1. Juni 2021
Bitter Winter,
https://bitterwinter.org/rape-humiliation-and-torture-a-uyghur-kazakh-survivor-speaks-out/

Vergewaltigung, Demütigung und Folter: Eine uigurisch-kasachische Überlebende sagt aus

Gulbahar Jalilova bricht das Schweigen und spricht über den schrecklichen sexuellen Mißbrauch von Frauen und die Zwangsabtreibungen in Xinjiangs Haftanstalten.

von Ruth Ingram

Junge Frauen, deren Muttermilch noch herauströpfelte, wurden beim Stillen von ihren Kleinen weggerissen, ältere Frauen wurden vor männlichen Wärtern entkleidet und abgetastet, Teenager vergewaltigt und der Körper eines jeden Gefangenen wimmelte von Läusen. Dies sind nur einige der Schrecken, die Gulbahar Jalilova miterlebte, deren 15-monatige Qual während ihrer Internierung durch die chinesische Regierung wegen Vergehen, die sie nie begangen hat, sie traumatisiert und in Angst um ihr Leben versetzt hat. Sie beschrieb ihre Tortur in einem Webinar, das kürzlich vom Internationalen Dienst für Menschenrechte organisiert wurde, um denjenigen, die immer noch in den Lagern leiden, Gehör zu verschaffen.

Gulbahar Jalilova

Es gibt nichts Ungewöhnliches an Gulbahar, sicherlich nichts, was sie als Terroristin oder Extremistin auszeichnet, die das chinesische Mutterland spalten will oder eine Gefahr für die chinesische kommunistische Partei darstellt. Sie beschreibt sich selbst als normale Hausfrau, die in kleinem Umfang in China einkaufte und verkaufte. Aber sie war, so scheint es, eine gekennzeichnete Frau und in großer Gefahr.

Das wußte sie jedoch nicht, als sie im Mai 2017 nichts ahnend zu einer ihrer häufigen Geschäftsreisen von Kasachstan, dem Land ihrer Geburt, nach Xinjiang, der Heimat ihrer Vorfahren, aufbrach. Als verheiratete Mutter von vier Kindern, uigurischer Abstammung, aber in Kasachstan geboren, war sie zwanzig Jahre lang unbeschwert zwischen den beiden Ländern hin und her gereist. Aber aus irgendeinem Grund kam ihr Name auf die Fahndungsliste, als die Razzien, Verhaftungen und das Verschwindenlassen im Jahr 2016 einsetzten.

Kaum war sie in ihrem Hotel in Urumqi angekommen, hatte sie ihre Koffer ausgepackt und sich für die Nacht eingerichtet, als es wild an der Tür hämmerte. Drei Polizisten auf dem Flur sagten, sie hätten ihr ein paar Fragen zu stellen und würden sie bitten, mit ihnen zu kommen.

15 Monate lang durfte sie Freiheit nicht mehr genießen.

Der erste Tag begann um 8 Uhr morgens, als die Polizei sieben Stunden lang ihr Telefon durchsuchte, um Beweise für ihre „Verbrechen“ zu finden. Da sie nichts Belastendes finden konnten, brachten sie sie in den Keller, wo sie in Ketten gelegt wurde. Sie fingen an, sie zu beschuldigen, mit bestimmten Leuten in Kontakt zu stehen. Sie schalten sie, weil sie Namaz (täglich fünfmal zu verrichtendes Stundengebet der Muslime) verrichtete und ihren Kindern das Beten beibrachte.

Das Verhör dauerte bis 23 Uhr in der Nacht, als man ihr schließlich eine in Chinesisch verfaßte Anklageschrift zur Unterschrift vorlegte. Als sie vor dem Unterschreiben um eine Übersetzung bat, weil sie nur Russisch und kein Chinesisch spreche, begannen sie, sie mit einem Stock heftig zu schlagen. Dann wurde sie in das Frauengefängnis Nummer zwei in Urumqi gebracht.

Sie wurde nackt ausgezogen und erhielt eine gelbe Uniform. Sie nahmen eine Urinprobe, um ihren Schwangerschaftsstatus zu überprüfen. Alle mit einem positiven Ergebnis wurden sofort zur Abtreibung ins Krankenhaus gebracht. Ihr blieb diese Demütigung erspart.

Nach einem Monat in Haft ohne Duschen oder Wasser zum Waschen war sie von Läusen befallen, und ihr unerträglich juckender Körper war vom Kratzen vernarbt. Eines Tages, so erinnert sie sich, wurde ihnen plötzlich und ohne Vorwarnung befohlen, sich in einer Reihe aufzustellen, um ihre Köpfe rasieren zu lassen. Sie erinnert sich, daß ihnen zweimal im Monat unbekannte Pillen verabreicht wurden, alle zehn Tage wurden sie, angeblich für einen Gesundheitscheck, entkleidet, männlichen Polizisten vorgeführt und etwas wurde ihnen injiziert. „Wir hatten absolut kein Recht zu fragen, wofür das alles war“, sagt sie. „Was auch immer sie uns sagten, wir mußten gehorchen.“

Die Hungerrationen ließen sie abmagern und so schwach werden, daß sie 20 Kilo abnahm. Jeden Tag bekamen sie 100 Gramm Wasser zu trinken. Der Hunger verfolgte sie anfangs, sagte sie, aber selbst diese Schmerzen wichen, um durch Dumpfheit ersetzt zu werden.

Einige der Mädchen kamen stark blutend von den Verhören zurück. Sie waren „geschlagen, gequetscht, gedemütigt und vergewaltigt worden“, sagte sie und schluchzte, als sie die Erinnerungen erzählte, beschämt darüber, daß diese jungen Mädchen nach der Brutalität kaum mehr als Tiere für sie waren. „Sie waren blutüberströmt und so entstellt, daß sie kaum noch menschlich waren“, sagte sie. „Wir hatten keine andere Wahl, als so über sie zu denken.“

Das Alter der Gefangenen reichte von 14 bis 80 Jahren. „Welche Sünde könnten sie wohl begangen haben, fragte ich mich“, sagte sie und erinnerte sich an ihren Kummer, als sie sich in ihrer überfüllten Zelle umsah. „Es schmerzte mich zutiefst, als ich sah, wie diese unschuldigen Teenager, die erst 14 Jahre alt waren, solch einen Horror erleiden mußten.“ Die seelischen Qualen, nicht nur die jungen Teenager zu sehen, sondern auch die älteren Frauen von 80 Jahren, waren für Gulbahar unerträglich.

Sie beschrieb den Keller, in dem grausame Taten vollzogen wurden. Es gab bestimmte Bereiche ohne Überwachungskameras, in die die Frauen gebracht wurden, um vergewaltigt und gefoltert zu werden, sagte sie. Niemand konnte unsere Schreie sehen oder hören, es war schrecklich, sagte sie und fügte hinzu, daß es sie selbst jetzt zutiefst beunruhige, darüber zu sprechen.

Nicht Chinesisch Sprechende wurden geschlagen und ihnen wurde das Essen vorenthalten, was sie besonders benachteiligte. Wenn sie eines der Mädchen um eine Übersetzung auf Uigurisch bat, wurde ihr Gespräch von einem Lautsprecher abgehört und sie wurde sofort bestraft und bekam eine Woche lang nichts zu essen.

Nach ihrer 15-monatigen Tortur wurde sie unerklärlicherweise und plötzlich entlassen. So schwach, daß sie kaum gehen konnte, wurde sie zunächst zur Untersuchung in das Krankenhaus Nummer drei in Urumqi gebracht. Dort wurde ihr ausgemergelter Körper drei Tage lang gründlich untersucht, und abgesehen von Vitaminmangel wurde ihr ein einwandfreier Gesundheitszustand attestiert. Ihre Entführer veranlaßten, daß ihr Haar gefärbt und ihr Gesicht geschminkt wurde, bevor sie sie nach Kasachstan zurückbrachten.

Kurz vor ihrer Abreise gaben sie ihr einen Zettel mit den Telefonnummern des Büros für öffentliche Sicherheit. Der Beamte verabschiedete sie mit folgenden Worten: „Wenn Sie jemals nach Urumqi zurückkommen, in Schwierigkeiten sind oder uns brauchen, sind wir 24 Stunden am Tag hier“, und fügte zynisch hinzu, er wisse, daß sie eine kluge Frau sei. „Und wenn Sie jemals jemandem erzählen, was Sie gesehen oder erlebt haben“, warnte er, „hat die chinesische Regierung einen langen Arm ... und wir werden Sie umbringen.“

Unbeirrt, aber gebrochen im Geist und verängstigt, sagt Gulbahar aus. „China erzählt der Welt, daß wir alle lügen und daß in diesen Lagern nichts passiert“, sagte sie. „Aber ich bin der Beweis dafür, daß es keine Lüge ist, und hier habe ich mein Urteil, das beweist, daß ich inhaftiert wurde“, sagte sie und schwenkte ihre Handvoll Dokumente mit dem charakteristischen roten Rundsiegel der chinesischen Regierung.

„Seit 2017 werden Uiguren und ethnische Kasachen gefaßt und weggeschafft, angefangen bei den jungen Brotverkäufern, die getötet werden, bis hin zu Tausenden von Babys, die gewaltsam abgetrieben werden“, sagte sie. Sie flehte die UN an, den Völkermord an ihrem Volk mutig anzuerkennen, die Aufmerksamkeit in den Medien zu erhöhen, chinesische Beamte vor Gericht zu stellen und die KPCh zur Rechenschaft zu ziehen.

„Das muß aufhören“, war ihr Schlußsatz.