17. April 2019
Radio Free Asia, www.rfa.org

Gao Zhishengs Frau nutzt seinen Geburtstag, um auf sein Verschwinden aufmerksam zu machen

Eine internationale Menschenrechtsgruppe hat ihre Besorgnis über die mögliche Folterung und Mißhandlung des chinesischen Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng zum Ausdruck gebracht, der vor fast zwei Jahren gewaltsam entführt wurde.

"Gao Zhisheng, ein Aktivist und Menschenrechtsanwalt, wurde weder gesehen noch hat man etwas von ihm gehört, seit er zuerst von seiner Familie als vermißt gemeldet wurde", schrieb Amnesty International in einem Dringlichkeitsbrief an die chinesische Führung in Peking.

"Er war dem gewaltsamen Verschwindenlassen ausgesetzt, was Besorgnis wegen Folter und anderen Mißhandlungen ausgelöst hat", heißt es dort.

Gao konnte am 13. August 2017 in seiner Höhlenwohnung in der nordchinesischen Provinz Shaanxi nicht mehr gefunden werden und wurde als vermißt gemeldet.

Gao Zhisheng 2015, ehe er verschwand

Amnesty  zufolge leugnete die örtliche Polizei im Bezirk Jia der Provinz Shaanxi und in Yulin City, daß sie ihn festhalte, sagte aber, sie wüßte, wo er sich befindet.

"Nachdem Gao Zhishengs Familie über drei Wochen lang keine Informationen erhalten hatte, erfuhr sie schließlich am 5. September 2017, daß er nach Peking gebracht worden war", heißt es in dem Brief von Amnesty.

Der Regierungsbeamte, der Gaos Bruder die Informationen gab, weigerte sich jedoch, Einzelheiten über Gaos genauen Aufenthaltsort, seinen aktuellen Zustand oder die Gründe für seine Inhaftierung zu nennen.

Gaos Frau Geng He, die nach einem früheren Verschwinden im Jahr 2009 mit den beiden Kindern des Paares in die USA geflohen war, sagte, sie wisse immer noch nicht, wo er ist.

"Da Gao Zhisheng gewaltsam entführt worden war, haben die Behörden seine Familie nie darüber informiert, wo er festgehalten wird, noch haben sie ein offizielles Dokument zur Verfügung gestellt, das sie über seine Inhaftierung oder etwas Ähnliches informiert hätte, geschweige denn seiner Familie erlaubt, ihn zu besuchen", teilte Geng der RFA vor Gaos Geburtstag am 20. April mit.

"Die örtliche Polizeistation gibt immer wieder den schwarzen Peter weiter", sagte sie. "Einmal sagen sie, daß Gao Zhisheng in Yulin festgehalten werde, dann wieder sagen sie, er werde in der Provinz Jia oder in Peking festgehalten."

Unterdessen behandeln Beamte sowohl die Verwandten von Gao als auch von Geng als "schuldig durch Assoziation", fügte Geng hinzu.

"Sie haben verlangt, daß sich meine Familie wöchentlich bei ihrer örtlichen Polizeistation meldet und ein Schriftstück unterzeichnet", sagte sie. "Einmal sah einer meiner Verwandten den Inhalt dessen, was sie unterschreiben mußten und daß ich und meine Kinder als Flüchtige bezeichnet werden."

Geng sagte, daß Gaos eigentlicher Geburtstag am 20. April sei, sie ihn aber normalerweise am selben Tag wie den Geburtstag ihrer Tochter am 17. April feiere.

"Dieses Jahr ist das Thema seines Geburtstages der Wunsch, daß er nach Hause zurückkommen möge", sagte sie.

Der ehemalige Führer der Demokratiebewegung von 1989, Li Jinjin, heute Anwalt in New York, sagte, es gäbe im chinesischen Recht keine Basis, um jemanden gewaltsam verschwinden zu lassen.

"Das gewaltsame Verschwindenlassen hat keine Rechtsgrundlage, und es verstößt gegen Artikel 35 der chinesischen Verfassung in Bezug auf die persönliche Freiheit", sagte Li RFA.

"Dennoch wird es häufig als Werkzeug bei den internen Kämpfen der herrschenden  Kommunistischen Partei Chinas eingesetzt, die ihre politischen Gegner ohne Rücksicht auf ihre Menschenrechte einsperren läßt", sagte er.

Während es mit der Verankerung der Menschenrechte in der Verfassung nach Beginn der Wirtschaftsreformen 1979 eine leichte Besserung gab, hat das Wachstum der Bürgerrechtsbewegung eine zunehmende Anwendung der außergerichtlichen Inhaftierung herbeigeführt, meinte Li.

"Die chinesische Regierung hat in den letzten 10 Jahren immer wieder zu gewaltsamem Verschwindenlassen gegriffen, um sich ihr lästiger Rechtsverteidiger zu entledigen", sagte er.

Am 11. November 2017 teilte ein "Sicherheitsbeauftragter" RFA mit, daß Gao von der Staatssicherheitspolizei im Bezirk Jia festgehalten wird und daß es ihm gut gehe. Aber Gaos Familie hat seitdem keine weiteren Informationen erhalten.

Amnesty forderte die chinesische Regierung auf, "Gao Zhisheng unverzüglich und bedingungslos freizulassen, falls er nur wegen der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde".

"Bis zu seiner Freilassung offenbaren Sie sofort den Aufenthaltsort von Gao Zhisheng und stellen Sie sicher, daß er keiner Folter oder anderen Mißhandlung ausgesetzt ist und daß er regelmäßigen, uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie, Anwälten seiner Wahl und medizinischer Versorgung auf Anfrage oder bei Bedarf hat", heißt es in dem Schreiben.

Gao, einst ein prominenter Anwalt der regierenden Kommunistischen Partei Chinas, begann von den Behörden ins Visier genommen zu werden, nachdem er einige der verletzlichsten Menschen Chinas verteidigt hatte, darunter Christen, Bergleute und Anhänger der verbotenen spirituellen Bewegung Falun Gong.

In seinen veröffentlichten Memoiren beschreibt Gao die Folter, die er während seiner Zeit im Gefängnis durch die Behörden erlitten hat, sowie drei Jahre Einzelhaft, in denen er, so sagte er, nur von seinem christlichen Glauben und seiner Hoffnung für China aufrecht gehalten worden sei.

Aktivisten sagen, daß der fortgesetzte Hausarrest nach seiner "Entlassung" aus dem Gefängnis die Behandlung von Rechtsanwälten und Aktivisten widerspiegelt, die seit Juli 2015 nach einer landesweiten Polizeioperation festgehalten werden.