Aus "Human Rights Update"
Die Geschichte von zwei ehemaligen politischen Gefangenen
Der ehemalige politische Gefangene Ngawang wurde am 17. Juni 1979 im Dorf Penang, Gemeinde Khartse, Kreis Penpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, TAR, geboren. Als kleiner Bub kam er in die Grundschule in seinem Dorf und absolvierte dort sechs Schuljahre. Danach trat er auf den Rat seiner Eltern in das Kloster NaLanDa ein und wurde dort Mönch.
Während seiner Zeit im Kloster verteilte er 1993 in Khartse und Phenpo Lhundrup Pamphlete mit der Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet. Er hatte die Flugblätter mit einem Druckstock selbst hergestellt
Mit Unterstützung seiner Freunde Namgyal und Losel Norbu entfernte er den Namen Mao Zedongs von einem Gedenkstein, der nach 1959 als Lektion für die Tibeter von der chinesischen Lokalverwaltung errichtet worden war. Statt dessen ritzten sie „Unabhängiges Tibet“ in den Stein. Am Abend des 2. März 1995 stürmten 500 Soldaten und 150 PSB-Polizisten in das Kloster, veranstalteten eine Großrazzia und nahmen dabei 29 Mönche willkürlich fest. Bereits am 29. Februar hatte es eine Razzia gegeben, während derer es zu einem Handgemenge zwischen Mönchen und Militär gekommen war.
Am 5. März 1995 wurde Ngawang zusammen mit einem weiteren Mönch und einer Nonne willkürlich verhaftet und im Haftzentrum von Lhundrup inhaftiert. Dort wurde er von der chinesischen bewaffneten Polizei geschlagen und gefoltert.
„Die bewaffnete Polizei schaffte uns nach einigen Tagen ins Haftzentrum Gutsa, wo wir verprügelt und gefoltert wurden. Nach drei weiteren Tagen im Haftzentrum wurde ich allein zu weiteren Verhören in das Gefängnis Sangyib in Lhasa gebracht“, berichtete Ngawang. Am 9. Oktober 1995 verurteilte ihn der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa wegen politischer und konterrevolutionärer Aktivitäten zu sechs Jahren Gefängnis.
Nach zehn Monaten Mißhandlungen im Gefängnis Gutsa wurde er in die Einheit Nr. 5 ins Gefängnis Drapchi verlegt. Drapchi galt als das berüchtigtste und meistgefürchtete Gefängnis in der gesamten Autonomen Region Tibet.
Während seiner Haftzeit in Drapchi organisierte er gemeinsam mit anderen politischen Gefangenen den Widerstand gegen die Anordnung, daß alle Häftlinge sich zum Hissen der chinesischen Flagge im Hof zu versammeln haben. Sie riefen: „Freiheit für Tibet, lang lebe der Dalai Lama“. Die Chinesen ließen sie dennoch in ihre Einheiten zurückkehren. Die Wachhabenden scheuten sich anfänglich die Behörden über den Widerstand der Gefangenen gegen die behördliche Anordnung zu informieren.
Wie Ngawang berichtet, verfügte der chinesische Beamte nach dem Flaggenvorfall in der Haftanstalt, daß die Gefangenen nicht hinausgehen durften. An diesem Tag saß Ngawang den ganzen Tag im Gefängnishof. Da kam der Mönch Kelsang Choephel aus dem Kloster Khammar in Dhamshung, TAR, der gerade die Toilette aufgesucht hatte, an ihm vorbei und verabschiedete sich. Einen Moment später hörte Ngawang seine Mitgefangenen schreien, Kelsang Choephel habe sich in dem schmalen Gang zwischen den Gefängnistrakten erhängt. „Ich sah eine Notiz auf seiner Brust, auf der stand, daß er für die sechs Millionen Tibeter sterbe, die unter dem chinesischen Regime leiden müssen“, sagte Ngawang. Alle Gefangenen fanden sich im Hof zusammen und hielten eine Gebets- und Trauerzeremonie für ihn, aber schließlich lösten die Wachen die Versammlung auf und schlossen die Häftlinge wieder in ihren Zellen ein.
Nachdem er sechs lange Jahre lang Folter, Schläge und grausame, erniedrigende und unmenschliche Behandlung über sich ergehen lassen mußte, wurde er schließlich am 4. März 2001 aus dem Gefängnis entlassen. Seine politischen Rechte wurden ihm für drei weitere Jahre aberkannt.
Obwohl er seine Strafe voll verbüßt hatte, durfte er nicht nach Lhasa gehen, keine Treffen oder Versammlungen besuchen und sich nicht ohne die Genehmigung mehrerer Behörden von einem Ort zum anderen bewegen. Jede Reise mußte vom Ortsvorsteher, dem Gemeindevorsteher, dem Kreischef und dem Büro für Öffentliche Sicherheit gebilligt werden.
Im März 2008 beteiligte er sich an den Demonstrationen und Protestaktionen, die in ganz Tibet aufgeflammt waren. Es war der größte Aufstand gegen die chinesische Herrschaft seit dem von 1959. Ngawang konnte danach nicht mehr in Tibet bleiben.
Am 9. Januar 2009 brach er zu der gefährlichen Flucht nach Indien auf. Er hatte einen Guide angeheuert, der ihn nach Nepal brachte und dafür 13.000 Yuan verlangte. Am 2. Februar 2009 erreichte er Dharamsala, den Sitz der tibetischen Regierung-im-Exil und Residenz des Dalai Lama. Nach einer Audienz bei Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama besucht er nun die Tibetan Transit School.
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