandes" auf. Etwa 14 Mönche, die dem Workteam widersprachen, wurden hinausgeworfen. Es ging nach etwa einem Monat wieder.

Dann kam im August 1998 eine weitere aus 25 Personen bestehende Abordnung nach Lamo Dechen. Sie gaben dieselben Broschüren aus und indoktrinierten die Mönche auf die gleiche Weise wie zuvor. Alle Ausgaben für ihren Aufenthalt mußten von dem Kloster bestritten werden. Die Mönche von Lamo Dechen ließen die herzlosen Instruktionen der Kader bis zu einem gewissen Grad über sich ergehen, weil sie im Kloster bleiben wollten. Als jedoch ein totales Verbot von Dalai Lama Bildern verhängt wurde, erregten sie sich heftig. Etwa 90 verließen freiwillig das Kloster. 30 wollten ins Exil fliehen und etwa 60 schlossen sich Labrang Tashi Kyil an. Viele begaben sich auch freiwillig in ihre jeweiligen Dörfer zurück. Als Thupten das Kloster im Mai 1999 verließ, waren dort von den ehemals 270, als er 1984 eintrat, nur noch 75 übrig.

Nach dem tibetischen Neujahr 1999 kam das Workteam wieder in das Kloster. Thupten hatte gehört, daß es etwa 30 Kader gewesen seien. Weitere Informationen hat er nicht, aber ist sicher, daß die verbliebenen Mönche harten Maßnahmen unterworfen wurden.

Teil 9

Zeugnis eines früheren politischen Gefangenen

Dolkar Kyap, 28, ist aus der Gemeinde Nyulra, Kreis Machu, Ganan TAP, Provinz Gansu. Er kam im Febr. 1999 in Indien an, nachdem er 3 Jahre in der Provinz Gansu eingesperrt war. 1990 hatte er mit 19 Jahren bereits Indien besucht, wo er 2 Jahre und 7 Monate zur Bir Schule ging. Später arbeitete er 1 Jahr lang als Tibetischlehrer an der Chauntara Schule in Bir. Als er erfuhr, daß sein Vater in kritischer gesundheitlicher Lage ist, kehrte er im April 1994 nach Tibet zurück. Im Juni 1994 wurden Dolkar und zwei seiner Freunde, die Mönche Jigme Jamdruk, 36, und Jigme Gyaltsen, 36, beide aus Labrang Tashi Kyil, politisch aktiv. Sie verteilten Flugblätter und Dokumente und zeigten in dem Kreishospital von Machu eine aus Indien geschmuggelte Videocassette.

Am 15. Aug. 1994 klebten sie Blätter an die Tore von Behörden in Kreis Machu, Laternenpfosten, Mauern und Anschlagbretter. Im Sept. 1994 gab Dolkar Broschüren wie die Zukünftige Demokratische Verfassung Tibets an Jigme Jamdruk zum Verteilen, weil er die Nubchang Minderheitenschule besuchen mußte.

Anfang 1995 verteilten Dolkar, Jigme Gyaltsen und Jigme Jamdruk die Rede Seiner Heiligkeit zum 10. März 1994 und diejenige zum Menschenrechtstag 1993 in Machu, Nyulra, Marimey und Gawang Tsang. Daraufhin verhaftete am 1. April 1995 die Sicherheitspolizei der Gansu TAP Dolkar in seiner Schule. Wenige Wochen später wurden Jigme Jamdruk und Jigme Gyaltsen in ihrem Kloster verhaftet.

Anfänglich wurde Dolkar von der Landrou Denchak Kreisbehörde 17 Tage festgehalten. Während dieser Zeit mußte er lange Perioden stehen, wurde gegen die Wand und auf den Boden geknallt, und 12 Tage lang täglich einige Stunden lang in der Luft aufgehängt. Danach wurde er in das Haftzentrum von Kanlho verlegt, wo er 4 Monate lang eingesperrt war. Von dort wurde er in das Haftzentrum von Kreis Machu gebracht, wo er 3 Monate lang war, und dann wiederum in das Haftzentrum der Ganan TAP bis zum 19. Sept. 1996, als er endlich vor Gericht gestellt wurde. In all diesen Haftzentren wurde er intensiv verhört und grausam geschlagen. Während seiner ganzen Haftzeit durfte er überhaupt keine Besucher empfangen.

Dolkar wurde der Propagierung von "konterrevolutionärer Ideen" insbesondere der "Ideologie der tibetischen Unabhängigkeit" und der "Bedrohung der Einheit" des Sozialistischen Staates der Volksrepublik für schuldig befunden. Er wurde von dem Mittleren Volksgericht von Khenlo zu 3 Jahren Gefängnis und 2 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Jigme Jamdruk zu 2 Jahren Gefängnis und 1 Jahr Verlust der politischen Rechte. Jigme Shedrup, der nach der Verhaftung erkrankte, wurde auf Bewährung entlassen.

Dolkar büßte die 3 Jahre in dem Gefängnis Kachu ab, das in der Autonomen Präfektur Lingshak Hoyrik liegt. Dieses Gefängnis hat 8 Einheiten und 4 Blöcke, worin etwa 2.000 Gefangene, darunter Chinesen, Tibeter, Uiguren, Mongolen und chin. Moslems eingesperrt sind. Die Zwangsarbeit dort ist hauptsächlich Metallarbeit, Holzarbeit, Weben, Schneidern und Schuhflicken. Dolkar war in dem 5. Block, wo er Handschuhe nähen mußte.

Er erzählte, daß Krankheiten weit verbreitet in den Gefängnissen sind. Die Gefangenen müssen 6 Tage in der Woche von 8 Uhr morgens bis 9 Uhr abends arbeiten. Viele leiden wegen des Staubes in der Matratzen "Web- und Dreschwerkstatt" im an ernstem Husten und Halsschmerzen. Fälle von Gefangenen, die wegen Vernachlässigung und ungenügender medizinischer Versorgung sterben, sind an der Tagesordnung. Im August 1997 starben beispielsweise 8 nicht-politische Gefangene infolge der unerträglich harten Zwangsarbeit und der nicht rechtzeitig erfolgten medizinischen Behandlung. Die Gefängnisärzte betrachten Fieber und Grippe als geringfügige Leiden, die sie erst behandeln, wenn der Patient in kritischer Lage ist. Gefangene, die an Infektionskrankheiten leiden, werden nicht von dem Rest der Einheit abgesondert.

Während Saka Dawa, wenn die tibetischen Gefangenen sich zu Gebeten und zum Essen zu versammeln pflegen, schalten die Gefängnisaufseher sie und griffen sie physisch an, weil sie angeblich "spalterische" Nachrichten austauschen würden. Zwei Tibeter wurden auf diese Weise schwer geschlagen und in Einzelhaft gesteckt. Ebensowenig dürfen die moslemischen Gefangenen ihr religiöses Fasten begehen. Wenn die Kader der Provinzverwaltung auf Inspektion kommen, dann werden die Gefangenen angewiesen, ihre Blöcke sauber zu putzen und aufzupolieren. Sie durften nicht einmal die Toiletten benutzen, damit diese bei der Inspektion sauber wären.

Teil 10

Ein politischer Gefangener zu Tode gefoltert

Jamyang Dhondup, der im Januar in Dharamsala ankam, erzählte, daß der 25-jährige politische Gefangene Lhadar im September 1993 in einem Haftzentrum starb. Lhadar war ein Thangka-Maler aus dem Kloster Ghemo in Kreis Lithang, Kandze TAP. Er wurde am 20. Aug. 1993 verhaftet, weil er Plakate für die Unabhängigkeit Tibets um sein Kloster herum angebracht hatte. Sein Freund Jamyang und zwei andere Männer aus Lithang wurden am 19. Aug. 1993 wegen ähnlicher Aktivitäten verhaftet. Alle befanden sich um dieselbe Zeit in dem Distriktgefängnis von Kandze, Präfektur Lithang, aber wurden separat verhört. Alle wurden inzwischen entlassen außer Ngawang Choephel, der weiterhin im Gefängnis von Ngapa sitzt, wo er eine 10-jährige Haftstrafe abbüßt.

Lhadar wurde schwer von den Gefängniswärtern gefoltert. Er starb einen Monat nach seiner Verhaftung. Bei seinem Tod waren seine Arme und Beine in Schellen. Mitinsassen informierten später seiner Freunde, daß er ein Bild von Guru Padmasambhava an die Gefängniswand gemalt hatte und eine Botschaft hinterließ: "Ich gehe in das Reich von Padmasambhava. China kann man nicht trauen, deshalb sollten alle Tibeter vereint sein". Das waren die letzten Worte Lhadars. Flüchtlinge aus Lithang hatten bereits 1994 berichtet: "Zwei volle Tage weigerten sich die Tibeter, Lhadars Leiche vom Gefängnis zu holen, weil die Behörden eine ungenügende Auskunft über seinen plötzlichen Tod gaben. Sie haben wenig Zweifel, daß die chin. Polizei voll verantwortlich für das Ableben von Lhadar ist. Sie glauben nicht der Version der chin. Polizei, daß Lhadar in der Haft Selbstmord begangen hätte."

Teil 11

Tod eines unschuldigen Mannes

Chimey Rinzin wurde anstelle seines Vaters verhaftet, der sich versteckt hielt, seitdem er einen Chinesen umgebracht hatte. Die Polizei verhaftete den 23-jährigen Chimey in der Meinung, daß der Vater sich dann zeigen würde, um seinen Sohn zu retten. Als Chimey sich jedoch weigerte, über den Aufenthalt seines Vaters Auskunft zu geben, wurde er brutal gefoltert. Wegen dieser entsetzlichen Mißhandlungen soll er an mentalen Störungen gelitten haben. In dem Gefängnis von Amdo Ngaba hatte Chimey eine Auseinandersetzung mit einem der chin. Insassen, bei der beide verletzt wurden. Daraufhin wurde Chimey als Strafe, weil er gestritten hatte, wieder geschlagen und zudem in Einzelhaft gesetzt. Als er aus dieser herauskam, war er durch die inneren Verletzungen völlig gebrochen und starb eine Stunde später im April 1997. Nach seinem Tod sandten die Mitgefangenen eine Nachricht an seine Angehörigen, aber die Behörden verweigerten die Herausgabe der Leiche.

Teil 12

Religiöse Institutionen in Kreis Lhatse von Umerziehungs-Kommission heimgesucht

Im April 1998 kam ein "Workteam" von 11 Personen in den Kreis Lhatse, um die patriotische Umerziehung in allen Klöstern des Kreises durchzuführen. Sie kamen in das Nonnenkloster Kundhen, in das Kloster Shenkhang Lhaka, das Kloster Sharchen und Lhatse Chatae. Allen Mönchen und Nonnen wurde befohlen, sich in dem Kloster Lhatse Chatae einzufinden, um den Dalai Lama zu beschimpfen und die Einheit des Mutterlandes zu preisen. Tsering Chokey und eine weitere Nonne von dem Kloster Kundhen beschlossen, freiwillig das Kloster zu verlassen, weil sie die Forderungen des Workteams nicht akzeptieren konnten. Derzeit sind nur noch 9 Nonnen in Kundhen. Dieses Kloster wurde im August 1980 mit den von den Nonnen gesammelten Spenden und Beiträgen der lokalen Bevölkerung gebaut.

Weitere zwei Mönche wurden aus dem Kloster Lhatse Chatae ausgewiesen, weil sie sich nicht den Anweisungen des Workteams fügten. Diese Mönche sagten, daß sie den Gedanken, Seine Heiligkeit zu verwerfen, einfach nicht ertragen könnten. Die Kader kommen immer noch jeden Monat in die Klöster von Lhatse.

Teil 13

Weitere Verhaftungen

Kalsang Wangdu und Kalsang Tsering aus dem Kloster Pangsa, Meldro Gongkar, wurden im Juni 1997 verhaftet, weil sie Unabhängigkeitsposter angeklebt hatten. Kalsang Wangdu, ein 21-jähriger Mönch, der Sohn von Ngawang Nyima, und Kalsang Tsering, ein 20-jähriger Mönch, der Sohn von Trebhu, klebten am 1. Juni 1997 Poster um ihr Kloster herum an. Wenige Tage später wurden sie verhaftet. Beide wurden zu 6 Jahren verurteilt und sitzen derzeit in Drapchi ein.

Der 27-jährige Ngawang und der 23-jährige Nyima Tenzin, beide aus Meldro Gongkar, wurden anfangs Juni 1993 wegen Anbringen von Freiheitspostern verhaftet. Ngawang ist der ältere Bruder von Kalsang Tsering und war Mönch in dem Dagpa Kloster. Nyima Tenzin, der Sohn von Kunchok Palden, war Mönch in Kloster Pangsa. Beide klebten am Abend des 31. Mai 1993 Poster an. Beide wurden zu 8 Jahren verurteilt und sind derzeit in Drapchi.

Lobsang Tsundrue, ein 47-jähriger Nomade aus Meldro Gongkar, wurde irgendwann im Juni 1993 verhaftet und zu 8 Jahren in Drapchi verurteilt. Ihm wird zur Last gelegt, daß er die verbotene tibetische Nationalflagge 1993 auf dem Gaden Wangpo Hügel aufgezogen hat. Tsundrue wurde bereits einmal 1989 wegen Anbringung von Unabhängigkeitsplakaten verhaftet. Damals wurde er zu 3 Jahren verurteilt und in dem Gefängnis des Kreises Meldro Gongkar eingekerkert.

Teil 14

Tibetisches Frauenorakel zu acht Jahren verurteilt

Dolma Tsamchoe ist eine 61-jährige Frau aus dem Dorf Hampa, Gemeinde Ruthog in Kreis Meldro Gongkar. Sie büßt eine 8-jährige Haftstrafe in Drapchi ab, weil sie im Zustand der Trance, während sie als Medium für eine lokale Gottheit fungierte, nach Unabhängigkeit für Tibet rief. Ihre Tochter Zomkyi, die im Exil lebt, ist ernstlich um ihre Mutter besorgt, von der sie seit 1994 nichts gehört hat.

Dolma kommt aus Nomadenkreisen. Sie hat 4 Söhne und 2 Töchter. Sie ist eine einfache Frau, die den täglichen Pflichten ihres Haushaltes nachging. Sie führte ein angenehmes Leben, weil die meisten ihrer Kinder bereits erwachsen waren. Dolmas erste Erfahrung als Medium begann in der Zeit der Liberalisierungspolitik gegen Ende 1979. Damals wurden viele während der Kulturrevolution zerstörte Klöster erneuert, und es gab einen gewissen Grad an religiöser Freiheit.

Die Familie verbarg die Mediumschaft Dolmas anfänglich vor den anderen Bewohnern der Gegend und verbot ihr sogar, das Haus zu verlassen. Dolma hatte keine Kontrolle über den Eintritt des Geistes in ihren Körper und fiel häufig in Trance. Allmählich erfuhren die Leute dennoch von dem Orakel und begannen Dolma aufzusuchen. Sie suchten ihren Segen und begehrten auch Divinationen in alltäglichen Angelegenheiten von ihr. Keiner wußte genau, was für eine Gottheit es war, aber alle horchten auf sie. Dolma besuchte nun auch andere Dörfer in Meldro Gongkar und gab Ratschläge. Schließlich hatte sie viele Anhänger. Zomkyi erzählt, daß ihre Mutter im Trancezustand direkt die Schuldigen nannte, die Diebstahl begangen oder Tiere erschlagen hatten und forderte sie auf, solchen Unfug einzustellen.

1993 soll Dolma in sieben Dörfern um Ruthog die Runde gemacht und vor versammelter Menge im Trancezustand "Tibet ist unabhängig, Seine Heiligkeit der Dalai Lama ist das Oberhaupt Tibets, Unabhängigkeit für Tibet kommt bald, alle Tibeter, die ihr Tsampa eßt, vereint euch" gerufen haben. Währenddessen verschlechterte sich Dolmas Gesundheit. Jedes Mal, wenn die Gottheit ihren Körper betrat, war sie erschöpft. Sie klagte über ständige Müdigkeit und lag die meiste Zeit danieder. Indessen war Sie niemals gewahr, was mit ihr geschah, wenn der Geist in sie trat.

In dem 200 Köpfe zählenden Dorf Rinchen Ling ließ sie die Leute dreimal "Free Tibet" rufen. Noch im selben Monat verhafteten Beamte des PSB von Meldro Gongkar Dolma in ihrem Haus zusammen mit ihrem Schwiegersohn und ihrem Neffe. Trotz ihres Alters und ihrer schlechten Gesundheit durfte niemand von ihrer Familie sie in der Haft besuchen. Die Polizei verhaftete ihren Schwiegersohn und Neffen, weil sie sie von Rinchen Ling nach Hause geleitet hatten. Nach zwei Monaten in dem Haftzentrum von Meldro Gongkar wurde Dolma nach Gutsa verlegt und die anderen zwei entlassen. Dolma wurde zwei Monate in Gutsa festgehalten, wonach sie von dem Mittleren Volksgericht von Lhasa wegen "konterrevolutionärer Propaganda" zu 8 Jahren verurteilt wurde. Danach wurde sie nach Drapchi verlegt. Im Winter 1994 trat sogar im Drapchi Gefängnis der Geist erneut in ihren Körper ein. Die Gefängnisleitung, die davon erfuhr, sperrte sie 10 Tage lang in Einzelhaft. In Drapchi ist es Dolmas Aufgabe, die Pflanzen zu gießen und das Gelände zu fegen. All ihre Angehörigen sind wegen ihres Alters und ihrer schlechten Gesundheit ernstlich um sie besorgt.

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